Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
3 Jahre zuvor
Ich sah auf den Boden zu meinen Füßen. Dort, wo mein Herz lag und um seine letzten Schläge kämpfte. Der Raum drehte sich. Alles, was ich bisher gekannt hatte, wirbelte um mich herum, um sich danach in Luft aufzulösen.
»Du willst was?« Meine Stimme klang leise, fast fremd. Eric tastete nach meinen Fingern, die verschränkt auf meinem Schoß lagen, aber ich entzog sie ihm und sah ihn eindringlich an. Vielleicht hatte er sich vertan? Einfach die falschen Worte gewählt. Mit meinem Blick in seine sorgenvollen blauen Augen versuchte ich, das eben Gesagte zu verstehen.
»Leni .«
»Nenn mich nicht so!«, fauchte ich ihn an, und er fuhr sich beschämt durch die blonden Haare. Ruckartig stand er auf und zog unruhige Kreise in meinem kleinen Wohnzimmer. Seine Schritte hallten über das hellbraune Laminat, bis sie auf dem grauen Teppich vor der Couch verstummten. Die Sonne, die durch die weißen Gardinen schien, war viel zu hell, viel zu strahlend, und stand damit im krassen Gegensatz zu dem Sturm, der in mir tobte.
Ich zog die Beine an, umschlang sie mit meinen Armen und sah geistesabwesend durch den Raum. Er meinte es tatsächlich ernst .
»Es tut mir leid«, sagte er und blieb vor mir stehen.
»Was tut dir leid? Dass du mir an unserem Jahrestag verkündest, dass du eine andere Frau vögeln willst?«, schrie ich nun.
Er schüttelte den Kopf. Die Sitzfläche der Couch senkte sich ein Stück, als er sich eng neben mich setzte. »So ist es doch nicht. Len. Lena, ich hatte das nicht geplant. Ich will dich nicht verletzen!«
»Das fällt dir aber reichlich früh ein!« Nun traten doch Tränen in meine Augen und liefen mir vereinzelt die Wangen hinunter. Schniefend strich ich sie mit meinem Handrücken weg. Langsam gesellte sich Wut zu dem ersten Schock.
»Lena, wir sind quasi seit der Grundschule zusammen. Wir haben nichts kennengelernt außer uns, und .« Er verstummte, und ich wusste genau, was er sagen wollte. Er suchte das Abenteuer, er war einer der Männer, die mit dreiundzwanzig schon ihre Midlife-Crisis bekamen! Ganz große Klasse!
»Natürlich liebe ich dich, aber .«
Ich schnaufte bei dem Wort »aber«. Es brannte sich wie ein heißer Nadelstich in meinen Kopf. Aber lass uns Freunde bleiben. Aber wir können doch den Kontakt halten, dann kannst du immer sehen, wie gut es mir mit der anderen Tussi geht. Pff!
»Aber ich möchte nicht irgendwann aufwachen und mich fragen, ob ich etwas verpasst habe. Oder dich sogar noch mehr verletzen. Ist das denn so abwegig?«
»Liebst du sie?«, fragte ich, und meine Stimme brach.
Er seufzte und wandte den Blick ab. »Ich weiß es nicht .«
Schnell drehte ich meinen Kopf Richtung Fenster und betrachtete den Vogel, der davor seine Kreise zog. Mir würden gerade ebenfalls ein paar Flügel guttun, damit ich diesem Horror hier einfach entfliehen konnte. Wie hervorragend es sich anfühlen musste, so frei zu sein.
»Ich dachte, du hättest bei mir alles, was du brauchst«, sagte ich leise und spürte seine Finger auf meinen. Die gewohnte Berührung ließ mich zusammenzucken. Sie fühlte sich falsch an.
»Das dachte ich auch .«
***
»Erde an Lena!« Selina fuchtelte mit der Notfallanleitung vor meinen Augen herum und ich sah sie blinzelnd an. »Wo warst du denn jetzt gerade?«
Geräuschvoll stieß ich die Luft aus meinen Lungen und lehnte mich tiefer in den weichen Flugzeugsitz. »Ich hab nur kurz gedöst.«
»Mit offenen Augen?«, fragte meine beste Freundin und schüttelte ihre dichte schwarze Mähne. »Ich sehe es dir doch genau an. Hör jetzt endlich auf, dich immer wieder daran zu erinnern. Deshalb unternehmen wir schließlich diesen Trip! Damit du ihn vergisst und mal an dich selbst denkst!«
»Ja .«, sagte ich leise und sah aus dem ovalen Flugzeugfenster. Strahlend weiße Wolken schwebten wie Watte in der Luft, und ich erkannte darunter das dunkelblaue Wasser des Atlantiks.
»Es wird so toll! Gran Canaria! Strand, Cocktails, Männer in Badehosen und du hast auch noch bald Geburtstag!«
»Oh ja, wie toll«, antwortete ich mechanisch. Vor zwei Wochen, als Selina mich mit der Buchung überrascht hatte, hatte ich noch gedacht, ein Urlaub wäre eine gute Idee, um Abstand zu gewinnen. Mittlerweile war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Doch ich schätzte an ihr, dass sie wenigstens versuchte, mich aufzuheitern. Auch wenn ich im Moment nicht gerade das Paradebeispiel für unterhaltsame Gesellschaft war.
»Du hast deine Ausbildung als Köchin in der Tasche, ich habe zwei ganze Wochen Urlaub von meinem bescheuerten Chef bekommen, was willst du mehr?«, plapperte sie weiter.
Ja, was wollte ich mehr? Vielleicht meinen Freund zurück, den ich liebte, der mir aber mit wehenden Fahnen und offener Hose das Herz aus der Brust gerissen hatte, indem er mich für eine andere verlassen hatte. Und was machte ich? Blies Trübsal, anstatt froh zu sein, dass ich diesen Blödmann los war!
»Isst du das noch?« Selina deutete auf das in Plastik eingepackte Brötchen auf dem kleinen Klapptisch, das unappetitlich vor mir lag und um Erlösung bettelte.
»Nee, kannst du haben.«
Sie griff hektisch danach und verspeiste es, als hätte sie tagelang nichts zu essen bekommen. Ich fragte mich ziemlich oft, wo sie diesen ganzen Fraß, den sie in ihren schlanken Körper stopfte, hinschob.
»Darf es noch etwas sein?« Die blonde Stewardess sah uns freundlich an. Ihr überschminkter Mund verzog sich zu einem Lächeln und entblößte strahlend weiße, gerade Zähne. So eine Frau hatte Eric bestimmt auch um ihren Finger gewickelt. Eine perfekte, hübsche, selbständige Frau. Die Stewardess ging mir schon die ganze Zeit auf die Nerven.
»Ja, zwei Sekt, bitte!«, bestellte Selina. Die Flugbegleiterin nickte und wühlte in ihrem Servierwagen. Triumphierend hielt sie uns die zwei kleinen Fläschchen hin. Die Deckel zischten, als wir sie öffneten, und wir stießen schwungvoll miteinander an, so dass der überschäumende Alkohol unsere Finger herablief.
»Auf einen Urlaub voller Spaß, Sonne und Erholung!«
Ich nickte zu Selinas Trinkspruch und setzte die Flasche an meine Lippen. Wenn es gar nicht anders ging, würde ich meinen Verstand eben mit Alkohol betäuben, bis Selina ihre Euphorie ein wenig gezügelt hatte. Wenn sie das überhaupt konnte. Ansonsten würde meine Leber nach diesem Urlaub sicherlich wochenlang stinksauer sein.
»Ist es hier nicht großartig!« Selina strahlte, und ich musste ihrem breiten Grinsen unvermittelt zustimmen.
»Hast du gut gemacht«, lobte ich und zwinkerte ihr zu. Wir standen vor der Rezeption und warteten, bis die Mitarbeiterin unsere Schlüsselkarten vorbereitet hatte. Das Hotel lag in grüner Wildnis, laut zirpende Grillen hatten unseren Weg von der Bushaltestelle bis zum Eingang begleitet. Die Sonne schien trotz April warm von dem blauen, wolkenlosen Himmel. Selina konnte froh sein, dass sie das Schnäppchen hier gefunden hatte. Vier Sterne zum Sonderpreis. Sie hatte direkt zugeschlagen, ohne mich auch nur zu fragen.
Aber nun war ich doch irgendwie froh. Es war ein luxuriöses, nicht zu großes Hotel. Das längliche Gebäude lag direkt am Strand, war aber nur drei Stockwerke hoch. Viel besser als diese Betonburgen, die wir vom Bus aus gesehen hatten. Furchtbar! Mit tausenden anderen Menschen am Buffet zu stehen oder zusammen im Pool zu schwimmen. Ich konnte mir nichts Schrecklicheres vorstellen, als an schwitzender, fremder Haut zu kleben, während ich mir zum Abendessen den Kantinenfraß auf den Teller schaufelte. Natürlich legte ich als mittlerweile gelernte Köchin großen Wert auf das Essen. Aber darum musste ich mir hier weniger Sorgen machen, denn Selina wusste, was mir wichtig war.
»Bitte schön, Zimmernummer 53. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Aufenthalt.« Das Lächeln der Empfangsdame wirkte ehrlich und machte sie auf Anhieb sympathisch.
Wir liefen, nur mit unserem Handgepäck unterm Arm, zu den Aufzügen. Der Page hatte sich bereits vor zehn Minuten unsere Koffer geschnappt und sie auf das Hotelzimmer bringen lassen. Was für ein Service! Normalerweise hätte ich mir das direkt nach meiner Ausbildung nicht leisten können und Selina mit ihrem Gehalt als Bürofachangestellte ebenfalls nicht. Es lebe Last Minute und Nebensaison!
Wir mussten in den zweiten Stock. Selbst der Lift wirkte edel, er war komplett verspiegelt und mit goldenen Knöpfen ausgestattet. Der Teppich darin hatte nicht einen einzigen Fleck. Ich traute mich kaum, darauf zu stehen.
»Das hast du wirklich gut gemacht«, sagte ich nochmal und lächelte Selina an, die sich sichtlich freute.
»War mir klar, dass es dir gefällt, wenn wir erstmal hier sind.«
Wir stiegen aus und suchten mit Hilfe der kleinen Metallschildchen an den Türen nach unserer Zimmernummer. Ich fühlte mich vor lauter Neugierde und Vorfreude auf unser Zimmer fast schon überdreht, als wir es endlich fanden. Das kleine grüne Lämpchen über der Klinke bedeutete uns, dass wir erfolgreich eingecheckt hatten. Ich drückte gegen das schwere Türblatt und mir blieb der Mund offen stehen, während...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.