Schweitzer Fachinformationen
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Ein weiterer Samstagabend im Mouse and Duck.
Jerry, der Pubinhaber, stieß in der Küche wilde Flüche aus. Paul und Philip hatten ihre Pints fast ausgetrunken und führten ein Streitgespräch über Fußball, das unweigerlich zu einem Streitgespräch darüber werden würde, wer die nächste Runde bezahlen musste. Der-Sich-Besäuft-Dann-Fickerig-Dann-Wütend-Wird saß vor seinem vierten Bier und bewegte Lippen und Augen, als redete er einmal mehr mit sich selbst. Maud und Martha beäugten durch ihren Zigarettenqualm die Karaoke-Maschine. Und ich hatte mir beim Bedienen der Gruppe Studenten, die drüben in der Ecke anfingen, Radau zu schlagen, ein halbes Glas Bier über die Schuhe gekippt.
Ich vergewisserte mich, dass mich niemand beobachtete, und versetzte meinen Orangensaft mit einem Schuss des billigen Wodkas aus dem Dosierer.
Jerry kam aus der Küche gestürmt und fluchte lauthals, weil uns anscheinend die Tiefkühlerbsen ausgegangen waren. Ich warf ihm einen strengen Blick zu, um ihn an unser Gespräch von letzter Woche zu erinnern, bei dem ich ihn darüber aufgeklärt hatte, dass er damit aufhören müsse, bei der kleinsten Kleinigkeit mit einer ganzen Containerladung Unflätigkeiten um sich zu werfen, wenn er bessere Kundschaft anziehen wollte.
»Hast du die beknackten Erbsen nachbestellt, Eleanor?«, fragte er etwas gewählter und rieb sich mit einer tätowierten Hand über den nahezu kahl geschorenen Schädel.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich habe nichts mehr bestellt, seit ich die fettarmen Pommes besorgt habe und du mir gesagt hast, dass du mir nicht mehr vertraust.«
»Aber Erbsen!«, wandte Jerry ein. Er bemerkte den Blick des Studenten, der ohne jede böse Absicht Fish and Chips bestellt hatte. »Einen kleinen Moment noch«, rief er ihm zu und rauschte zurück in die Küche.
Mir fiel wieder ein, was mir mein Agent heute Nachmittag am Telefon über meinen neuesten erotischen Unterhaltungsroman gesagt hatte: Dem Ganzen fehlt ein wenig der Bezug zur Realität, Herzchen.
Wie würde meinem Agenten in seinem Londoner Büro dieser Bezug zur Realität gefallen? Biergetränkte Schuhe, Zigarettenrauch und keine beknackten Erbsen?
Ich trank einen Schluck von meinem Drink, verzog beim Wodkageschmack das Gesicht und schenkte mir noch einmal bis zum Anschlag nach. Jetzt schmeckte das Gesöff noch schlimmer, bescherte mir dafür jedoch ungewohnt weiche Knie.
Hugh stand von seinem Platz in einer abgeschiedenen Ecke des Pubs auf, und ich versteckte meinen Drink hinter dem Tresen, wo ihn niemand sehen konnte. An diesem Abend trug er ein Designerhemd und hatte irgendwas mit seinem Haar angestellt, was es einen Tick ordentlicher als sonst abstehen ließ. Alles in allem hatte er sich mit seinem Äußeren viel mehr Mühe gegeben, als es das Mouse and Duck erforderte; vermutlich hatte er noch irgendetwas anderes vor.
Hugh kam zur Theke und reichte mir sein Glas, und ich stellte es unter den Bierhahn. »Und für sie Cider mit Johannisbeersirup«, sagte er und deutete mit dem Kopf in Richtung der Blondine, die gerade mal einen schmalen Streifen ihrer gemeinsamen Sitzbank einnahm. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, was mich allerdings nicht wirklich überraschte.
»Ich fass es nicht, dass du mit einer Frau schlafen wirst, die Cider mit Johannisbeersirup trinkt«, bemerkte ich.
»Ich mag Naschkatzen.«
Eigentlich meinte er, dass Naschkatzen ihn mochten, aber ich sparte mir die Mühe, das richtigzustellen.
»Wie alt ist sie? Siebzehn?«
»Zweiundzwanzig. Sie arbeitet irgendwo.«
»Irgendwo? Weißt du wenigstens, wie sie heißt?«
»Harriet«, sagte er mit Bestimmtheit und warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Doch, Harriet, hundertprozentig.«
Ich unterdrückte den Drang, mir einen kräftigen Schluck meines Drinks zu gönnen. Hugh hatte eine Nase wie ein Spürhund. Vermutlich, weil er ständig feste junge Frauenkörper beschnupperte. Stattdessen kehrte ich ihm den Rücken zu und goss Johannisbeersirup in ein Pintglas.
»Na, dann pass gut auf, dass du sie richtig ansprichst«, witzelte ich. »Im Moment der Ekstase willst du ja nicht den falschen Namen herausschreien.«
»Das ist mir einmal passiert.«
»Ich bin überrascht, dass es nur ein Mal war.« Ich drehte den Bierhahn über Hughs Glas zu und fing an, in das der Blondine Cider zu füllen.
»Nein, nicht ich ? ich hab das noch nie gemacht«, erwiderte Hugh. Er lehnte sich gegen den Tresen und genoss das Gespräch mehr als ich. »Mir ist es passiert. Die Frau hat >Joe!< geschrien.«
»Bist du dir sicher, es war nicht >ho<?«
»Es war auf jeden Fall >Joe<.«
»Und was hast du getan?«
»Ich habe weitergemacht. So weit, wie wir schon waren, hätte ich nur schwer aufhören können.«
»Genau das ist dein Problem, Hugh. Du bist so unglaublich romantisch.«
Ich stellte das lilafarbene Getränk seiner blonden Begleitung neben sein Bier auf die Theke, dachte, Ach, was soll's, und holte meinen Drink unter dem Tresen hervor. Hugh kniff die Augen zusammen, als ich mir einen Schluck genehmigte.
»Was trinkst du da?«
»Orangensaft.«
»Nein, tust du nicht, du benimmst dich komisch. Was trinkst du wirklich?«
Wie gesagt, eine Nase wie ein Spürhund. Das war wohl auch der Grund, warum er immer dann bei mir aufkreuzte, wenn ich kochte oder eine Flasche Wein öffnete.
Ich zuckte mit den Achseln. »Es ist ein Screwdriver.« Der aus erheblich mehr Screw als Driver bestand . oder mehr Driver als Screw? Ich kicherte.
Er runzelte die Stirn. »Du trinkst sonst nie bei der Arbeit. Stimmt was nicht?«
»Es ist Samstagabend, Hugh. Mach nicht so ein Gesicht.«
»War der Agent mit deinem Buch nicht zufrieden?«, fragte er etwas leiser, damit der Rest des Pubs ihn nicht hören konnte.
Er kannte mich einfach viel zu gut. »Blödsinn«, erwiderte ich heiter. »Nach sechzehn Büchern sollte ich wohl wissen, was ich tue.«
»Was ist mit Fickerig/Wütend? Er hat dich doch nicht belästigt, oder?« Hugh sah zur anderen Seite der Theke, wo Der-Sich-Besäuft-Dann-Fickerig-Dann-Wütend-Wird saß. Er hatte einen Namen, Norman, glaube ich ? jedenfalls reagierte er auf Norman, wenn er betrunken war. Aber Fickerig/Wütend passte viel besser zu ihm, und man konnte es sich leichter merken.
»Es ist alles in Ordnung, Hugh. Alles ist genauso wie immer. Hier verändert sich nie irgendwas. Ich hatte einfach nur Lust auf einen Drink, das ist alles.«
Er sah mich an und dann wieder zu Fickerig/Wütend, der nach wie vor in seiner eigenen kleinen Welt schwelgte. »Ich wusste gar nicht, dass du Wodka magst.«
»Ich liebe Wodka.«
Hugh stützte das Kinn auf die Faust. »Ich bleib noch ein bisschen, wenn du magst.«
»Ich genehmige mir nur einen Drink.«
Hugh hatte so eine Art, einen zu mustern und abzuschätzen. Er blickte einen dann mit seinen braunen Augen ganz durchdringend an. Ich hatte schon oft beobachtet, wie er diese Technik bei Frauen anwendete. Aus irgendeinem Grund brachte er sie damit zum Schmelzen.
Mich aber nicht. »Deine Blondine wartet«, rief ich ihm in Erinnerung.
Er zog die Augenbrauen hoch, zuckte kapitulierend mit den Schultern und ging mit den Getränken zurück an seinen Tisch. Es dauerte gerade einmal zehn Sekunden, bis ihm das Blondchen die Hand aufs Knie legte und sie gemeinsam über etwas lachten.
Ich stellte Paul und Philip zwei frische Pints hin. »Wie hat Reading heute gespielt?«, fragte ich.
Paul stürzte sich sofort in eine ausführliche Schilderung des heutigen Fußballspiels. Ich hatte keinen blassen Schimmer von Fußball, aber nach Jahren hinter einem Pubtresen hatte ich gelernt, interessiert zu wirken, auch wenn ich nur Bahnhof verstand.
»Wow«, sagte ich, als ich davon ausging, dass er zum Ende gekommen war.
Er nippte an seinem Bier, sein Sportbericht hatte ihn durstig gemacht. »Du hast nichts von dem verstanden, was ich dir da gerade erzählt habe, stimmt's?«
»Natürlich hab ich's verstanden.«
»Wer hat gewonnen?«
»Reading«, riet ich, weil Paul gut gelaunt wirkte.
»Und was war der Spielstand?«
Damit hatte er mich. »Ähm.«
»Ich hab ihn dir vor gerade mal dreißig Sekunden gesagt.«
»In meinem Kopf vermischt sich das alles«, verteidigte ich mich. »Tschuldige.«
Paul schüttelte den Kopf und trug die Getränke zu dem Tisch hinüber, an dem er für gewöhnlich mit Philip saß. Jerry kam mit den Fish and Chips für den Studenten aus der Küche, wobei der Teller auffällig wenig Erbsen und enorm viele Pommes aufwies.
Ich mixte mir einen weiteren Screwdriver. Martha und Maud standen auf, brachten sich neben der Karaoke-Maschine in Position und legten mit einem Schmachtfetzen von Engelbert Humperdinck los. Fickerig/Wütend winkte mich zu sich und erzählte mir fünf Minuten lang einen zusammenhanglosen Witz, damit er durch mein T-Shirt hindurch meinen Busen begaffen konnte.
»Das ist der Bezug zur Realität«, erklärte ich dem Wodka-Dosierer, als wäre er das zerklüftete Gesicht meines Agenten. Bei Marthas und Mauds Krakeele konnte mich sowieso niemand hören. »Der einzige Mensch, der sich für meinen Körper interessiert, nimmt nur dann von mir Notiz, wenn er vier Biere intus hat, und wird in der nächsten halben Stunde eine Prügelei mit einem anderen Gast anfangen, aus der er als Verlierer hervorgehen wird, weil er achtundsechzig und Alkoholiker ist. Und da fragst du dich, warum mein Buch beschissen ist?«
Ich kippte meinen Drink hinunter und schenkte mir noch einen ein. Wenn doch nur...
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