Schweitzer Fachinformationen
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Angie ging langsam an den Regalen entlang, schob den quietschenden Einkaufswagen am hellen Fleisch vorbei, dann am dunklen Fleisch. Schließlich nahm sie etwas Speck mit – den brauchten sie sowieso –, dann machte sie kehrt und ging wieder zurück. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden: Huhn oder Lamm, Koteletts oder Coq au Vin?
Ursprünglich hatte sie das Dinner unter ein Motto stellen wollen. Eine Art Urlaubsmenü, um sie alle an die zwei Wochen in Florida zu erinnern, mit Piña Coladas als Aperitif, Meeresfrüchte, vielleicht eine Muschelsuppe – falls sie überhaupt Muscheln auftreiben konnte –, dann irgendeinen Fisch als Hauptgang. Sie hatte sogar im Internet nach einem Rezept für Key Lime Pie gesucht. Aber Barry hatte nur die Augen verdreht, also hatte Angie die Idee fallen lassen.
Angie warf einen Blick in den Einkaufswagen und fragte sich, ob sie auch Eiscreme mitnehmen sollte, zu der Tiefkühlpizza, die sie für die Kinder ausgesucht hatte. Die war schnell gemacht, und außerdem war es ganz gut, wenn das Essen für die beiden schon fertig war, bevor die Gäste kamen. Sie wusste, Laura und Luke wäre es nur recht. Sie gingen solchen Veranstaltungen am liebsten aus dem Weg. Bloß nicht an dem öden Gelaber der Erwachsenen teilnehmen! Sie würden die Gelegenheit nutzen und den ganzen Abend vor dem Computer hocken. Angie hatte nichts dagegen. Aber nur, wenn die Hausaufgaben fertig waren!
Darum sollte sich Barry kümmern.
Angie griff nach einer großen Packung Hühnerbrust. Das Fleisch war bio, wie sie feststellte. Sie sah nach dem Preis und legte die Packung schnell wieder weg. Aber die Idee war gut. Lamm war okay, konnte aber schwierig sein, manche mochten es rosa, andere nicht, und Barry hatte ihr Coq au Vin schon immer gemocht. Sie griff nach einer billigeren Packung …
»Ich hab nur gedacht, das wäre doch ganz nett«, hatte Angie gesagt. »Mal was anderes.«
»Kapier ich nicht.«
»Da ist nichts zu kapieren, sollte nur witzig sein, das ist alles. Mal was Floridanisches kochen.«
»Was?«
»Etwas, das aus Florida kommt.«
»Ich weiß, was das Wort heißt«, hatte Barry mit zusammengekniffenen Augen gesagt. Er zerdrückte die leere Bierdose in seiner Hand, öffnete den Deckel des Mülleimers in der Küchenecke und warf die Dose hinein. »Ich kapier nur nicht, warum du so redest. So affig.«
»Vergiss es. Ist nicht so wichtig.«
»Die ganze Nummer ist affig, wenn du mich fragst.« Er knallte den Deckel zu und ging zum Kühlschrank.
»Dann mach ich eben Huhn oder so.« Angie griff nach dem Lappen, der über der Spüle hing. »In Ordnung?« Sie rieb an einem Fleck auf der Arbeitsplatte aus Granit und sah, wie ihr Gatte fast eine halbe Minute lang in den Kühlschrank starrte und dann die Tür schloss, ohne etwas herausgenommen zu haben. Die Stelle am Hinterkopf wurde immer lichter, fiel Angie auf, und das sommersprossige Fettröllchen über dem Hemdkragen wirkte ein wenig massiger. Dabei hatte sie gut reden.
»Okay«, sagte sie halblaut.
»Ja, meinetwegen.«
Er trat hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und gab ihr einen Kuss auf den Hinterkopf. Sie rieb weiter am Granit, obwohl der Fleck schon weg war.
»Ich weiß sowieso nicht, was der ganze Aufwand soll«, sagte Barry. Er löste sich von ihr und zog einen der Stühle an der Frühstückstheke zu sich. »Haben wir nicht genug Freunde?«
»Ist doch nur ein lockeres Beisammensein, mehr nicht. So eine Art Verlängerung des Urlaubs.«
»Und wozu soll das gut sein?«, fragte Barry. »Ich mein, am Ende wurde das Ganze ziemlich unangenehm.«
»Nur am Ende.«
»Wegen dem Mädchen und so.«
»Ein Grund mehr. Schließlich haben wir das gemeinsam erlebt, nicht?«
»Und dafür den ganzen Stress?«
»Den Stress habe nur ich«, sagte sie.
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Du hast dich doch gut verstanden mit Ed und Dave, oder nicht?«
Barry zuckte mit den Schultern. »Die waren ganz nett.«
»Und mit den Frauen.«
Barry ließ langsam den Kopf kreisen. »Eds Frau war in Ordnung, aber die andere … wie hieß sie noch gleich, die Farbige … Marina … die ist mir ziemlich auf die Nerven gegangen.«
»Wirklich?«
»Ganz schön von sich eingenommen, finde ich.«
Angie nickte nur und beließ es dabei. Sie wusste ganz genau, dass er nur so tat, als hätte er Marina Green nicht leiden können. In Wirklichkeit war er scharf auf sie gewesen. Er stand nun mal auf große Brüste und extrem gefärbte Haare. Angie hatte ihn beobachtet, wie er sie heimlich beäugte und hinter seiner gefälschten Oakley-Sonnenbrille Glubschaugen machte, während er vorgab, Zeitung zu lesen, wenn sie in einem Bikini aus dem Pool stieg, der ihr viel zu klein war, wie alle sehen konnten.
»Also, ich finde sie nett«, sagte Angie.
»Wie du meinst.«
»Ich finde sie alle nett, und wenn du dir ein wenig Mühe gibst, wird das ein sehr schöner Abend.« Im Wohnzimmer wurden Stimmen laut. Großes Gezänk, wer was im Fernsehen sehen wollte. Angie öffnete die Küchentür und rief ihren Kindern zu, sie sollten sofort aufhören zu streiten. Als sie sich wieder umdrehte, stand Barry da und rieb sich den Bauch, der das kastanienbraune Polohemd ziemlich strapazierte.
»Und was ist mit deiner Diät?«, fragte er.
Angie dachte über die Tatsache nach, dass er sich offenbar mehr Sorgen über die paar Pfund machte, die sie zugenommen hatte, als über seine eigenen. Sie dachte an die zwei Dosen Bier, die er in der halben Stunde geleert hatte, seit er von der Arbeit nach Hause gekommen war, und an die Chipstüten, die sie ständig aus seinem Wagen fischte. »Ich esse Obst statt Pudding«, sagte sie. »Ist doch nur für einen Abend.«
»Von wegen, nur ein Abend.« Er schob eine Hand unter das Hemd und kratzte sich. »Erst laden wir sie ein, dann laden die anderen uns ein und so weiter.«
»Was ist denn daran falsch?«
»Hab ich doch schon gesagt, wir haben genug Freunde.«
»Wen zum Beispiel?«, fragte Angie.
»Entschuldigen Sie bitte, könnte ich wohl mal …«
Angie schrak auf und entschuldigte sich bei dem Mann, der die Hand ausgestreckt hatte, um an ihr vorbei nach etwas zu greifen. Sie schob den quietschenden Einkaufswagen beiseite und fragte sich, wie lange sie wohl dagestanden und das Fleisch angeglotzt hatte, als hätte sie sie nicht mehr alle. Sie schaute auf das Huhn, das sie immer noch in der Hand hielt.
Das glänzend rosige Fleisch presste sich eng an die Verpackungsfolie.
Angie ließ das Fleisch in den Einkaufswagen fallen und ging schnell zur Kasse. Sie dachte an das Essen am letzten Abend in Florida, an den blutroten Sonnenuntergang und an die Streifenwagen in der Ferienanlage. Schon sonderbar, fand sie, sie jetzt alle wiederzusehen, acht Wochen später, in einer ganz anderen Welt.
Ein unvergesslicher Urlaub, trotz allem.
Finnegan Bros. So stand es auf den Schildern und auf den Firmenwagen und auf dem völlig überteuerten Briefpapier, das er nie hatte anschaffen wollen.
Bros. Brothers. Ja, sie zwei waren Brüder … Davon merkte man nur leider nicht viel, fand Barry. Wenn er bedachte, wie man manchmal mit ihm redete, wie man ihn herumkommandierte und ständig hierhin und dorthin schickte wie einen Laufburschen.
Und das Schlimmste an der Sache: Adrian war jünger als er. Drei Jahre jünger. Aber während sich Barry die Hände schmutzig gemacht hatte, hatte Adrian sich einfach so lange auf dem College herumgetrieben, bis er irgendwann seinen bescheuerten Abschluss in Betriebswirtschaft hatte. Und jetzt hielt er sich anscheinend für Donald Trump persönlich. Als wäre seine Arbeit mit diesem College-Wisch mehr wert als Barrys.
Von wegen!
Barry donnerte mit der Handfläche auf das Lenkrad seines Audi, zog nach links und gab Vollgas, um einen Idioten zu überholen, der mit nicht mal siebzig auf der Überholspur vor sich hin döste wie ein ohnmächtig gewordener Volldepp.
Fünfundvierzig Minuten Autofahrt, nur um sich von irgendeinem Blödmann vorwerfen zu lassen, dass die Arbeiten an seinem Dachausbau »nicht zufriedenstellend erledigt« worden seien. Ein Fenster, das nicht richtig schloss, ein Heizkörper, der leckte, der übliche Scheiß. Fünfundvierzig Minuten hin, fünfundvierzig zurück, und das an einem Samstagnachmittag, während der Herr Bruder zu Hause hockte, auf Sky Sport schaute und mit den lieben Kinderchen spielte.
Er hatte eben verdammtes Glück, der Mistkerl. Adrian bekam seine verfluchten Gören wenigstens zu sehen.
An einem Samstag, Himmelherrgott! Als hätte er die Woche über nicht genug geschuftet … Und der Idiot war immer noch nicht zufrieden gewesen! Jammerte rum wie ein altes Weib, warf ihm Pfusch vor und kündigte an, er werde sich an Adrian wenden, der werde das schon regeln.
Typisch.
»Hätte gleich mit dem Chef reden sollen.« Das waren seine Worte gewesen. Barry hatte sich mit Mühe und Not beherrschen können, um dem kleinen Arsch nicht die Faust ins verschwitzte, rote Gesicht zu rammen … Ein Job, den er sicherlich »zufriedenstellend« erledigt hätte.
Es war Zeit für ein ernstes Gespräch, das wusste Barry. Zeit, die Dinge ein für alle Mal klarzustellen zwischen ihm und seinem Bruder. Was er sagen wollte, hatte er schon oft im Geiste geprobt, und die Liste der Kränkungen wurde länger und länger.
»Am Samstag, Adrian? Du willst mich wohl verarschen …«
Dabei war er im Grunde nicht sonderlich unglücklich darüber gewesen, rauszukommen. Angie putzte das Haus von oben bis unten, holte das gute...
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