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Rosalyn
»Es gibt ein ziemlich großes Problem bei deinem kleinen Plan«, sagte Rosalyn und klopfte auf das Dossier, das Hugh vor ihr auf den Schreibtisch geworfen hatte. Der Reiseroute zufolge war sie auf einen Air-France-Flug gebucht, der am Tag nach Weihnachten von San Francisco nach Paris ging. Sie sollte ein paar Nächte in Paris bleiben, dann einen Mietwagen abholen, der auf ihren Namen reserviert war, und in die Champagne weiterreisen, eine knapp zweistündige Fahrt nach Nordosten.
»Was denn für ein Problem? Ich habe es selbst gebucht.« Hugh nickte und zwinkerte ihr übertrieben zu. »Erste Klasse - das ist das Ticket. Verstehst du? Das Ticket?«
»Aber ich mag Frankreich nicht. Oder die Franzosen. Oder Champagner, um genau zu sein.«
»Willst du damit sagen, du magst la Champagne nicht, die Region in Frankreich«, fragte Hugh, »oder le champagne, den perlenden Nektar, der auf der ganzen Welt gefeiert wird?«
»Beides, wie du sehr wohl weißt. Mag's einfach nicht.«
Hughs einzige Reaktion auf ihren Unmut war ein breites Lächeln. Rosalyns Boss war ein Bär von einem Mann, der das beengte Weinbau- und Importbüro, das sich in der entzückend renovierten Garage seines weitläufigen Weinguts im Napa Valley befand, noch kleiner wirken ließ. Mit weit über einem Meter achtzig hatte der Mann, der ironischerweise Hugh Small hieß, den gut gepolsterten Körperbau eines Mannes, der oft Gäste bewirtete und seine eigenen hervorragenden Kochkünste - und Weine - ein bisschen zu sehr genoss. Sein braunes Haar mit den ersten grauen Strähnen war wild und zerzaust, und seine Kleidung so nachlässig, dass man ihn, wäre er nicht so bekannt gewesen im Tal, vielleicht für einen der Landstreicher hätte halten können, die zwischen den Weinreben kampierten und an den Highways von Napa und Sonoma entlangzogen, um die Reste aus den Flaschen zu trinken, die gut betuchte Touristen auf ihren Weinverkostungstouren auf den Picknicktischen zurückließen.
Zehn Jahre zuvor hatte Hugh sich mit dem Kauf eines Weingutes in Napa einen lebenslangen Traum erfüllt. Er hatte rasch begriffen, wie hart es war, sich im Weinbau einen Namen zu machen, und erweiterte sein Geschäft daher bald um den Import und Verkauf ausgewählter Jahrgänge aus Frankreich und Spanien über seine Firma »Small Fortune Wines«.
Hughs Lieblingswitz: »Wie macht man im Weingeschäft ein kleines Vermögen? Man fängt mit einem großen Vermögen an.«
Heute prangte in Hughs hellblauem Pullover über seinem Herzen ein Mottenloch. Rosalyn starrte darauf, während sie darüber nachgrübelte, was dieses Loch ihr sagen wollte. Hugh hatte mehr als genug Herz für sie beide.
»Im Ernst, Hugh«, beharrte Rosalyn, bemüht, die vage Panik unter Verschluss zu halten, die irgendwo tief in ihr köchelte. »Ich weiß, die meisten Leute würden die Gelegenheit beim Schopf packen, auf Firmenkosten in die Champagne zu fahren, aber ich reise wirklich nicht gern. Bist du sicher, dass du mich dafür brauchst?«
Er nickte. »Andy ist noch immer im Krankenhaus bei seiner Frau und ihrem Frühchen; er kann jetzt unmöglich wegfahren.«
»Könntest du nicht fahren? Ich könnte hierbleiben und das Büro führen.«
»Ich brauche einen Weinvertreter in Frankreich«, antwortete er. »Und du bist eine Weinvertreterin.«
»Mehr schlecht als recht.«
»Und du sprichst Französisch.«
»Und du hast einen Gaumen. Besser als meiner. Außerdem«, fuhr Hugh fort, während er einen Stapel Post durchsah und mehrere Umschläge in den Papierkorb warf, »ist es regelrecht peinlich, dass du noch nie in Frankreich warst. Welcher Weinvertreter, der etwas auf sich hält, war denn noch nie in Frankreich?«
»Ich war in Frankreich.«
»Ein einziges Mal. Und wenn ich mich nicht irre, bist du damals nach Paris gefahren, was ungefähr so typisch für Frankreich ist wie New York City für die Vereinigten Staaten. Und gib's zu: Du hast deine Zeit dort genossen.«
Schneeflocken, die auf ihren Schals glitzerten, während sie unter dem Laternenpfahl an der Ecke Rue des Abbesses und Rue Lepic standen. Beschwipst von Wein und After-Dinner-Cognac. Kichernd, während sie zusahen, wie ein Mann lautlos die schneebedeckten Kopfsteingassen des Montmartre hinunterschlitterte, und ihr Atem in hauchzarten Wolken aufstieg und sich mit der eisigen Luft vermischte.
»Das ist unser Lachen«, sagte Rosalyn und hob ihre behandschuhte Hand, als wollte sie die Schwaden einfangen. »Komm zurück!«
Dash nahm ihre Hand, wärmte sie in seinen beiden und küsste sie dann. »Davon wird es noch jede Menge mehr geben, Rosie. Ein Leben voller Lachen für meine schöne Braut. Versprochen.«
Dash hatte nicht Wort gehalten.
»Natürlich habe ich es genossen«, erwiderte Rosalyn, als ihr bewusst wurde, dass Hugh sie noch immer ansah und auf eine Antwort wartete. »Es war meine Hochzeitsreise. Das war etwas anderes.«
»Dash ist oft nach Frankreich gefahren«, hob Hugh hervor. »Er hat es geliebt.«
Rosalyn verspürte den üblichen scharfen Stich in der Magengegend bei der Erwähnung ihres Ehemanns. Dennoch war sie dankbar, dass Hugh nie zögerte, ihn laut auszusprechen. Es dämpfte jedes Mal den Schmerz, wenn auch nur ein klein wenig, wenn jemand über Dash redete, als wäre alles ganz normal; als würden sie seinen Geist heraufbeschwören, sein Wesen in diese Welt einladen. Die meisten Leute versuchten, jede Erwähnung seines Namens zu vermeiden, oder gaben sich zerknirscht, als wäre ihnen irgendetwas Ungeschicktes und Peinliches passiert, wenn sie ihn zur Sprache brachten.
»Mir gefällt es genau hier«, beharrte Rosalyn und starrte aus dem Fenster auf die verschlungenen Weinreben, die sich über die wogenden Hügel erstreckten, ihre leicht gewellten Linien nur hier und da von einer Eiche unterbrochen. Der Anblick der parallelen Reihen war tröstlich, als hätte ein Zen-Meister einen riesigen Rechen durch Sand gezogen. »Ich wage zu behaupten, dass mir niemand einen schöneren Ort als Napa nennen kann.«
»Es spricht nichts dagegen, für eine Weile hier Zuflucht zu suchen, Rosalyn.« Hugh dämpfte seine Stimme, und ihre sanfte Aufrichtigkeit ging ihr gegen den Strich. »Aber das ist kein Lebensplan. Wenn du dich entscheidest, dich in Napa niederzulassen, sollte es genau das sein: eine Entscheidung. Kein Versuch, dich vor dem Leben zu verkriechen.«
Rosalyns Augen brannten; Übelkeit stieg in ihrer Kehle hoch. Eine Hand spielte mit dem silbernen Medaillon, das um ihren Hals hing, während die andere nach den Reiseunterlagen griff. Sie tat, als würde sie die Route studieren, in der Hoffnung, sich abzulenken, die Tränen aufzuhalten, die beginnende Panik zu unterdrücken.
Atme, rief sie sich in Erinnerung. Zehn langsame, tiefe Atemzüge .
»Wie du sehen kannst«, fuhr Hugh fort, wobei seine Stimme wieder zu ihrem fröhlichen Ton zurückfand, und zeigte auf ein paar Punkte, die in fetter Schrift hervorgehoben waren, »wirst du Small Fortune Wines auf dem Festival von Saint Vincent, dem Schutzheiligen der Winzer, vertreten, das am zweiundzwanzigsten Januar stattfindet. Bis dahin wirst du dich mit Winzern treffen, Nettigkeiten austauschen, die Keller besichtigen .«
»Als ob ich in meinem Leben noch mehr Weinkeller sehen müsste.«
»Du musst in deinem Leben noch mehr Weinkeller sehen, Rosalyn«, beharrte Hugh. »Die Champagnerkeller sind anders als alle, die du bisher gesehen hast; allein unter Reims gibt es zweihundert Kilometer an crayères. Eine ganze Stadt, unter der Erde. Wusstest du, dass die Franzosen während des Ersten Weltkriegs ganze Schulen und Geschäfte in die Keller verlegt haben?«
»Faszinierend«, erwiderte Rosalyn. »Aber ist das der Grund, weshalb du mich dort hinschicken willst? Um ein Weinfestival zu besuchen und ein paar Keller zu besichtigen? Das klingt für mich nicht sehr kosteneffektiv.«
»Nein, nein, nein, du wirst auch ein paar neue, kleinere Erzeuger unter Vertrag nehmen. Das ist die Grundlage meiner Vision.«
»Deiner . wie bitte?«
Hugh erwiderte ihr Lächeln. »Meiner Vision, die Leute davon zu überzeugen, Champagner nicht als Luxus zu verstehen, sondern einfach ein Glas zu ihrer Vorspeise zu trinken, wie es in Frankreich üblich ist. Die Amerikaner setzen Champagner mit den großen, teuren Häusern gleich, Moët & Chandon oder Taittinger. Ich will, dass du ein paar der kleineren Häuser ausfindig machst und unter Vertrag nimmst - die, die kein Vermögen für ihren Wein verlangen. Schritt eins besteht darin, unsere Zusammenarbeit mit Gaspard Blé zu bestätigen - du wirst auf seinem Weingut wohnen. Ich kenne Blé seit Jahren, aber ich habe gehört, dass auch Bottle Rocket jemanden zu dem Festival schickt. Ich würde Blé nur ungern an die Konkurrenz verlieren.«
Bottle Rocket war der böse Wolf, Hughs größter Konkurrent um die Erzeugnisse familiengeführter französischer Weingüter.
Rosalyn nickte. Natürlich würde sie hinfliegen, um Small Fortune Wines in der Champagne zu vertreten. Sie konnte Hugh nichts abschlagen, sie stand zu tief in seiner Schuld. Außerdem . Vielleicht lag er tatsächlich richtig. Vielleicht war ein Tempowechsel genau das, was sie brauchte, um aus dem Trudeln herauszukommen. Alles andere hatte bisher nicht funktioniert.
»Und, wie geht's Andy? Und seiner Frau?«, fiel Rosalyn etwas...
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