6. Stickstoff (N)
N ist ein essenzieller Pflanzennährstoff für die Ertrags- und Qualitätsbildung und gilt oftmals als limitierender Nährstoff im Pflanzenwachstum. Aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten sollte die N-Düngung ausgewogen gestaltet werden, um sowohl auf betriebswirtschaftlicher Ebene monetäre als auch aus Umweltschutzgründen N-Verluste zu vermeiden. Generell stellen Nährstoffausträge - insbesondere in Form von Nitrat (NO3-) - über den Verlustpfad Sickerwasser, unter den humiden Klimabedingungen Norddeutschlands, eine zentrale Verlustgröße dar. Die vorherrschenden Klima- und Standortbedingungen haben dabei einen wesentlichen Einfluss auf die möglichen Verlustpfade der N-Verbindungen: Geht die N-Zufuhr weit über den Pflanzenbedarf hinaus, steigt besonders auf den leichten Böden der Geest aufgrund teilweise nicht vorhandener Deckschichten die Gefahr von Grundwasserbelastungen über die Verlagerung des hoch mobilen Nitrats. Allerdings sind auch die typischen Ackerbauregionen betroffen, dort allerdings vornehmlich durch Einträge über Drainagen in Fließ- bzw. Küstengewässer. Neben der Grundwasserbelastung rücken auch die Emissionen klimarelevanter Gase, z. B. Lachgas N2O und das indirekte Klimagas Ammoniak (NH3), die beide unmittelbar mit der Düngeintensität in Verbindung stehen, in den Fokus. Aus diesen Gründen sind beim Düngen nach guter landwirtschaftlicher Praxis vermeidbare N-Überhänge gezielt zu vermeiden.
6.1 Ermittlung des N-Düngebedarfs im Frühjahr
Zur Bemessung der N-Düngung für Ackerkulturen, Gemüse, Grünland und den mehrschnittigen Feldfutterbau schreibt die DüV (2020) eine bundeseinheitliche Vorgehensweise - die sogenannte DBE - vor. Diese orientiert sich an ertragsabhängigen N-Bedarfswerten. Im Folgenden wird die Methodik unter Berücksichtigung der notwendigen Faktoren sowie von Zu- und Abschlägen aufgeführt. Dabei unterscheiden sich die Berechnungswege in den bereits genannten Bereichen Ackerkulturen, Gemüse, Grünland bzw. beim mehrschnittigen Feldfutterbau. In allen Bereichen sind sowohl der ermittelte Düngebedarf als auch die dafür notwendigen Berechnungsschritte aufzeichnungspflichtig und 7 Jahre lang aufzubewahren. Dabei ist der berechnete Düngebedarf als standortbezogene N-Obergrenze anzusehen, die grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Prinzipiell muss der Düngebedarf nach DüV § 3(2) vor dem Aufbringen von wesentlichen Nährstoffmengen an N (== 50 kg N/ha) für jeden Schlag oder jede Bewirtschaftungseinheit ermittelt werden. Während ein Schlag eine räumlich zusammenhängende, einheitlich bewirtschaftete Fläche darstellt, gelten für die Bildung von Bewirtschaftungseinheiten gewisse Voraussetzungen: Dafür müssen die Schläge vergleichbare Standortverhältnisse, eine einheitliche Bewirtschaftung und die gleiche Pflanzenart bzw. Pflanzenarten mit vergleichbaren Nährstoffansprüchen aufweisen. Eine Bewirtschaftungseinheit ist gegeben, wenn bei den für die DBE relevanten Faktoren wie Vorfrucht, Ertragsniveau und organische Düngung im Vorjahr keine Unterschiede bestehen.
Grundlage der Bedarfsermittlung ist bei Ackerkulturen, Gemüse und Grünland bzw. dem mehrschnittigen Feldfutterbau das fünfjährige Ertragsmittel der angebauten Kulturen bzw. Nutzungssysteme. Prinzipiell kann im Rahmen einer einzelschlagspezifischen Bedarfsermittlung das Ertragsniveau auf ertragsstarken Standorten (gute Bodenverhältnisse) nach oben und auf schlechten Standorten nach unten abweichen. Im Mittel aller Einzelflächen muss das Ertragsniveau der Kultur allerdings dem letzten 5-jährigen Ertragsmittel des Betriebes entsprechen.
Bestimmte Betriebstypen bzw. Bewirtschaftungsformen unterliegen nach DüV nicht einer Bedarfsermittlung für N und P. Aufschluss gibt Übersicht 29.
6.2 Ermittlung des N-Düngebedarfs bei Ackerkulturen
Im Rahmen der N-DBE gilt es zunächst, das Ertragsniveau der angebauten Kulturen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre zu ermitteln. Als Nachweismöglichkeiten für den Ernteertrag der im Betrieb angebauten Kulturen können beispielsweise verkaufte Ernteprodukte laut Buchführungsunterlagen oder aber eigene Wiegeergebnisse (Selbstmischer) herangezogen werden. Unterdurchschnittliche Ernteergebnisse können unter folgenden Umständen unberücksichtigt bleiben. Entsprechend den Vorgaben der DüV kann bei einer Abweichung des Ertrages um >20 % vom Ertrag des vorangegangenen Jahres ersatzweise das Jahr vor dem fünfjährigen Bezugszeitraum gewählt werden. Diese Regel greift im nachstehenden Beispiel (Übersicht 30), in dem eine >20 %-ige Ertragsabweichung zwischen den Ernten 2018 und 2019 vorliegt. Hier kann zur Berechnung des fünfjährigen Mittels der Ertrag aus dem Jahr 2017 herangezogen werden (Ersatzjahr). Das Ersatzjahr wird für die Bedarfsermittlung im Folgejahr nicht berücksichtigt.
Für Kulturen, die erstmals im Betrieb angebaut werden, ist eine realistische Ableitung der regionstypischen Ertragsleistung aus den veröffentlichten Werten des Statistikamt Nord und den Ergebnissen der Landessortenversuche (www.lksh.de) in Schleswig-Holstein möglich. Dabei ist zu beachten, dass die Landessortenversuche unkorrigierte Parzellenerträge darstellen und damit diese Erträge, um mindestens 15 % zu mindern sind, um ein praxistypisches Ertragsniveau zu ermitteln.
Auf Basis des fünfjährigen Ertragsdurchschnittes der im Betrieb angebauten Kulturen erfolgt die DBE nach den in Übersicht 31 angegebenen bundeseinheitlichen N-Bedarfswerten nach DüV. Weiterhin sind Ergänzungen für Schleswig-Holstein nach Vorgabe der LK-SH aufgeführt. Für die Nutzungsform "Getreideganzpflanzensilage (GPS)" sind die ertragsabhängigen N-Bedarfswerte aus Übersicht 31 für den jeweiligen Kornertrag der Kultur anzusetzen.
Liegen Ertragsergebnisse der GPS-Ernte vor, sind diese über den TS-Gehalt und das Korn/Strohverhältnis für die jeweilige Kultur zu berechnen. Der Bedarfswert für Winterweizen-GPS orientiert sich am Bedarfswert für Massenweizen. Ein gesonderter Zuschlag für Protein ist hierbei nicht erforderlich.
Die angegebenen N-Bedarfswerte der unterschiedlichen Kulturen entsprechen dem Nährstoffbedarf an N während einer Anbauperiode und beziehen sich auf das angegebene Ertragsniveau. Weicht das in Übersicht 31 angegebene Ertragsniveau vom fünfjährigen Betriebsdurchschnitt ab, sind die N-Bedarfswerte durch Zu- bzw. Abschläge anzupassen. Mit Ausnahme der Kartoffeln sind die anzusetzenden Mindestabschläge höher als der mögliche Höchstzuschlag in kg N/ha je Ertragseinheit. Beispielsweise für Getreide kann mit einem Zuschlag von 10 kg N/ha je 10 dt Ertragseinheit bei höheren Erträgen gerechnet werden. Es ist möglich, Ertragsdifferenzen linear zu interpolieren, was bedeutet, dass je dt Ertragseinheit bei Getreide 1 kg N/ha Höchstzuschlag berücksichtigt werden kann.
Ausgehend vom ertragsabhängigen N-Bedarfswert sind nach DüV eine Reihe von Faktoren im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen:
1.) N-Nachlieferung aus organischer Düngung zu den Vorkulturen des Vorjahres
In organischen Düngemitteln liegt N in unterschiedlichen Formen vor, wobei der Ammoniumanteil (NH4-Anteil) als direkt pflanzenverfügbar gilt, während der organisch gebundene N-Anteil zum größten Teil im Verlauf der Vegetation pflanzenverfügbar wird. Diese Nachlieferung von N aus der Anwendung von organischen oder organischmineralischen Düngemitteln zu den Vorkulturen des Vorjahres, ist in Form eines Abschlags in Höhe von 10 % der mit diesen Düngemitteln aufgebrachten Menge an Gesamt-N in der DBE zu berücksichtigen. Wie in Übersicht 32 dargestellt, bezieht sich die Regelung nicht mehr auf die Wirtschaftsdüngergaben des zurückliegenden Kalenderjahres, sondern auf die Wirtschaftsdüngergaben zu den Vorkulturen des Vorjahres (Jahresbezug).
Das bedeutet im Falle eines Winterweizens, der auf einen Winterraps folgt, dass in der DBE 10 % der Gesamt N-Menge zur Vorkultur Winterraps (Herbst + Frühjahrsdüngung) abgezogen werden müssen (Kulturbezug) (Übersicht 33).
Eine Ausnahme bildet die Anwendung von Kompost. Hier sind für die N-Nachlieferung im ersten Folgejahr 4 % sowie im zweiten und dritten Folgejahr jeweils 3 % des ausgebrachten Gesamt-N-Gehaltes anzusetzen. In Summe müssen über einen Zeitraum von drei Jahren 10 % nachvollziehbar angerechnet werden.
2.) Im Boden verfügbare N-Menge (Nmin)
Bei Ermittlung des N-Düngebedarfs im Frühjahr ist die im Boden (in der Regel aus 0-90 cm) verfügbare N-Menge (Nmin) von den beschriebenen N-Bedarfswerten in Abzug zu bringen. Dies muss im Rahmen der schriftlichen DBE vor der ersten N-Gabe im Frühjahr vollzogen sein. Der Nachweis des Boden-Nmin-Gehaltes kann über betriebseigene Untersuchungsergebnisse autorisierter Labore oder über veröffentlichte Werte der LK-SH erfolgen. Hinweise zur richtigen Probennahme finden Sie in Kapitel 2.4.
Hierzu hat die LK-SH den Nitratmessdienst SH eingerichtet (www.lksh.de, Nitratmessdienst der LK-SH). Die in 0-90 cm ermittelten Gehalte an NO3-N, NH4-N und Gesamt-N basieren auf repräsentativen Proben, die in den Naturräumen "Östliches Hügelland", "Geest" und "Marsch" unter aktuell praxistypischer Bewirtschaftung erhoben werden. Die im Nitratmessdienst der LK-SH dargestellten Tabellenwerte sind je nach Naturraum und Fruchtfolgekombination repräsentativ zu wählen. Nmin-Werte bei deutlich abweichenden Bodenarten können auch aus anderen Naturräumen herangezogen werden. Die Probennahme und...