Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Cha d'dhùin doras nach d'fhosgail Doras.
- Keine Tür ist für immer verschlossen, aber andere sind geöffnet. -
»Noch mal vorn vorne, vielleicht fällt dir doch noch etwas Wichtiges ein«, forderte ich Arran auf und stütze mich mit den Armen auf dem Tisch ab. »Das Erste, an was du dich erinnern kannst, ist der Calgory Beach? Da bist du aufgewacht. Und davor ist nichts in deinen Erinnerungen zu finden? Rein gar nichts?«
Wir saßen nun schon über eine halbe Stunde hier zusammen am Tisch und versuchten, die Puzzleteile zusammenzubekommen, um Arran die existenzielle Frage zu beantworten, wer er war. Aber so richtig kamen wir nicht weiter. Mittlerweile waren die Cookies aufgegessen und ich vermutete, dass er noch mehr Hunger hatte, ahnte allerdings, dass er mit Sicherheit nichts weiter annehmen würde.
»Nein, mein Kopf ist wie leer gefegt.« Arran hatte nicht nur ein hübsches Gesicht, von dem man gut seine Emotionen ablesen konnte, er hatte auch gepflegte strahlend weiße Zähne, die im Licht der Lampen glänzten. Weil es draußen durch das Unwetter so dunkel geworden war, hatte ich mittlerweile die Beleuchtung angeschaltet. Im Normalfall hätte ich den Laden schon längst geschlossen und wäre nach Hause gefahren. Aber mich interessierte, was sich hinter Arrans Geschichte verbarg.
Wann kam denn mal ein Kerl in deine Bäckerei, der sämtliche Erinnerungen verloren hatte?
Meine Neugier war definitiv geweckt worden. Auf keinen Fall handelte es sich bei dem Mann, der mir gegenübersaß, um einen Obdachlosen. Das stand für mich zu hundert Prozent fest. So sah niemand aus, der schon eine Weile auf der Straße lebte. Zumindest das konnten wir ausschließen. Er sprach ohne jeglichen Akzent, so gestochen scharf, dass ich nicht heraushören konnte, wo er herkam. Möglicherweise hatte er irgendeine Art von Sprachtherapie hinter sich und konnte deshalb akzentfrei sprechen. Schotten waren meistens nicht in der Lage, ihren Akzent komplett abzulegen.
»Was ist dann genau passiert?«, hakte ich nach.
»Ich bin am Strand aufgewacht und habe eine Weile dort im Sand gesessen und versucht, mich zu erinnern.«
Ich beobachtete jede kleine Reaktion seinerseits, doch er blieb völlig in seinem Vergessen gefangen, schaute die meiste Zeit aus dem Fenster und schien zu überlegen, wer er war. »Fällt dir noch etwas ein? Jede noch so mikroskopische Kleinigkeit kann wichtig sein.«
Arran überlegte. Auch das konnte man anhand seiner Mimik sehr gut nachvollziehen. Sein Gesicht war so ausdrucksstark - fast wie ein aufgeschlagenes Buch. Dann sah er mich doch an. »Klitschnass war ich, aber es hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht geregnet.«
Ich horchte auf. »Es hat heute Mittag angefangen zu regnen, das erste Mal seit einer Woche. Zumindest auf der Insel hier war es seit Tagen trocken. Vielleicht bist du im Meer geschwommen?«
»Mit meinen Kleidern?«, fragte er sofort ungläubig.
»Was, wenn du nicht freiwillig im Wasser warst? Was, wenn du von einem der Boote gefallen bist oder dich jemand hineingeschubst hat?« Ein kalter Schauer lief meine Wirbelsäule hinab. In dem Thriller, den ich von Ally bekommen hatte, war auf diese Weise der erste Mord verübt worden.
Tiefe Furchen bildeten sich auf Arrans Stirn. »Ich weiß nicht. Wenn ich so in mich hineinhöre, kann ich mir das nicht vorstellen. Aber was weiß ich schon. Bestimmt kann ich meinen Gefühlen ebenso wenig trauen wie meinen nicht vorhandenen Erinnerungen.« Resigniert zuckte er mit den Schultern und stützte sich dann auf der Tischplatte ab.
Er tat mir schrecklich leid. Es musste ein ganz furchtbares Gefühl sein, nicht zu wissen, wer man war. Ich griff über den Tisch, legte meine Hand auf seine, um ihm ein wenig Trost zu schenken.
»Deine Erinnerungen kommen wieder. Eine Amnesie dauert normalerweise nur eine gewisse Zeit an. Zumindest stand das so oder so ähnlich in einem Buch, das ich vor kurzem gelesen habe.« Ich verschwieg ihm, dass es sich dabei nicht um ein medizinisches Fachbuch gehandelt hatte, sondern um einen der Liebesromane, die wir in unserem Buchclub gelesen hatten. »Weißt du, wann du aufgewacht bist?«
»Keine Ahnung, wie spät es war, vielleicht zwölf oder ein Uhr mittags. Am Strand war schon viel los, als ich aus dem rechten äußeren Bereich dorthin gelaufen bin.«
»Dann muss das heute früh gewesen sein. Ab zehn oder elf Uhr fing das Unwetter an. Bei mir im Café bist du erst Stunden später gelandet.«
»Nein, ich meinte nicht heute. Das war gestern.«
»Gestern?«, hakte ich nach und runzelte dabei die Stirn. Eine doofe Angewohnheit, mit der meine Freundinnen mich des Öfteren schon aufgezogen hatten.
»Ja, ich bin eine ganze Weile dortgeblieben und habe mich gegen Abend von einem Kerl mitnehmen lassen, der dort Fotos geschossen hat.« Müde fuhr Arran sich über das Gesicht.
»Und du hast bis jetzt mit niemandem über deine Amnesie gesprochen?« Wie hatte er die letzten sechsundzwanzig Stunden überstanden, ohne mit jemandem über seinen Zustand zu reden?
Arran schüttelte den Kopf. »Nein, ich wusste nicht, ob das gleich aufhören würde, ob ich nur etwas verwirrt war. Ich habe dummerweise gehofft, dass ich mich bald wieder erinnern kann, wenn ich nur richtig wach bin, aber das war nicht so. Bis jetzt nicht. Leider.«
Er irrte seit gestern auf der Insel herum, ohne zu wissen, wer er war und hatte sich tatsächlich bis jetzt niemandem anvertraut? Das musste schrecklich sein. Bestimmt fühlte er sich allein und hilflos und hatte nicht gewusst, mit wem er sprechen sollte. »Und wo hast du die Nacht verbracht?«
Mit verkniffenem Mund sah er mich an. Nach kurzem Zögern erbarmte er sich und verriet es mir: »In einem der Ruderboote. Hab mich da einfach reingelegt. Ich war so müde und hätte keinen Schritt mehr weitergehen können. Es war niemand da, den ich hätte fragen können, und auch ansonsten war alles wie ausgestorben, bis auf die Leute im Pub. Aber ohne Geld konnte ich da auch nicht rein.«
»Ja, da ist immer was los. Das Joe's ist bei uns Einheimischen total beliebt. Aber auch die Touristen wollen immer gern einen schottischen Pub besuchen, wenn sie hier im Urlaub sind.« Dabei fiel mir ein, dass ich an diesem Wochenende mit Lin und ein paar anderen dort verabredet war. »Und dann?«
»Keine Ahnung, ich bin wach geworden, da war ich schon völlig durchweicht und die Welt schien unterzugehen.« Arran streckte sich, wobei sein Shirt hochrutschte und den Blick auf gut definierte Bauchmuskeln freigab.
Irritiert blinzelte ich und schaute dann rasch woandershin. Der Kerl trainierte regelmäßig, ansonsten hätte er nicht einen solchen Körper. Ich setzte diese Tatsache mit auf die Liste, die ich in meinem Geist über ihn führte. Vielleicht wurde sie bei der Suche nach Arrans Identität noch hilfreich.
»Dann hast du aber echt lange geschlafen«, überlegte ich laut. »Der Regen hat ja erst heute Vormittag eingesetzt.«
»Kann sein. Wenigstens geht es mir heute körperlich besser. Gestern hatte ich tierische Kopfschmerzen und mir war übel.« Er schenkte mir ein angestrengtes Lächeln. Man merkte ihm an, dass die ganze Situation ihm sehr unangenehm war.
»Und du bist dir sicher, dass dein Name Arran Hamilton ist?«, hakte ich nach und trank einen Schluck von meinem Tee, der mittlerweile nur noch lauwarm war.
»Nein, sicher bin ich mir nicht. Der Name ist mir nur als Erstes eingefallen, als du mich vorhin danach gefragt hast. Aber er fühlt sich irgendwie falsch an. Warum, kann ich dir nicht sagen.« Wieder begegneten seine blauen Augen meinen, die von einem dichten dunklen Wimpernkranz umrahmt waren. Etwas in seinem Blick war mir vertraut, doch ich konnte nicht greifen, was es war.
»Dann hast du mit Sicherheit nicht nur eine Amnesie, sondern bestimmt noch eine Gehirnerschütterung dazu. Soll ich den Arzt anrufen? Du solltest dich auf jeden Fall untersuchen und die Verletzung verarzten lassen.« Ich deutete auf die Wunde an seinem Kopf.
»Nein!«, stieß er heftig hervor, so als hätte ich etwas Illegales von ihm gefordert. Dann räusperte er sich und hob die Hände in einer versöhnlichen Geste. »Entschuldige bitte. Aber es geht mir ansonsten gut. Ich möchte nicht, dass jemand weiß, dass ich hier bin.«
Verdutzt setzte ich meine Tasse ab. Er wollte nicht, dass jemand wusste, dass er hier auf der Insel war? Was hatte er zu verbergen, wenn er doch nicht einmal wusste, wer er war? Ohne es zu wollen, flammte ein Funken Misstrauen in mir auf.
»Warum?«
Arran zuckte mit den Schultern, die Stirn in Falten gelegt. »Keine Ahnung. Bauchgefühl?«
»Vielleicht bist du ein Krimineller, der vor der Polizei geflüchtet ist?« Es war scherzhaft dahingesagt, aber was, wenn ich recht hatte?
»Nein, ich denke nicht, dass ich so jemand bin.« Als er meinen skeptischen Blick bemerkte, verzog sich sein Gesicht zu einem gequälten Lächeln. »Auch das sagt mir mein Bauchgefühl.«
»Dann sollten wir zumindest der Polizei Bescheid geben und nachfragen, ob jemand vermisst wird«, schlug ich vor.
Ich bekam keine Antwort, stattdessen sah Arran aus dem Fenster, tief in Gedanken versunken. Diese Chance ließ ich mir nicht entgehen und nutzte die Zeit, um mir sein Profil genauer anzuschauen.
Bisher hatte ich selten die Gelegenheit gehabt, einen Mann in meinem Laden sitzen zu haben, der selbst in ramponiertem Zustand eine solche Ausstrahlung hatte. Ich hätte sagen können, dass er gut aussah, doch das wäre die Untertreibung des Jahrzehnts...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.