Schweitzer Fachinformationen
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Ich stehe in einem Flugzeughangar in der Wüste von Nevada zwischen Doppeldeckern, Billardtischen und einer gut gefüllten Bar und schwitze. Die Jukebox hat Kenny Loggins und die Everly Brothers im Angebot - alles Teil des Top-Gun-Pakets von Sky Combat Ace.
Der Pilot Richard »Tex« Cole erklärt, was auf uns zukommt. Er redet über freien Fall und Ausweichmanöver und darüber, wie man seine Maschine am besten hinter die des Gegners bringt. »Bei den schnellsten Achterbahnen erlebt man einen Druck von 3,5 g. Aber das Baby, mit dem ihr heute unterwegs seid - das ist eine glatte zehn!«
Ich bin nicht in der Stimmung dafür: weder für die Prahlerei und den inszenierten Machokram noch für Luftkämpfe, ob sie echt sind oder nicht, noch für Luftakrobatik, noch für g-Kräfte und Fassrollen in 1800 Metern Höhe über einem ausgetrockneten See und ganz bestimmt auch nicht für freien Fall. Ich fahre nicht mal gern Achterbahn.
Zu den Teambuilding-Maßnahmen gehört, dass wir uns gegenseitig Rufnamen geben sollen - wie Iceman oder Goose -, indem wir Namensschilder von einer Wandtafel auswählen. Der freie Journalist aus Kalifornien schnappt sich das Schild mit »Toxic« und hält es mir vergnügt hin.
Heute Morgen nach dem Aufwachen ging es mir schlechter als gestern, was Kingsley Amis zufolge ein sehr gutes Zeichen ist. Tatsächlich ist es der erste seiner elf Schritte auf dem Weg zur Bezwingung des »Körperkaters«: »Sag dir unmittelbar nach dem Aufwachen, welch ein Glück es ist, sich so furchtbar schrecklich zu fühlen. Damit erkennst du eine wichtige Tatsache an: Fühlst du dich nach einer langen Nacht nicht furchtbar schrecklich, dann bist du noch betrunken und musst im Wachzustand ausnüchtern, ehe sich der Kater einstellt.«
Ich kann mich also offenbar glücklich schätzen. Aber noch glücklicher hätte es mich wohl gemacht, gestern daran zu denken - vor den Infusionen und dem Rennwagen, der Limo und dem Mittagessen, den Margaritas und Maschinengewehren. Und jetzt leide ich am Tag-zwei-Kater. Das ist, wie wenn man den Fehler macht, sich wieder in Form bringen zu wollen: Der Morgen nach dem Fitnesstraining ist vielleicht noch gar nicht so schlimm, aber dann kommt der Tag nach dem Tag danach, und es tut schon weh, aus dem Bett zu steigen, ganz zu schweigen davon, wie es wäre, einen Kampfjet zu steuern.
Als ich mir auf der Internetseite die Details durchgelesen habe, bin ich auf Folgendes gestoßen: »Die meisten Fälle von Luftkrankheit sind bei Sky Combat Ace auf einen Kater zurückzuführen. Wir wissen, dass Las Vegas einfach irre ist, aber versuchen Sie am Tag vor Ihrem Sky-Combat-Ace-Abenteuer früh ins Bett zu gehen!«
Nicht, dass frühes Schlafengehen jemals ein Ausrufezeichen rechtfertigen würde, aber es ist dennoch ein guter Rat - und einer, den ich beherzigt habe. Ich habe mich, wie von Sky Combat Ace empfohlen, früh aufs Ohr gehauen und mich beim Aufwachen, wie von Meister Kingsley empfohlen, schrecklich gefühlt. Jetzt aber ist es in diesem Hangar in der Wüste verdammt heiß, und ich habe einen trockenen Mund und das Gefühl, beim Fertigwerden mit dem Körperkater vielleicht einen Schritt übersprungen zu haben.
Im unmittelbaren Anschluss an seine elf Gebote bringt Amis zwei angebliche Katerbekämpfungsmethoden ins Gespräch, die er selbst noch nie hat ausprobieren können, weil sie »schwer erhältlich« sind. Die erste besteht darin, in einen Grubenschacht hinunterzusteigen, was sich nach einer ganz schlechten Idee anhört. Und die zweite klingt folgendermaßen: »Fliegen Sie eine halbe Stunde lang in einem offenen Flugzeug (das selbstredend von einer nichtverkaterten Person gelenkt wird).«
Der Broschüre von Sky Combat zufolge wird dort genau das angeboten: ein vierundfünfzigminütiger Rundflug über dem Hoover Dam in einem klassischen Doppeldecker mit offenem Cockpit, bei dem sich der Typ hinter einem um die Steuerung kümmert. Das klingt nach einem deutlich besseren Plan - und der perfekten Gelegenheit, eine von Kingsley Amis' ungetesteten Methoden zu testen.
Nur, dass Tex sagt: »Nee, das geht nicht.« Für das Hoover-Dam-Erlebnis ist es offenbar zu windig. Wir halten uns besser an die Luftakrobatik und versuchen uns dabei gegenseitig vom verdammten Himmel zu pusten; dafür steht der Wind offenbar extrem günstig.
Bevor ich mich umziehe, besuche ich noch den Geschenkeladen, wo zufällig auch Vomex verkauft wird. Ich weiß, dass man davon schläfrig werden kann, aber inmitten eines Luftkampfes würde ich lieber gähnen als brechen. Als ich mit unter den Arm geklemmtem Helm und im Sonnenschein blitzender Fliegerbrille auf das Rollfeld hinaustrete, steigt der New Yorker Reisejournalist gerade aus seinem Flieger. Ich frage ihn, wie es war. Er hebt einen Daumen, sieht mir dabei aber nicht in die Augen. Gestern nach dem Abendessen hat er im Cirque de Soleil zu dem kleinen Jungen vor uns gesagt, er solle leiser sein. Zu einem kleinen Jungen im Zirkus. Ich wünschte, ich würde ihn im Luftraum bekämpfen und nicht den freundlichen Freiberufler.
Ich steige ins Cockpit. Hollywood, der Fluglehrer, sitzt hinter mir, und ich höre seine Stimme über mein Headset. Passenderweise gibt er mir mehr Tipps dazu, wie man auf dem Bildschirm eine gute Figur macht, als zum Fliegen selbst. Offenbar gibt es eine Cockpit-Kamera, die jeden erschrockenen Aufschrei und jede Grimasse einfangen wird. Burbank, der Freischaffende (aus Kalifornien, aber nicht aus Burbank), rollt jetzt vor uns die Startbahn hinunter.
»Nimm besser die Brille ab«, sagt Hollywood, »damit wir das Weiße in deinen Augen sehen können.« Ich bezweifle, dass das Weiße sehr weiß ist. Das Vomex müsste inzwischen wirken, doch statt besser fühle ich mich zunehmend schlechter - schwitziger, zittriger, kribbliger. Und jetzt beginnt sich der Propeller zu drehen .
Erst als ich Monate später aufgrund eines flugzeugunabhängigen Vorfalls im Krankenhaus liege, werde ich etwas sehr Wichtiges erfahren: Ich reagiere allergisch auf Vomex, was sich neben Gereiztheit, Herz-Rhythmus-Störungen und Halluzinationen in vielen Symptomen äußert, die auch bei einem heftigen Kater auftreten, wie Übelkeit, starkem Schwitzen, Beklommenheit und Muskelschmerzen.
»Startklar?«, sagt die Stimme in meinem Kopf. »Over.«
Ich hebe einen Daumen, wie Maverick es tun würde.
In Fegefeuer der Eitelkeiten beschreibt Tom Wolfe den »Hautsack« eines Journalisten, in dem sich »der Dotter, das Quecksilber, die ekelhafte Masse« seines Gehirns befindet. Sollte er aufzustehen versuchen, würde es »verrutschen und ins Rollen kommen und den Sack zerreißen«. Es ist einer der meistgepriesenen Kater in der modernen Literatur. Aber Die Helden der Nation, Wolfes Chronik über amerikanische Kampfpiloten (und schließlich Astronauten), hat einen nicht minder hohen Blutalkoholgehalt. Wolfe beschreibt darin ein durchschnittliches Flieger-Ass, für das ein durchschnittlicher Morgen darin besteht, »um 5.30 geweckt zu werden und dann, nach ein paar Tassen Kaffee und ein paar Zigaretten, seine arme, zuckende Leber für einen neuen Flugtag hinaus auf den Flugplatz zu schleppen.«
Als er zum ersten Mal die Schallmauer durchbrach, fühlte sich der große Chuck Yeager offenbar ganz ähnlich wie ich jetzt gerade. Wolfe zufolge war er ein paar Tage vorher betrunken vom Pferd gefallen und trat den historischen Flug daher mit gebrochenen Rippen und einem Tag-zwei-Kater an. Die Cockpit-Tür musste er mit einem abgesägten Besenstiel schließen. Und der Rest ist Überschallgeschichte.
Als wir endlich in der Luft sind, übergibt Hollywood das Steuer an mich. Fliegen ist schließlich durch und durch befreiend, und hier oben gibt es so wenige Hindernisse. Ich könnte Pilot werden. Verdammt, ich bin Pilot, ich fliege durch den Himmel, und der Himmel ist blau und klar. Aber so klar sollte der Himmel eigentlich gar nicht sein, denke ich dann. Und mir fallen Tex' Worte im Besprechungsraum wieder ein: »Erst verlierst du den Gegner aus den Augen, dann verlierst du den Kampf.«
Wo zum Teufel ist Burbank?
»Hinter dir«, sagt Hollywood, der meine Gedanken gelesen hat. Dann sagt er »Over«, was mich irgendwie nervt. Ich sollte ein Ausweichmanöver einleiten, aber aus irgendeinem Grund habe ich diesen Moment auch gewählt, um die Brille abzunehmen - damit die Kamera das Weiße in meinen Augen sehen kann -, und ich versuche sie an meinem Fliegeranzug zu befestigen, als Burbank zum Angriff übergeht.
»Was zum Teufel machst du da? Over.«
Ich versuche mich zusammenzureißen und eine Kurve zu fliegen. Und dann tue ich endlich, was mir beigebracht wurde: drehen, rollen, senken und fallen. Der Kampf hat begonnen, und dieser Teil macht keinen Spaß. Während der Turns, Fassrollen und Loopings konzentriere ich mich vor allem darauf, mich nicht zu übergeben.
Man könnte denken, ein Luftkampf stünde auf der Liste der Dinge, die man mit einem Kater nicht tun sollte, ganz weit oben, und man hätte recht damit. Andererseits aber gehört er zu den Tätigkeiten, bei denen ein Katergegenmittel inbegriffen ist. Wie Wolfe erklärt: »Da gab es jene, die nicht bloß mit einem Kater, sondern noch betrunken ankamen, sich die Sauerstoffmasken übers Gesicht klappten und den Alkohol aus ihre Systemen zu verbrennen versuchten, dann aufstiegen und später erklärten: >Ich empfehle das nicht gerade, wenn du weißt, was ich meine, aber es ist möglich.< (Vorausgesetzt, du hast das gewisse Etwas, du elender Schlappschwanz.)«
Ich dagegen habe ihn nicht, den Stoff, aus dem die Helden sind. Ich habe einen schwächlichen Magen, keine Sauerstoffflasche und einen Kater, der...
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