Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Zwei Stunden später fuhren sie schweigend nach Hause. Beide waren sie niedergeschlagen, und jeder grübelte vor sich hin. Wie sie es schon geahnt hatte, hatte der Arzt ihre Befürchtungen bestätigt. Sie hatte ihr Baby verloren.
Sie wurde von Schuldgefühlen und Kummer geplagt.
Könnte Jonathan ihr jemals verzeihen?
Sie weinten beide leise, während die Sonne über dem Atlantik aufging und einen Tag verhieß, den andere wunderschön und angenehm finden würden. Aber sie würde alles dafür tun, wenn sie die Uhr auf gestern zurückdrehen könnte.
Jonathan fuhr in den Schatten der Rotzedern am Ende der Schottereinfahrt. Ihr Haus strahlte in der Morgensonne, der gelbe Anstrich leuchtete wie die Sonne, die viktorianische Verkleidung rein und weiß. Gus - einer der Hausbewohner - hatte einige Dinge am Haus repariert und es vor ein paar Wochen neu gestrichen. Prächtige Farne in sattem Grün wucherten über ihre Blumenkübel hinaus. Fleißige Lieschen in gelb, rot und lila flankierten die Vorderseite des Hauses. Sie wurden von den anderen Hausbewohnern gepflegt. Es war eine der Aufgaben, die ihnen dabei halfen, sich nach einem Leben auf der Straße oder einem Gefängnisaufenthalt wieder ins alltägliche Leben zu integrieren. Wichtige Lektionen über harte Arbeit, das Übernehmen von Verantwortung, Weiterentwicklung und Förderung sowie das Erzielen von guten Ergebnissen. Ein sichtbares Resultat der guten Arbeit.
Morgan hatte ihnen diese Lektionen schon so oft vermittelt und sie daran erinnert, dass Gehorsam gegenüber Gott, Selbstdisziplin und Liebe zu unzählbaren Segnungen führen.
Und nun stand sie hier, der lebende Beweis dafür, dass das Gegenteil davon wahr war.
Die Haustür des großen gelben Hauses war immer noch geschlossen. Vermutlich bedeutete das, dass noch keiner aufgestanden war. Wenn schon jemand aufgestanden wäre, hätte die Tür offen gestanden und das Licht und das Meeresrauschen, das von der anderen Straßenseite herüberschallte, hineingelassen.
Morgan hoffte, dass niemand mitbekommen hatte, wo sie gewesen waren. Sie wollte es keinem der Hausbewohner erzählen, außer Sadie.
Jonathan half ihr aus dem Auto und führte sie die Verandatreppe hinauf.
Sadie machte ihnen die Tür auf. Ihre Augen waren rot gerändert und sie blickte sie besorgt an. "Ich bin so froh, dich zu sehen, Morgan!" Sie schlang die Arme um ihren Hals. "Ich hatte Angst, du würdest sterben."
"Es tut mir leid, dass wir dir Sorgen bereitet haben, Liebes." Morgan hielt sie fest in ihren Armen und versuchte, sie zu beruhigen.
"Jonathan hat nicht gesagt, was los war. Ich habe das Blut auf deinem Bett gesehen ..."
"Mir geht es gut, wirklich."
"Aber was ist los? Was ist passiert?"
Morgans Gesicht verzog sich, so sehr musste sie sich zusammennehmen, um nicht zu weinen. "Liebling, ich habe gestern erfahren, dass ich schwanger bin. Und heute Morgen ... hatte ich eine Fehlgeburt."
Mit ihren siebzehn Jahren hatte Sadie auch schon die dunkle Seite des Lebens kennengelernt und wusste, was es bedeutete, zu trauern. In ihrem Gesicht konnte man das Mitempfinden für Morgans Situation sehen und sie umarmte sie noch einmal. "Oh, Morgan, es tut mir so leid."
Morgan wollte nicht, dass das Mädchen mit ihr litt, deshalb versuchte sie, sich zusammenzureißen. "Ich möchte, dass du es für dich behältst. Ich habe es bisher noch nicht einmal Blair erzählt. Und es braucht kein anderer zu wissen, okay?"
Sadie wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. "Okay."
Jonathan strich Morgan übers Haar. "Warum ziehst du dich nicht um und legst dich hin? Ich mache das Auto sauber."
Sie nickte und ging in Richtung Treppe.
"Ich habe das Bett neu bezogen", sagte Sadie. "Es ist sauber."
"Danke, Schatz."
Morgan ging weiter, stieg die Treppe hinauf und duschte sich schnell. Dann zog sie sich an. Ihr langes, braunes, lockiges Haar war noch nass, als sie leise in Calebs Zimmer trat. Er lag, tief und fest schlafend, mit dem Daumen im Mund in seinem Kinderbett. Innerhalb der nächsten Stunde würde er aufwachen und nach ihr rufen. Aber sie wünschte sich, nicht darauf warten zu müssen.
Sie wollte ihn aufheben und im Arm halten, ihn fest an sich drücken und ihre Muttergefühle, die die Ereignisse der Nacht noch nicht verarbeitet hatten, befriedigen.
Sie glaubte nicht, dass sie ihn mehr lieben würde, wenn er ihr eigener Sohn wäre. Aber er war es nicht.
Caleb Seth Carusos Mutter saß eine Gefängnisstrafe wegen Drogenbesitzes ab. Morgan war nur eine vorübergehende Pflegemutter, bis die leibliche Mutter aus der Haft entlassen wurde. Sie fing wieder an zu weinen und verließ das Zimmer, damit sie ihn nicht aufweckte. Er hatte es nicht verdient, sie so zu sehen.
Sie ging zurück ins Schlafzimmer. Jonathan saß auf dem Bett. Sein Gesicht war blass und ausdruckslos. "Ich möchte, dass du dich hinlegst", sagte er. "Wenn Caleb wach wird, kümmere ich mich um ihn."
"Okay."
"Ist bei dir alles in Ordnung? Ich meine, körperlich?"
"Ja, die Krämpfe werden schwächer." Sie hasste, was das bedeutete.
Er saß da und schaute die Wand an, und sie wusste, dass ihn der Verlust genauso tief getroffen hatte wie sie. "Wir werden eines Tages Eltern sein, Liebling", sagte er. "Ich weiß, dass es momentan nicht so aussieht, aber irgendwann wird es soweit sein."
Sie nickte. Sie hatten es seit über einem Jahr versucht. So gesehen vermutete sie, dass es nicht so schlimm war wie bei anderen Paaren, die es seit sieben, neun oder gar zwölf Jahren versuchten. Sie dachte an Ben Jackson - Jonathans Gegner bei der Bürgermeisterwahl - und seine Frau Lisa. Sie hatten es 13 Jahre lang versucht.
"Möchtest du Blair anrufen?" Jonathans Worte unterbrachen ihre Überlegungen.
Morgan spielte mit dem Gedanken, ihre Schwester aufzuwecken, um ihr zu erzählen, was passiert war. Aber es erschien ihr nicht angemessen. Denn seit Blair den kleinen Zeitungsverlag der Insel gekauft hatte, kam sie kaum noch zur Ruhe. "Ich erzähle es ihr später."
Sie legte sich ins Bett, und Jonathan deckte sie sorgfältig zu. Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Wange.
Als er sie allein gelassen hatte, war es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei und sie weinte in ihr Kissen.
Später an diesem Morgen hörten die Krämpfe ganz auf und Morgan zwang sich dazu, aufzustehen. Sie ging nach unten und stellte fest, dass die Küche in einem tadellosen Zustand war. Gus und Felitia waren auf der Arbeit und Sadie in der Schule. Sie sah Karen auf der hinteren Veranda sitzen und ihr Baby stillen. Von Jonathan und Caleb war nichts zu sehen. Vielleicht hatte Jonathan ihn zu einer seiner Wahlkampfaktivitäten mitgenommen.
Die große Podiumsdiskussion mit seinen beiden Gegnern bei der Bürgermeisterwahl - Sam Sullivan und Ben Jackson - fand morgen statt. Jonathan - der Fischfang-Touren anbot und als Pastor ihrer kleinen Kirche sowie als Leiter des Hanover Houses arbeitete - hatte sich erst vor einem Monat als Kandidat aufstellen lassen. Deshalb lag er in den Umfragen weit zurück. Die Wahl sollte bereits in drei Wochen stattfinden, also durfte er keine Zeit verlieren. Und sollte er gewinnen, würde er das Amt innerhalb kürzester Zeit antreten, da die Stadt keinen Bürgermeister mehr hatte, seit der letzte wegen eines Skandals abgesetzt worden war.
Sie ging durch die Küche in das kleine Büro, wo sie und Jonathan die geschäftlichen Dinge des Hanover Houses abwickelten. Sie setzte sich an den Schreibtisch und schob einen Stapel mit Spendenschecks beiseite. Die Pension, ein vorübergehendes Zuhause für Menschen, die versuchten, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wurde durch monatliche Zuwendungen unterstützt. Sie war noch nicht dazu gekommen, die Spenden dieses Monats zu verbuchen, weil so viel passiert war.
Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Schwester. Als sie nicht abnahm, schaute Morgan auf die Uhr. Es war zehn Uhr. Natürlich war Blair nicht zu Hause. Also rief sie in der Zeitungsredaktion an, aber dort ging nur der Anrufbeantworter dran. Wahrscheinlich war sie unterwegs, arbeitete an einer neuen Story und versuchte, den alltäglichen Ereignissen des Lebens auf der Insel etwas Interessantes abzugewinnen.
Entmutigt legte sie auf. Sie würde Blair später noch einmal anrufen. Aber würde ihre Schwester überhaupt verstehen, dass sie um ein Baby trauerte, von dem sie erst seit einem Tag wusste? Wie könnte sie denn? Keiner, der so etwas noch nicht erlebt hatte, würde es verstehen können.
Dann erinnerte sie sich. Eine hatte es schon erlebt.
Sie dachte an die Frau von Jonathans ärgstem Konkurrenten im Wahlkampf. Lisa Jackson hatte viermal dasselbe erlebt wie Morgan heute.
Normalerweise hätte nie jemand etwas von Lisas Kampf gegen ihre Kinderlosigkeit erfahren. Es war ein streng gehütetes Geheimnis. Morgan hätte es auch nicht erfahren, wenn sie es nicht an Lisas Gesichtsausdruck gesehen hätte, als sie sich bei der Babyparty einer gemeinsamen Freundin im Badezimmer getroffen hatten.
Sie hatte Lisas Tränen gesehen, und Lisa hatte ihre gesehen. Ohne ein Wort zu sagen, hatten sich die beiden Frauen, deren Ehemänner auf politischer Ebene erbitterte Gegner waren, umarmt. Sie hatten sich hinausgeschlichen und gemeinsam einen Kaffee getrunken, um sich gegenseitig zu trösten, und einander ihr Herz wegen ihrer Unfruchtbarkeit und ihres unerfüllten Kinderwunsches auszuschütten.
Vielleicht würde es ihr helfen, mit Lisa zu...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.