Schweitzer Fachinformationen
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Dieses Buch muss in Wien seinen Anfang nehmen. Ja, in einem Kaffeehaus mit einer Melange in der Hand. Es wird geplaudert, die Häferl klappern. Wenn ich jemals ein Buch schreiben sollte, habe ich mir gedacht, dann wie einer der Wiener Kaffeehausliteraten in einem Kaffeehaus sitzend.
Ich bin Wienerin. Am liebsten bin ich draußen in der Natur. Pflanzen und Tiere maulen nicht zurück. Und ich liebe Essen. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist der Duft des Osterschinkens meines Großvaters, der durchs ganze Haus zieht. Der erste Weihnachtsfeiertag heißt in meiner Familie außerdem "Heiliger-Truthahn-Tag". Ihr merkt, irgendwie ist mir die Liebe zum Essen in die Wiege gelegt. Immer und überall suche ich nach leiwandem Essen. Und wo ist man Natur und Essen näher als in der Landwirtschaft? Denkt's und studiert das an der Universität für Bodenkultur Wien, kurz BOKU. Dipl.-Ing. in Bauer. Klingt schon urleiwand. Währenddessen und danach: Gastronomie, PR, Unternehmensberatung, Pressesprecherei, Journalismus.
In dieser Zeit hat sich meine These immer mehr bestätigt: Wir stehen vor dem Supermarktregal und assoziieren das Schnitzel nicht mit dem Schwein, den Käse nicht mit der Kuh und das Mehl nicht mit dem Acker. Schon gar nicht wissen wir, wie das Schwein gelebt hat, was die Kuh frisst und wer unser Essen herstellt.
Dass wir das nicht mehr wissen, liegt meiner Meinung nach nicht daran, dass wir Leute so deppert und ignorant sind. Es liegt daran, dass wir den Bezug zueinander und zu unserem Essen verloren haben. Bauern machen in Österreich nur mehr 2 Prozent der Bevölkerung aus, und unsere Welt hat sich arbeitsteilig hoch spezialisiert. So auch unsere Lebensmittel-Wertschöpfungskette. Wie könnte ich also wieder für Landwirtschaft begeistern, habe ich mich gefragt. Wie kann ich eine Brücke bauen? Mit Essen! Mit leiwandem Essen und leiwander Landwirtschaft. Und den Geschichten dazu. Und ein bissl Schmäh. So könnte das klappen mit der Brücke zwischen Menschen und Landwirtschaft. Dort, wo die Geschichte des Essens anfängt.
Während meiner Überlegungen, mitten im Alltag, kamen Corona, Zwangsbeurlaubung und, viel einschneidender noch: der Verlust eines der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Die Sonne im Gesicht, noch vollkommen gelähmt von dem, was gerade passiert war, kam mir der Gedanke: "Scheiße, das Leben ist zu kurz." Zu kurz, um das, was ich immer wollte, noch weiter zu verschieben. Ich habe Landwirtschaft studiert, wollte immer von Bauernhof zu Bauernhof fahren, dort arbeiten. Um zu erfahren, wie es wirklich rennt, um zu verstehen, mir bewusst zu machen, wo unser Essen herkommt, und wie Landwirtschaft in unserer Zeit überhaupt abläuft. Die Geschichte von unserem Essen vom Feld bis auf den Teller erzählen. Morgen, ja morgen fang ich ein neues Leben an, und wenn nicht morgen - in meinem Kopf singt die EAV . oder zumindest irgendwann. Noch nie ist eine Idee so schnell zu einem konkreten Plan geworden: Recherchiert, eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber getroffen, Bäuerinnen und Bauern kontaktiert: "Biete Arbeit, will lernen." Corona und der Fakt, dass Wiener im Rest Österreichs mittel beliebt sind, hätten meine Reise fast beendet, bevor sie begonnen hat. "Ja, ich weiß, dass Landwirtschaft harte Arbeit ist", muss ich meine Gesprächspartner am Telefon immer wieder überzeugen. "Das wird schwierig, wir können Sie nicht unterbringen, Sie wissen, die Pandemie." Plötzlich, ich weiß nicht mehr warum, schlägt mir Willhaben etwas vor: Ein Feuerwehrauto, ausgebaut zu einem Wohnmobil, Baujahr 1962. Fun Fact: Ich habe von meinem Vater die irrationale Liebe zu alten Autos geerbt. "Den müssen wir uns anschauen, es geht nicht anders", sind wir uns einig. Auf dem Weg dorthin ein erneutes Telefonat mit Sepp Eisl, dem Besitzer des Bauernhofs, den ich mir eingebildet habe und stur nicht lockerlassen wollte. Wieder: "Das wird schwierig, wir können Sie nicht unterbringen, Sie wissen, die Pandemie." Zehn Minuten vor Passail, auf dem Weg zum Opel Blitz, die Blitzidee: "Was, wenn ich mein eigenes Zuhause mithabe, auf Rädern?" "Na das ist was anderes. Wir haben sogar einen Campingplatz." Manchmal führt eines zum anderen. Ich wollte wirklich nur mal schauen. 20 Minuten später habe ich ein 60 Jahre altes Feuerwehrauto gekauft - den Roten Blitz. Social Distancing am Bauernhof - Bobo-Style. Ups.
Der Rote Blitz wird mit allem bestückt, was man so brauchen könnte. Wein? Hmm, ist ja Platz genug. Nur den Kaffee nicht vergessen. Eine ganze Truhe voll Werkzeug: Ich kenn' mein Auto, das braucht genauso viel Zeug wie ich. Den Kuschelpolster und die Literatur. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Voll im Zusammenpack-Adrenalin merke ich gar nichts von der Aufregung. Am Abend vor der Abfahrt sitze ich mit meiner Großmutter zusammen. So viele Jahre hat sie auf mich aufgepasst, dann ich auf sie. Das ist das erste Mal, dass wir so lange getrennt sind. Während wir gemeinsam eine rauchen, schweigen wir uns an. Sie schaut zu mir auf: "Hast du eh a Puschka?" "Bitte wen?" "Na eine Waffe, Puffen, zur Verteidigung. Du als Frau allein auf der Straße?" "Ami, bist du irre? Da tu ich mir wahrscheinlich selbst mehr weh als irgendwem anderen. Abgesehen davon wäre das wohl semilegal." Toll, Abschied und Horrorvorstellungen. Da hatte ich zum ersten Mal leichte Bedenken. Vielleicht eine Wachkatze? Das wäre mehr meins. "Zum Schreiben brauchst du mich ja eh nicht, schau ma mal, ob ich das noch daleb, bis du fertig bist mit deinem Buch", sagt sie halb vorwurfsvoll, halb stolz. Alles, was ich übers Schreiben weiß, hab' ich von ihr. Meine größte Kritikerin.
Ich schlafe wahnsinnig gut. Weil ich nicht realisiert habe, was eigentlich passiert: Ich fahre los. Monatelang. Lasse Sicherheit, Job, meine Familie und Freunde in Wien zurück. Meine beste Freundin und die Mami kommen in der Früh vor der Abfahrt zum Verabschieden. Jede bekommt noch ein Sackerl in die Hand gedrückt. Wir schleppen das Gepäck die Stiegen hinunter. Ich war tiefenentspannt, jetzt, wo diese zwei wichtigen Menschen zum Verabschieden gekommen sind, bin ich aber aufgeregt und traurig und schusselig. Ich vergesse die Hälfte. Laufe hin und her. Die Mutter doppelt so aufgeregt wie ich. Sie bemüht sich um Coolness. Abschied kann ich nicht. So emotional ich sonst bin, das würde ich am liebsten auslassen.
Vielleicht auch gerade deswegen. Es ist unendlich heiß. Ich umarme beide und steige ein. Der Rote Blitz riecht nach Benzin und Sonne. Fast wie ein alter Traktor. Passt doch, denk ich mir. Am Handy das Navi eingestellt, Musik im Ohr. Ohne den passenden Soundtrack funktioniert kein Roadtrip. Ich starte den Motor, der schmurgelnd anspringt. Mit Billy Joels "Vienna Waits for You" beginne ich zu rollen. Winke den beiden. Als ich um die erste Ecke biege, heule ich wie ein Schlosshund. Billy, du Penner.
Mitte Juni steuere ich also mein Teilmobil von Wien an den Wolfgangsee. Zehn Stunden Fahrt. Die Entdeckung der Langsamkeit. Autofahren war nie entspannter. Entlang der Wachau durch Linz ins Salzkammergut Richtung Seegut Eisl.
Weil Landwirtschaft leiwand ist. Weil ich genau wissen will, wo unser Essen herkommt. Weil hinter jedem Lebensmittel Menschen und Geschichten stecken. Weil ich mit leiwandem Essen eine Brücke bauen will zwischen uns Menschen und der Landwirtschaft. All das sind die Gründe, warum das Stadtkind sein Leben in Wien gegen ein Leben im Roten Blitz auf dem Bauernhof tauscht. Ab heute gibt's die Melange in Gummistiefeln.
Ich könnte euch jetzt hochwissenschaftlich erörtern, warum gerade Schafe und ihre Milch so toll sind - keine Sorge, das kommt noch. Der einfache Grund, warum meine Reise bei den Eisls startet, ist allerdings: Ich mag Schafe. Ich weiß nicht mal, wieso. Sind ein bisschen doof und herzig. Und ich mag Schafkäse. UND vor ein paar Jahren bin ich durch die Salzburger Getreidegasse flaniert, habe mir gedacht: Die ganzen Touris und G'spritzten brauch' ich wie an Huaschtn. Bin abgebogen. Dort der Schriftzug "Eisl Eis". Schafmilch-Eis. Mein Foodie-Herz ist höhergesprungen, und dann war das Geschäft noch wahnsinnig schön und mit Schokobrunnen ausgestattet. Danke - mein Herz habt ihr gewonnen. Beim Nachdenken, zu welchen Bauernhöfen ich fahren könnte, habe ich mich an diesen Moment erinnert. Tada. Deshalb auch meine Hartnäckigkeit.
Was schütten Schafmilch-Bauern in ihren Kaffee? Schafmilch? Dann schmeckt ja der Kaffee nach Schaf. Die Gedanken des bekennenden Kaffeejunkies auf dem Weg zu den...
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