Schweitzer Fachinformationen
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Pasta mit Basilikumpesto, ein gegrillter Fisch mit Kartoffelsalat oder vielleicht einfach nur eine Bratwurstsemmel, dachte Christina, das wäre jetzt was.
Sie wischte den Tresen sauber und schaute sich im Laden um. Jedes Bonbonglas stand auf seinem Platz, die Lakritzlutscher, die sich als Verkaufsschlager erwiesen und seit einem halben Jahr ein eigenes Regal neben dem Likör hatten, waren in Reih und Glied angeordnet. Christina wusste, dass kein Staubkorn sich in den Regalen befand - dafür hatte sie eigenhändig gesorgt. Der Raum duftete wie immer nach Lakritze, Gewürzen und einem Hauch Erdbeeraroma von den Gummibärchen. Wenn der Tresen gewischt war, wäre Christina fertig für heute, wie sie erleichtert feststellte. Die Kunden hatten sich, wie so oft am Samstag, die Klinke in die Hand gegeben, und erst jetzt, als draußen die heiße Mittagssonne die Straßen aufheizte, riss der Strom der Süßigkeitenfans langsam ab.
Nelly war hinter Christina aufgetaucht, und die Schwestern tauschten einen wohlwollenden Blick.
»Was fehlt uns denn noch für Montag?« Nelly trug wie üblich ihre Küchenschürze und hatte die langen, dunklen Haare zu einem Dutt gebunden, aus dem sich schon wieder erste Strähnen lösten. »Brauchen wir noch was? Dann leg ich eine Sonderschicht ein.« Nelly strahlte. Die Vorstellung, länger arbeiten zu müssen, schien für sie eher eine Belohnung als eine Strafe zu sein, während Christina heute mal wieder nur darauf wartete, aus der lakritzgeschwängerten Luft der Manufaktur hinaus in den warmen Junitag zu entkommen. Mühsam drängte sie das schlechte Gewissen, das sie bei der sichtlichen Freude Nellys überfiel, beiseite.
Sie wollte, sie hätte auch nur die Hälfte des Engagements für das Geschäft und ein Viertel der Leidenschaft für Lakritze, die ihre Schwester Nelly empfand. Aber für sie selbst, das musste sie zugeben, war die Tätigkeit im Lakritzgeschäft ihre Arbeit, nicht mehr und nicht weniger, auch wenn sie das gegenüber ihrem Vater nie zugegeben hätte. Schließlich hatte er den Laden aufgebaut und Jahre seines Lebens in das Geschäft investiert. Wie sollte sie ihm da sagen, dass sie mehr aus familiärer Verpflichtung denn aus Freude bei ihm arbeitete? Für sie war der Job im Laden tatsächlich nur ein Job, der sie und ihren Sohn ernährte.
Nelly schaute sie noch immer erwartungsvoll an.
»Ich glaube, du kannst guten Gewissens Feierabend machen. Hast du nicht eh schon Chillibömbchen, Lavendelleckerli und diese neuen Lakritzen mit dem flüssigen Kern gezaubert?«, erwiderte Christina und wischte ein letztes Mal über den Tresen. »Ich mach noch Kasse.«
»Na gut. Aber ich glaube, ich probiere rasch ein neues Rezept aus. Ich hab da eine Idee für Kardamomlakritze, mit so einer weihnachtlichen Note, weißt du. Die könnten wir in Gläsern mit weihnachtlichen Chiemsee-Motiven verkaufen. Schnee, der zugefrorene See, vielleicht ein glitzernder Eiskristall auf dem Deckel - das könnte ein regelrechter Verkaufsschlager werden.« Nelly stand ihre Leidenschaft für den Beruf ins Gesicht geschrieben. Von ihren vor Begeisterung glühenden Wangen lenkten allerdings der Haarreifen mit den Hasenohren und das T-Shirt mit der rausgestreckten Zunge ab, das sie heute trug. Nelly hatte sich schon immer, seit Christina sie kannte, extravagant gekleidet, und daran änderte sich auch nichts, obwohl sie mittlerweile Bayerin mit Leib und Seele war. Seit sie vor zwei Jahren angefangen hatte, in der Süßen Liebe zu arbeiten, war sie ein unverzichtbarer Bestandteil des Ladens, ja sogar eine der Säulen, auf der die Manufaktur ruhte. Anton Rieger, Nellys und Christinas Vater, kam nämlich langsam in die Jahre und gehörte - wie er nicht müde wurde zu betonen - zum alten Eisen. Umso erleichterter war er, dass Nelly mit in den Produktionsprozess eingestiegen war. Das Tempo, mit dem Nelly sich in ihrem Beruf etabliert hatte, war wirklich erstaunlich. Sie war in null Komma nichts zu einer hervorragenden Bonbonherstellerin geworden, und das, obwohl sie keine Vorerfahrung in dem Beruf gehabt hatte.
Christina musste über den Feuereifer ihrer Schwester lachen. »Tu, was du nicht lassen kannst. Aber du könntest natürlich auch Zeit mit Quirin verbringen, bei dem schönen Wetter.«
»Der gibt einen Segelkurs. Außerdem bin ich nachher mit meinem Lieblingsneffen verabredet. Hast du etwa vergessen, dass Michael heute bei mir schläft?«
»Oh, nein, Michael hat schon dafür gesorgt, dass ich das nicht vergesse.« Christina lachte. »Die ganze Fahrt von Rosenheim nach Prien über hat er erzählt, was er alles vorhat: Hühner füttern, die Alpakas streicheln und mit Quirin in die Werkstatt gehen.« Bei Nelly zu übernachten war für Michael immer ein echtes Highlight, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er noch viel häufiger Zeit mit seiner Tante und deren Lebenspartner verbracht.
»Papa hat angerufen und gesagt, der Kleine ist so aufgeregt, dass er seit Stunden ständig auf die Uhr schaut, wann du endlich kommst. Und das, obwohl er heute mit seinem Opa Schach spielen durfte.« Christina hatte angefangen, nebenbei das Geld aus der Kasse zu zählen.
»Oh. Dann sollte ich vielleicht wirklich die Kardamomlakritze ein andermal machen.« Nelly griff entschlossen nach dem Band ihrer Schürze und zog die Schleife auf, um herauszuschlüpfen. Dann ging sie zu den Lollis und zog einen großen, sternförmigen Lutscher aus der Halterung. »Den bring ich Michael mit.«
Christina lächelte. »Da wird er sich freuen. Aktuell interessieren ihn Planeten und Gravitation. Gestern haben wir in der Bücherei einen ganzen Stapel Bücher dazu ausgeliehen.«
»Klingt super. Wir können uns auf unser Bett legen, wenn es dunkel wird. Da ist doch die große Dachluke direkt oben drüber, und er kann mir die Sternbilder erklären.« Nelly war wohl die Einzige, die immer ein offenes Ohr für Michaels jeweiligen Spleen hatte. Sie hörte ihm zu, wenn er von Arachniden sprach, war bereit, sich von seiner Begeisterung über Velociraptoren anstecken zu lassen, und fand es sogar am Esstisch noch klasse, wenn Michael die komplexen Funktionen des Verdauungssystems erörterte, während jedes andere Mitglied der Familie schon leicht angeekelt die Augen verdrehte. Kurz gesagt: Nelly war gut für Michael und genau die Tante, die er brauchte.
Ärgerlich stellte Christina fest, dass sie beim Geldzählen rausgekommen war. Sie fluchte leise. »Ich bin sicher, Supertante, dein Neffe wird sich freuen«, sagte sie in Nellys Richtung, bevor sie damit begann, erneut zu zählen.
»Dann geh ich mal, ja?«, vergewisserte sich Nelly, und Christina nickte, ohne aufzublicken. Ein drittes Mal würde sie nicht anfangen, Kasse zu machen, sie musste sich jetzt konzentrieren.
Als Christina später die Ladentür schloss, piepte ihr Handy. Nelly hatte ein Selfie geschickt, das einen strahlenden sommersprossigen Michael neben ihr zeigte, und beide streckten sie die Zunge heraus. Kein Wunder, dass Michael so begeistert von Nelly war. Sie hatte genau die Lässigkeit, die ihm selbst, obwohl er das Kind war, manchmal fehlte. Zack, da war sie wieder: die mütterliche Sorge, die Christina immer wieder mal befiel, wenn sie über ihren besonderen Sohn nachdachte, der vermutlich das schlaueste Mitglied der eher alltagspraktisch veranlagten Familie Rieger war und der auch in seiner Klasse immer wieder Probleme wegen seiner altklugen Sprüche und seiner eher ungewöhnlichen Interessen hatte. Christina machte drei Kreuze, wenn das Schuljahr vorbei war und er endlich die weiterführende Schule besuchen konnte. Vielleicht fand sich dort eher ein Kind, das zu ihm passte.
Als Christina den Schlüssel in der Handtasche verstaut hatte und in Richtung ihres Autos ging, wuchs in ihr die Vorfreude auf den Nachmittag. Gleich würde sie an dem Ort auf der Welt sein, wo sie am glücklichsten war. Und sie hatte ein wenig Zeit nur für sich.
Allein der Geruch! Christina nahm einen tiefen Atemzug. Hätte sie sich im Spiegel gesehen, wäre ihr überrascht aufgefallen, dass sie lächelte. Es war ein Lächeln, das ihr ganzes Gesicht einnahm. Eilig hängte sie ihre Handtasche an die Türklinke und schlüpfte aus ihrer Jeansjacke, wollte nur noch zum Tisch, der den Raum dominierte und Christina jetzt magisch anzog. Da war ihre Töpferscheibe, das Regal, in dem die Zuckerdöschen mit den herzförmigen Griffen trockneten, die sie zuletzt gehenkelt hatte. Da waren die Blumen, die noch auf ihre Glasur warteten. Das Muster auf den Blütenblättern würde die Herausforderung sein, dachte Christina zum wiederholten Male. Aber sie wusste, es würde ihr gelingen. Ihr Blick fiel auf die Katze, die sie engobiert hatte, eine Technik, bei der man mit sehr dünnflüssigem Ton die Oberfläche des Keramikprodukts gestaltete. Sie war im Moment ihr Lieblingsstück, war es ihr doch tatsächlich gelungen, der Skulptur eine katzenhafte Eleganz zu verleihen. So wirkte sie beinahe lebendig.
Es duftete nach Ton, dem Holz, aus dem der Schuppen gebaut war, und der Glasur, die sie zuletzt verwendet hatte.
Sie setzte sich auf den Hocker an der Drehscheibe neben dem Tisch und genoss für einen Moment die Stille. Es war warm hier drin, fast stickig. Gleich würde sie das große Fenster öffnen, das Quirin, Nellys Freund, auf einer Seite der Gartenhütte eingepasst hatte, um das Raumklima zu verbessern und für mehr natürliches Licht zu sorgen. Er und Nelly hatten Christina das Fenster im letzten Jahr zu Weihnachten geschenkt, und sie hatte vor Freude geweint. Noch immer empfand sie es als wahres Wunder, wenn warme Sonnenstrahlen den Raum ausleuchteten. Außerdem war der Blick in den Garten ihrer Eltern...
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