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Isla
Kurz darauf beendete Adrien die Besprechung. Ich machte mich auf den Weg nach draußen, wo meine Gruppe fürs Bogenschießen bereits auf mich wartete. Für einen Moment konnte ich sie nur anstarren. Sie sahen nach deutlich mehr als den zweiunddreißig aus, die sich angemeldet hatten. Mir schwante, dass ich heute nicht bereits am Vormittag mit dem Kurs durch sein würde. Einerseits war das gut. Ich wurde nach Stunden bezahlt, und je länger wir uns hier aufhielten, desto mehr würde ich verdienen. Andererseits fühlte ich mich anhand der Teilnehmerzahl überfordert. Sollten auch nur ein oder zwei Unruhestifter dabei sein, könnte es bei so einer großen Gruppe schnell ausarten. Bogenschießen war kein ungefährlicher Sport und konnte zu Verletzungen führen, wenn man mit dem Bogen unachtsam umging.
»Wir sehen uns heute Abend im Tavern«, raunte Kyleen mir zu und stupste mich sanft mit der Schulter an, als sie an mir vorbeilief. Ich nickte, ohne mich zu ihr umzudrehen. Das Lanky Tavern gehörte meinen Eltern, und Montagabend war unser typischer Mädels-und-Burger-Abend, seit Kyleen und ich befreundet waren.
Kurz sah ich meiner besten Freundin hinterher, die in Richtung der Lodges ging, vermutlich um die Check-outs abzuwickeln, dann wandte ich mich meiner Bogenschießen-Gruppe zu. Ich klatschte dreimal in die Hände, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Hey, schön, dass ihr alle hier seid. Mein Name ist Isla, und ich bin heute eure Trainerin. Gibt es jemanden, der Bogenschießen schon mal gemacht hat?«
Ein Junge, den ich auf neun oder zehn schätzte, hob seine Hand, genauso wie die Frau daneben, die vermutlich seine Mutter war. Ich wartete noch einige Sekunden, ob sich noch jemand melden würde, was leider nicht der Fall war. Wären es mehrere gewesen, hätte ich die große Gruppe aufteilen und mit zwei kleineren arbeiten können, aber so machte es keinen Sinn.
»Alles klar. Wir starten gleich mit einer Sicherheitseinführung, dann werdet ihr lernen, wie ihr den Bogen richtig haltet, wie ihr stehen müsst und wie ihr am besten zielt. Wir beginnen mit großen Zielscheiben, die nur eine kurze Distanz entfernt sind, und arbeiten uns dann zu kleineren vor, die weiter weg stehen. Wenn ihr euch gut macht, probieren wir es am Ende sogar mit beweglichen Zielen. Aber zuerst .« Mit ausgebreiteten Armen drehte ich mich im Kreis, um darauf hinzudeuten, dass hier noch nichts nach Bogenschießen aussah. »Zuerst brauchen wir das Zubehör, und dafür brauche ich vier starke Helfer.«
Zielstrebig ging ich auf unseren Schuppen zu, in dem alles verstaut war, nur um kurz darauf stehen zu bleiben, weil mir niemand folgte.
»Irgendjemand von euch muss mir helfen, sonst sind wir morgen noch nicht fertig.«
Einige Sekunden später trat endlich ein Typ vor und kam auf mich zu. Angespornt von ihm, folgten zwei weitere.
Hoffentlich würde die Gruppe jetzt etwas mehr auftauen.
»Principessa.« Dad legte einen Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Er war weit davon entfernt, Italiener zu sein, aber seit einem Urlaub in Sizilien, als ich ungefähr acht gewesen war, bei dem mich alle Kellner im Hotel so genannt hatten, hatte er diesen Namen übernommen. Und irgendwann hatte ich aufgehört, mich dagegen zu wehren. »Du siehst müde aus.«
Ich schnaubte bloß und rutschte auf einen Stuhl an der Bar. Das Lanky Tavern war ein typisch britischer Pub. Die komplette Einrichtung war in dunklem Holz gehalten, es roch nach Bier und Gebratenem aus der Küche. Auf der rechten Seite dominierte eine große Theke den länglichen Raum, während es gegenüber Nischen mit kleineren Tischen gab, die zumindest den Anschein von Abgeschiedenheit erweckten. An den Wänden hingen Bilder der schottischen Geschichte, vor allem des Schiefertagebaus, den es in und um Glencoe herum bis in die 1860er-Jahre gegeben hatte, dazu einige Dudelsäcke und Kilts, die dem Raum das speziell schottische Flair verliehen.
»Machst du mir ein Guinness?« Dad nickte und griff nach einem Glas, um es mir zu zapfen.
In dem Moment kam Mum aus der Küche. »Isla.« Sie trat um die Theke herum und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ihre dunklen Haare, die keine grauen Strähnen aufwiesen, weil sie sie seit Jahren färbte, waren zu einem akkuraten Dutt frisiert, aus dem sich nie auch nur eine Strähne löste. »Wie war die Arbeit?«
Obwohl ich mittlerweile dreiundzwanzig war, fühlte ich mich bei dieser Frage noch immer, als würde sie mich nach der Schule fragen. »Wie immer.« Auch das war schon früher meine Standardantwort gewesen.
Mum lächelte. »Kommt Kyleen auch noch?«
»Klar, wie immer.« Jetzt grinsten wir beide.
»Schön. Sagt Bescheid, wenn ihr essen wollt.« Damit ließ sie mich allein und ging zurück in die Küche.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch etwas dauern würde, bis Kyleen auftauchte. Überpünktlich zu sein war eine ziemlich unvorteilhafte Angewohnheit von mir. »Was weißt du über Leon McLachlan?«, fragte ich Dad, als er mein Guinness vor mir abstellte.
Dad sah auf und zog die Augenbrauen zusammen. »Den Jungen vom Three Sisters Resort?«
Ich verkniff mir ein Grinsen. Leon war zwei Jahre älter als ich und schon lange kein Junge mehr, aber für Dad alterte niemand über das Teenageralter hinaus, den er bereits als Kind gekannt hatte. »Genau der.«
»Hmm.« Er stützte sich mit den Unterarmen auf der Theke ab. »Nicht viel. Er war ein Rabauke während der Schulzeit, aber das weißt du wohl selbst am besten.« Ich verzog den Mund, denn damit hatte er recht. »Ist zum Studieren nach Edinburgh gegangen und arbeitet sich jetzt in die Geschäfte im Resort ein, um es später mal zu übernehmen.«
Das war . enttäuschend. »Erzählt man sich sonst nichts über ihn?« Dad arbeitete im größten Pub der Umgebung. Jeder hier wurde redselig, sobald er oder sie ein Pint zu viel intus hatte - und das kam verdammt regelmäßig vor. Da müsste Dad doch etwas bessere Gerüchte auf Lager haben.
Die Hände auf der Arbeitsplatte abgestützt, lehnte er sich näher zu mir. Seine buschigen Augenbrauen hoben sich, und ein amüsiertes Schmunzeln zupfte an seinen Lippen. »Was soll man sich denn über ihn erzählen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht macht er nebenbei eine Ausbildung zum Axtmörder. Glencoe wäre der perfekte Ort dafür, so bewölkt und nebelig, wie es hier immer ist.« Und trotz der ganzen Touristen gab es in den Wäldern genug einsame Ecken, in denen man eine Leiche vergraben könnte.
Jetzt lachte er richtig. »Du hast zu viele Horrorfilme gesehen.«
»Vielleicht will ich mich damit nur auf das richtige Leben vorbereiten.« Ich sagte es mehr zu mir selbst, denn Dad hatte sich längst abgewandt, um einen anderen Gast zu bedienen. Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Guinness und sah mich im Lanky Tavern um. Obwohl es noch früh war, war der Pub schon gut gefüllt. Die Nachmittags-Crowd war bereits da. Ein Teil davon waren Leute, die ich kannte. Einwohner aus Glencoe und den umliegenden Dörfern, die für ein Feierabendbier und etwas Gesellschaft nach der Arbeit herkamen. Aber auch einige Touristen waren anwesend, die man an ihren Wanderschuhen, Windbreakern und großen Rucksäcken erkannte, in die sie die Verpflegung für den Tag gepackt hatten.
Die Tür wurde aufgestoßen, und Kyleen kam herein. Ihr Blick wanderte einmal durchs Tavern, landete auf mir, und ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Hey, Is.« Sie kam auf mich zu, umarmte mich kurz und rutschte dann auf den Stuhl neben mich. »Wie war dein Tag?«
»Lang«, stöhnte ich. »Bogenschießen mit über dreißig Leuten, die alle keine Ahnung davon haben, ist echt .« Ich suchte nach dem richtigen Wort, das meine Stimmung am besten ausdrückte, aber nicht zu abwertend klang.
»Anstrengend?«, half Kyleen mir auf die Sprünge.
»Ja, das auch. Und nervig. Ich kam kaum dazu, mal bei jemandem in Ruhe die Position zu korrigieren, weil mich gleich drei unterbrochen haben, ob sie es denn richtig machen würden. Weiß nicht, ob es auf Dauer so eine gute Idee ist, mit so großen Gruppen zu arbeiten.«
»Glaube, das kommt echt drauf an, was du mit den Leuten machst. Kann mir gut vorstellen, dass das beim Wandern deutlich entspannter wird. Da musst du ja niemandem erklären, wie man einen Fuß vor den anderen setzt.«
»Hoffentlich.«
Wir sahen uns an und begannen gleichzeitig zu lachen. Nichts tat so gut, wie mit meiner besten Freundin unbeschwert zu sein. Doch Kyleens Lachen hielt nicht lange an. Mit einem Mal zog sie die Mundwinkel herab und sah - ich konnte es nicht anders beschreiben - beschämt aus.
»Ich hab etwas unheimlich Dummes getan.«
»Was?« Ich konnte mir nicht vorstellen, was das sein sollte, denn das war überhaupt nicht ihre Art. Normalerweise tat sie nichts, ohne vorher gründlich darüber nachzudenken. Ganz im Gegensatz zu mir, die oftmals viel zu impulsiv reagierte.
»Na ja, Mel hat Finn heute von der Arbeit abgeholt, und natürlich sind wir ins Gespräch gekommen. Sie hat erzählt, dass Finn heute mit den Jungs unterwegs ist, sie allein zu Hause wäre, und .« Mit einem Stöhnen vergrub sie das Gesicht in den Händen. »Es kann sein, dass mir herausgerutscht ist, sie könnte den Abend hier mit uns verbringen, wenn sie nicht allein sein will.« Bevor ich etwas antworten konnte, sackte Kyleen noch weiter in sich zusammen, wie ein Ballon, dem man die Luft rausgelassen hatte. »Und ganz eventuell hat sie ganz begeistert zugestimmt.«
Für einen Moment konnte...
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