Schweitzer Fachinformationen
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Casper Munk fühlte sich eigenartig, als er sich dem Polizeipräsidium auf Kungsholmen näherte. Munk war den Weg von seiner Wohnung zum Präsidium zu Fuß gegangen, um in Ruhe seine Gedanken und Gefühle ordnen zu können. Es war jetzt drei Monate her, seit er suspendiert worden war. Er hatte eigentlich damit abgeschlossen gehabt, Polizist zu sein. Er wollte zu seiner Freundin Tove nach Norwegen ziehen. Er hatte sich sogar schon in einem Bettengeschäft nach einem großen Doppelbett umgesehen, das er kaufen wollte. Der Verkäufer hatte sich dabei um Kopf und Kragen geredet, als er ständig seine Frau ins Spiel brachte. Der Verkäufer hatte Munk geraten, ein "sehr breites Bett" zu kaufen, so wie er eines habe; er habe nämlich eine Frau mit "sehr breiten Hüften". Und ein Gästebett empfahl er Munk auch; denn seine Frau schnarche oft und sehr laut, da habe es sich bewährt, das "Schlafzimmer mal verlassen zu können". Munk hatte das Bettengeschäft sehr rasch verlassen.
Sein Wunsch, zu Tove nach Bergen zu ziehen und ein neues Leben zu beginnen, hatte sich ohnehin schnell zerschlagen. Tove hatte gemeint, es sei keine gute Idee, wenn Munk, so aufgewühlt wie er nach der Suspendierung war, sofort nach Norwegen kommen würde, ohne Plan, ohne innere Ruhe. Sie hatte ihm vorgeschlagen, dass er sie öfter besuchen könne als früher, aber dass er erst mal in Stockholm bleiben und sich darüber klarwerden solle, was er mit seiner Zukunft anfangen wolle. Munk wusste, dass Tove irgendwie recht hatte, aber ihre Sichtweise war ihm zu vernünftig. Er hätte sich gewünscht, dass sie ihn auffange, irgendwie. Munk war deshalb etwas beleidigt gewesen und hatte zu Tove gesagt, er sei für eine Beziehungspause, bis er sein Leben wieder geordnet habe. Tove war darüber erstaunt gewesen, hatte aber eingewilligt.
Munk hatte sich danach treiben lassen, er war meistens mit seiner besten Freundin Luna unterwegs gewesen oder mit Pontus Mattsson. Er hatte viel getrunken und in den Tag hineingelebt, was eine Zeit lang Spaß gemacht hatte, ihn aber nicht erfüllte. Er war nicht mehr 20, sondern Ende 40. Er wusste aber immer noch nicht recht, was er künftig tun sollte. Ein Bühnenstück über den Humor, zusammen mit Mattsson. Das war bisher alles, was ihm eingefallen war.
Und dann war der Anruf von Halldor Selander gekommen.
Noch mal zurück zur Polizei? Munk wusste nicht recht, ob ihm der Gedanke gefiel. Wahrscheinlich war er ein sehr guter Polizist, und für alles andere im Leben reichte es nur zu Mittelmaß. Sollte er also wieder das tun, was er am besten konnte?
Munk kam an der Pforte an. Er hatte seinen Polizeiausweis abgeben müssen und musste sich nun anmelden wie jeder andere Besucher auch. Eine junge Frau saß an der Pforte. Munk kannte sie nicht. Sie musste neu sein. Sie kannte ihn auch nicht, obwohl Casper Munk über Jahre hinweg Schwedens herausragender Ermittler gewesen war. Munk sagte, dass der Polizeipräsident ihn erwarte. Und auch Halldor Selander, der Leiter der Mordkommission. Die junge Frau schaute kurz in ihren Computer und sagte dann, er sei angemeldet und müsse den Aufzug rechts nehm.
". ich weiß, wo ich hinmuss", unterbrach Munk und dachte plötzlich darüber nach, wie vergänglich das Leben war. Und wie wenig Spuren man hinterlässt.
Er sah auf die Uhr. Es war Viertel vor zehn. Um zehn Uhr hatte er den Termin bei Ström und Selander. Munk beschloss, bei Grip vorbeizuschauen. Sie hatten sich ein paar Mal privat getroffen, immerhin waren sie befreundet, aber die letzte Begegnung lag bestimmt drei Wochen zurück.
Munk klopfte an Grips Bürotür und trat ein, als er ein helles "Herein" hörte. Grip saß hinter seinem Schreibtisch und lächelte, als Munk den Raum betrat. Aber was hatte er da an? Ein Hawaiihemd, blau, gelb, rot, grün, pink und türkis gepunktet. Munk konnte nicht anders, als laut zu lachen und auf das Hemd zu deuten.
"Was ist das denn?!", rief er und lachte weiter.
Grip hätte empört sein können, aber er war nie beleidigt. Auch diesmal protestierte er nur kurz mit den Worten "Was ist denn? Du solltest auch mal was Neues ausprobieren", aber dann lachte er mit. "Findest du es wirklich so schlimm?", fragte er schließlich.
"Ja!", antwortete Munk, der das Lachen nun ebenfalls eingestellt hatte, aber immer noch grinste.
Grip stand auf, zog das Hawaiihemd aus, zerknüllte es und warf es in den Mülleimer. Dann ging er mit nacktem Oberkörper zum Schrank, holte ein taubenblaues T-Shirt heraus und streifte es sich über. "Besser?", fragte er.
"Viel besser", antwortete Munk. "Aber ich will eigentlich nicht dein Typberater sein. Wenn es dir gefallen hat ."
Grip machte eine wegwerfende Handbewegung. "Leila und Kajsa haben mich heute auch schon ausgelacht", sagte er dann.
"Wo ist Kajsa denn?", fragte Munk und schaute auf den leeren Bürostuhl, auf dem sie gewöhnlich saß.
"Sie ist in dein altes Zimmer gezogen", sagte Grip, "Halldor meinte, es sei besser, Kajsa und ich würden nicht mehr im selben Raum sitzen."
Grip war in die sportliche, gut aussehende Kajsa Tapper verliebt gewesen; er hatte ihr Blumen geschickt, sie sehr oft angerufen und vergeblich versucht, sie einzuladen. Kajsa hatte bereits Munk gebeten, Grip zurechtzuweisen. Munk hatte das zwar in aller Deutlichkeit getan, aber mit wenig Erfolg. Offenbar hatte Halldor Selander dann zu härteren Maßnahmen gegriffen.
"Ist vielleicht besser so", sagte Grip und blickte zu Boden. "Vielleicht war ich zu übergriffig."
Endlich hatte er es eingesehen, dachte Munk.
"Wie geht es dir?", fragte er.
"Passt schon, ich schlage sie mir gerade aus dem Kopf", erwiderte Grip, hieb sich gegen den Schädel und lachte. "Und ja, ich sage mir jeden Tag, dass ich trotzdem schön bin. Wenn ich vor dem Spiegel stehe, würde ich am liebsten sofort mit mir vögeln."
Munk schüttelte amüsiert den Kopf. Grip hatte sich nicht verändert.
"Und wie geht es dir?", fragte Grip. "Lass mich raten: Du wanderst in die hintere Slowakei aus und wirst dort Schleusenwärter?"
Hatte man ihm nichts gesagt?
"Weißt du nicht, warum ich heute da bin?", fragte Munk.
"Nein, ich dachte, du wolltest mir helfen, mich neu einzukleiden", sagte Grip. "Vielleicht sollte ich mir ein Westernhemd mit Fransen kaufen. Marshall Grip!" Dann wurde er ernst. "Warum bist du hier, Casper?"
Munk erzählte Grip von dem Anruf des Polizeipräsidenten, aber bevor Grip, der konzentriert zugehört hatte, darauf reagieren konnte, verschwand er mit einem kurzen Gruß aus dessen Büro.
"Sorry, es ist schon zehn", rief er ihm über die Schulter zu. "Ich komme danach noch mal bei dir vorbei."
Munk fuhr mit dem Fahrstuhl in das oberste Stockwerk. Natürlich hatte Polizeipräsident Lasse Bosse Ström sein Büro nicht im Erdgeschoss. Ström war eitel, profilneurotisch, machtgeil und schlicht. Munk verachtete ihn. Aber er dachte auch daran, dass er in Ströms Büro Halldor Selander treffen würde, seinen früheren Chef. Munk mochte Selander, der für die alten Werte stand: Zuverlässigkeit, Loyalität, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Fairness. Bei Halldor Selander wusste man, was man hatte.
Munk kam im obersten Stockwerk an. Er musste sich bei Ströms Vorzimmerdame anmelden. Es war vier Minuten nach zehn. Die Dame guckte verstohlen auf die Uhr, als sich Munk ihrem Schreibtisch näherte.
"Herr Ström schätzt keine Verspätungen", sagte sie knapp und musterte Munk. Er trug eine Jeansjacke, was die Dame wohl als nicht standesgemäß beurteilte.
Munk überlegte, wie er reagieren sollte. Er war kein Polizist mehr, er war ein freier Mensch, der dieser in seinen Augen überheblichen Tippse gleich in knapper Form mitteilen würde, dass sie .
"Casper!"
Es war Halldor Selander, der die Tür des Polizeipräsidenten von innen geöffnet hatte und Munk entgegenkam. Selander schien sich zu freuen, Munk zu sehen. Munk ging es genauso.
"Hej, Halldor", sagte er und lächelte. "Schön, dich zu sehen!"
"Komm rein, Casper", sagte Selander und deutete mit der rechten Hand auf die geöffnete Tür. Dann sagte er zur Vorzimmerdame: "Bringen Sie Herrn Munk eine Cola. Du trinkst doch noch Cola, Casper?"
"Tagsüber nur Cola. Abends Rotwein und Cola", erwiderte Munk und sah die Vorzimmerdame an. "Manche meinen, das sei stillos. Aber ich liebe es."
Selander lächelte. "Rotwein gibt es nicht. Nur eine Cola, Frau ."
Die Vorzimmerdame stand wortlos auf und ging den Flur hinunter Richtung Küche. Munk und Selander betraten das Büro des Polizeipräsidenten. Als Munk zum letzten Mal hier gewesen war, lag ein roter Teppich im Raum, und dieser Teppich führte zu einem riesigen Mahagoni-Schreibtisch, hinter dem Ström residierte. Er saß dort auf einem großen Sessel und blickte auf seine Besucher herab, die für gewöhnlich auf einem kleinen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz nehmen mussten.
Den Teppich und den Mahagoni-Schreibtisch gab es noch, aber Ström saß nicht erhöht auf seinem Sessel, sondern er befand sich mitten im Raum. Er bemerkte nicht, dass Munk und Selander eingetreten waren und lief im Stechschritt hin und her. Er sah aus wie ein Spielzeugsoldat, den man aufgezogen und der sich nun selbstständig gemacht hatte. Den Eindruck vom Soldaten unterstrich Ströms Kleidung: Er trug eine Uniformjacke, deren rechte Brustseite mit Orden geschmückt war.
Selander räusperte sich, um sich bemerkbar zu...
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