Schweitzer Fachinformationen
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Dinas Powys.
Ein relativ großer Ort in der Nähe von Cardiff. Ein bewaldetes Tal. Ein kleiner Hügel.
Die Straße, die wir suchen, ist eine Sackgasse. Zwei Reihen fröhlicher Doppelhaushälften. Betonierte Zufahrten und kleine Carports. An die Bäume getupfte Weidenkätzchen. Auf einer niedrigen Mauer leckt sich ein roter Stubentiger an den einschlägigen Stellen.
Ein Haus ist von Absperrband umzäunt.
Ein paar Polizisten. Gemurmelter Funkverkehr.
Und offizielle Fahrzeuge, natürlich. Zwei Streifenwagen, ein Transporter der Kriminaltechnik, die Türen offen, steht quer und blockiert die halbe Straße. Und ein silberfarbener Opel Astra, ähnlich nachlässig abgestellt, die Vorderräder auf dem Gehweg.
Die kunstvoll inszenierte Kulisse signalisiert die Anwesenheit von Zivilbeamten, möglichweise ist auch der leitende Amtsarzt zugegen oder, wahrscheinlicher, der dem Fall zugeteilte Detective Inspector.
«Das ist garantiert Jones. Darauf kannst du einen lassen», sagt Jon. «Bleddyn Blödmann Jones.»
Bleddyn Blödmann Jones: ein Detective Inspector, den sie vor Kurzem aus Bridgend zu uns versetzt haben. Ist eng mit dem Chief Constable befreundet, wie man aus unzuverlässigen Quellen in Cathays hört. Natürlich habe ich den Typen schon im Büro rumstrunzen sehen, und wir sind uns schon begegnet, aber ich weiß kaum etwas über ihn. Mir fällt allerdings auf, dass Jon, der ihn besser kennt, nicht gerade ein Freudentänzchen aufführt.
Wir parken und begeben uns zum Haus.
Die Kriminaltechniker lassen uns jedoch nur mit Papieroveralls, Überschuhen und Masken hinein, und wie immer hat niemand daran gedacht, einen Overall in meiner Größe mitzubringen. Das Ding, in das ich schließlich tauche, ist mir zehn Meter zu groß und hängt mir wie ein Fallschirm vom Körper.
Wir betreten den Tatort.
Ein unaufgeregter, beigefarbener Teppich. Es geht nach oben. Mäntel, ordentlich an Haken aufgehängt. Nur Damenmäntel. Darunter aufgereiht ein Paar Stiefel und schlammige Wanderschuhe. An der Wand ein präraffaelitischer Druck: eine gelangweilt dreinblickende Frau am Webstuhl vor einem großen runden Fenster.
Jemand trampelt oben herum, aber der größte Lärm kommt aus dem Wohnzimmer. Jon streckt den Kopf zur Tür herein. «Jon Breakell und Fiona Griffiths», verkündet er. «Gerade eingetroffen.»
Jemand bittet uns herein.
Früher war das Zimmer sicher mal geschmackvoll eingerichtet. Gemütlich. Aufgeräumt. Möbelgeschäft mit persönlichem Touch: altes Steingut, römische Münzen im Schaukasten, Drucke von einem mittelalterlichen Fest oder Wettbewerb.
Aber der Anblick, der sich jetzt bietet, lenkt uns vom Chesterfield-Sofa und dem handgeknüpften Perser ab. Der Couchtisch ist umgekippt, die Lampe liegt am Boden. Und im Zentrum befindet sich der größte Blickfang: eine Frauenleiche, und zwar dort, wo wohl einst der Couchtisch gestanden hatte. Ich sage Leiche, aber was wir sehen, ist tatsächlich nur der Korpus. Der Kopf der Toten thront auf einer kleinen Kommode in der Ecke, Blut und Hirnmasse triefen auf den Computerkabelsalat, der hinter dem Möbelstück herunterhängt.
Der Kopf trägt eine graue, blutbesudelte Kurzhaarfrisur. Nussbraune Augen, alle Lichter aus. Der Mund deutlich nach unten verzogen. Vielleicht sah sie auch lebendig so aus. Oder die Muskeln sind nach dem Tod erschlafft. Keine Ahnung, jedenfalls wirkt sie erschrocken oder verärgert, als stünde sie kurz davor, denjenigen zur Schnecke zu machen, der ihr den Teppich so versaut hat.
Neben der Leiche liegt ein Degen, oder vielmehr ein antikes Ritterschwert, wie Jackson es genannt hat. Und in der Leiche, tief in ihrer Brust, stecken drei Speere.
Die Speerspitzen wirken ebenfalls antik. Sie haben das von Jahrhunderten gezeichnete Aussehen ausgegrabener und gereinigter Museumsexponate. Die Schäfte sind allerdings kurz und offensichtlich neueren Datums. Helles Holz. Besenstiele, zweckentfremdet.
Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus, als hätten die Speere bei der Tötung eine Rolle gespielt. Natürlich ist das Zimmer voller Blut. Das meiste davon rinnt aus dem Stumpf, dazu gibt es eine Menge Schleuderspuren, die beim Abhacken entstanden sind. Aber aus den Speerwunden läuft kaum Blut, woraus ich schließe, dass der Rumpf zum Zeitpunkt der Speerverletzungen schon weitestgehend ausgeblutet war.
Gern - liebend gern - hätte ich noch viele Stunden allein mit der Leiche hier verbracht, aber da kommt Jones schon angelaufen, die bösen Bartzipfel in seinem kleinen Terriergesicht wackeln aufgeregt hin und her.
Er spricht, als zitiere er eine Aktennotiz, aus vorgefertigten Textbausteinen zusammengesetzt. Die Eckdaten kommen wie aus der Pistole geschossen, Überschrift, Unterüberschrift, Checkliste.
«Name der Toten: Gaynor Charteris», sagt er, «Dr. Charteris. Keine Ärztin, nur Dozentin für Archäologie an der Open University. Vielleicht auch woanders, wir ermitteln gerade. Einzige Gemeldete an dieser Adresse. Geschieden, zwei erwachsene Kinder, vermutlich im Ausland. Alter der Verstorbenen: dreiundfünfzig Jahre. Keine bekannten finanziellen Probleme. Keine bekannten Konflikte. Es wurden keine Kampfgeräusche gemeldet.
Rektaltemperatur entspricht der Umgebungstemperatur, also Todeszeitpunkt vor ca. zwölf Stunden. Rigor mortis noch in zwei größeren Muskelgruppen vorhanden, daher gehen wir von maximal vierundzwanzig, dreißig Stunden aus, ist aber bei so massivem Blutverlust nicht klar zu begrenzen. Genauere Schätzungen folgen in Kürze.
Todesursache und Mordwaffe sind offensichtlich. Mordwaffe war möglicherweise bereits vorhanden .» - er deutet mit dem Kopf auf die leere Wand, wo Befestigungen darauf hindeuten, dass hier einmal ein Schwert gehangen haben könnte - «. aber Bestätigung steht noch aus. Keine Anzeichen eines Einbruchs, was nahelegt, dass der Täter das Opfer gekannt hat.»
Seine Bullet Points sind vorübergehend aufgebraucht. Der Abzug klickt, aber nichts passiert.
Ich deute mit dem Kopf auf die Kommode, wo das Haupt von Dr. Charteris aus den letzten Löchern tropft. Dahin, wo eine Menge Kabel herunterhängen, aber kein Computer steht, kein Laptop, kein Telefon, kein iPad.
Charteris schnalzt vor Empörung leise mit der Zunge.
«Diebstahl?»
«Wahrscheinlich. Wir haben weder Bargeld noch Bankkarten, Handy oder Hardware gefunden. Aber der Kram ist nicht so viel wert.»
Statt weiterer Ausführungen zuckt er die Achseln, doch es ist klar, was er damit sagen will. Ja, kann sein, dass jemand einer alleinstehenden Frau mittleren Alters Computerzeug im Wert von ein paar hundert Pfund klaut, aber nein, es ergibt keinen Sinn, ihr dafür den Kopf abzusäbeln, wenn am Ende nur ein gebrauchter Laptop und ein paar Bankkarten dabei rausspringen.
Er lädt nach und feuert weiter. «Offensichtlich war der Täter geistig gestört, oder es handelte sich um eine Art Ritualmord. Im ersten Fall kommt der Mörder aus der Gegend, denn niemand kommt für einen Raubzug extra hergefahren. Also müssen wir die Nachbarn befragen. Geistliche. Ärzte in der Nähe. Psychologen. Fiona, Sie kümmern sich darum. Ich gebe Ihnen drei Uniformierte an die Hand. Bleiben Sie mit mir in Verbindung. Ich will regelmäßige Berichte.
Jon, Sie untersuchen den rituellen Aspekt. Das geht vom Schreibtisch aus. Sehen Sie in der staatlichen Polizeidatenbank nach, rufen Sie bei der National Crime Agency an, vielleicht haben die schon mal etwas Ähnliches gehabt. Und nehmen Sie Kontakt mit Interpol auf, vielleicht ist der Täter Ausländer. Alles klar? Haben Sie verstanden? Ja?»
Ich glaube, er erwartet ein «Jawoll, Sir!» und dass wir wie zwei gehorsame Paradeponys davontraben, aber da hat er sich geschnitten.
«Darf ich mir den Tatort genauer ansehen, Sir? Ich würde gern ein Gefühl für den Täter bekommen.»
Jones' Blick ist irgendwie ausschweifend genug, um mich, den kopflosen Rumpf, den rumpflosen Kopf, die Unmengen Blut, das Schwert und die Speere zu erfassen und mich wortlos zu fragen, ob ich nicht genug gesehen habe und was ich noch brauche, um ein Gefühl für den Täter zu bekommen.
Aber weil er nichts sagt und ich mich nicht wie ein Kätzchen zusammenrolle und Miau mache und weil es zu den Regeln gehört, dass sich die wichtigsten Personen in einer Ermittlung mit dem Tatort vertraut machen, nickt er mir schließlich zu.
«Fünf Minuten, dann instruieren Sie Ihr Team!»
Er trollt sich und geht jemand anderem auf den Senkel.
Jon scharrt mit den Hufen, schüttelt die hübsch geflochtene Mähne und trabt dann wie ein Paradepony davon.
Ich widme mich zunächst der Leiche, natürlich ohne in irgendwelche Blutspuren zu treten, obwohl das leichter klingt, als es ist.
Gaynor Charteris' Hände sind sauber und leicht gebräunt, sogar jetzt im März, in Wales, und das trotz ihrer Leichenblässe. Ihre Fingernägel kurzgeschnitten und von einem gewissen Grau, das ich mit ständigen erfolglosen Reinigungsversuchen verbinde. Vermutlich, weil sie oft bei Ausgrabungen mitgearbeitet hat. Sie hat einen nicht mehr jungen, aber sehnigen Körper, wie Leute, die sich überwiegend im Freien aufhalten. An Orten wie diesem sind das meist Hundebesitzer, aber hier sehe ich keine Anzeichen davon. Keine Leine im Flur, keine Haare auf dem Sofa.
Die Schnittwunden am Hals sind auch interessant. Wie es aussieht, hat man ihr zuerst mit einer scharfen Waffe in einer einzigen Bewegung die Kehle durchgeschnitten. Es gibt allerdings auch andere Spuren, vermutlich durch mehrere Hiebe entstanden, als man ihr den Kopf abgehackt...
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