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Bierce war ein Meister der Kurzgeschichte, des scharf geschliffenen pointierten Wortes, ein Könner in der Gattung der Schauergeschichte, seinem Landsmann Edgar Allan Poe durchaus ebenbürtig.
Die in diesem Band enthaltenen Erzählungen entstammen zum großen Teil den Sammelbänden »Can Such Things Be?« und »In the Midst of Life«. Es ist eine Auswahl von gut einem Dutzend Geschichten aus dem raffinierten Schreckenskabinett dieses Autors, der sich übrigens auch mit satirischen Fabeln und mir Geschichten in der amerikanischen Tradition der »Western Tales« wie Bret Harte oder Mark Twain einen Namen gemacht hat. Erzählungen wie die Titelgeschichte »Der Mönch und die Henkerstochter« werden zweifellos immer zu den Meisterstücken der amerikanischen Literatur zählen.
1
Am ersten Tag des Mai im Jahre des Herrn 1680 wurden die drei Franziskanermönche Ägidius, Romanus und Ambrosius durch ihren Abt von der christlichen Stadt Passau zum Kloster Berchtesgaden bei Salzburg geschickt. Ich, Ambrosius, war der jüngste und kräftigste von uns dreien, gerade einundzwanzig Jahre alt.
Das Mönchskloster Berchtesgaden lag, wie wir wußten, in einer wilden, gebirgigen Gegend, umgeben von düsteren Wäldern, in denen Bären und böse Geister ihr Unwesen trieben; und mit Bangigkeit sahen wir einem Leben in so beklemmender Umgebung entgegen. Aber da es Christenpflicht ist, den Geboten der Kirche zu gehorchen, beklagten wir uns nicht und fügten uns sogar freudig dem Willen unseres geliebten und verehrten Oberen.
Nachdem wir den Segen erhalten und zum letztenmal in der Kirche unseres Heiligen gebetet hatten, gürteten wir unsere Kutten, zogen neue Sandalen an die Füße und machten uns auf den Weg. Obwohl dieser Weg lang und gefahrvoll war, betraten wir ihn voller Hoffnung, denn Hoffnung ist nicht nur Anfang und Ende aller Gottgläubigkeit, sondern auch die Kraft der Jugend und die Stütze des Alters. Daher vergaßen wir rasch die Traurigkeit der Trennung und erfreuten uns der neuen und vielfältigen Eindrücke von Gottes weiter Welt. Die Luft war hell und lind wie das Gewand der Heiligen Jungfrau; die Sonne schien so strahlend wie das goldene Herz des Erlösers; wie ein Baldachin spannte sich der blaue Himmel über uns, und alles Leben auf Erden lobte den Herrn und Schöpfer.
Durch viele Dörfer und Städte kamen wir auf unserm Weg, und der Anblick all der Menschen, die ihren weltlichen Verrichtungen nachgingen, erfüllte uns arme Mönche mit immer neuem Staunen. Doch schienen sie alle in Demut und Frömmigkeit Gott zu dienen, denn die zahlreichen Kirchen waren groß und prächtig und die Felder und Obstgärten der Klöster gut gehalten. Das Läuten der Kirchenglocken schien uns Musik in den Ohren - uns war dabei, als sängen die Engel das Lob des Herrn.
Wo immer wir Leute trafen, grüßten wir sie im Namen unseres Heiligen. Und sie neigten sich vor uns mit der Ehrerbietung, die dem Heiligen galt. Frauen und Kinder kamen herbeigeeilt, sobald wir auftauchten, um unsere Hände zu küssen und sich segnen zu lassen. Es schien fast, als wären wir keine armseligen Diener Gottes und der Menschen, sondern Herren und Meister dieser herrlichen Welt. Aber laßt uns nicht stolz im Geiste werden, sondern in Demut die Sünde der Hoffahrt aus unseren Herzen verbannen.
Ich, Bruder Ambrosius, bekenne in Reue und Scham, daß meine Seele sich weltlichen Anfechtungen nicht ganz verschließen konnte. Es gab Augenblicke, da kam es mir so vor, als drängten sich die Frauen eifriger, meine Hände zu küssen als die meiner Gefährten. Das konnte gewiß nicht recht sein, denn ich war nicht heiliger als sie; vielmehr war ich jünger und unerfahrener in der Furcht des Herrn. Als ich diesen Irrtum der Frauen bemerkte und sah, wie die Augen der Mädchen an mir hingen, erschrak ich und fragte mich, ob ich der Versuchung widerstehen könnte, wenn sie an mich heranträte. Und oft dachte ich, daß Gelübde, Gebete und Kasteiungen nicht genügen; man muß so reinen Herzens sein, daß dieses keine Versuchung kennt. Aber wer kann das von sich sagen?
Wir übernachteten in Klöstern, wo wir immer gastlich aufgenommen wurden. Die Mönche bewirteten uns gut und fragten uns stets nach Neuigkeiten aus der großen Welt, von der wir soviel sehen und kennenlernen durften. Nannten wir das Ziel unserer Reise, so bedauerte man uns, daß wir in so unwirtlicher Gegend leben sollten. Man erzählte uns von Eisfeldern, schneegekrönten Bergen und schroffen Felsen, wilden Gebirgsströmen und düsteren Wäldern; auch von einem geheimnisvollen und schrecklichen See, der seinesgleichen in der ganzen Welt nicht hätte. Gott beschütze uns!
Am fünften Tag unserer Reise, kurz bevor wir zu der Stadt Salzburg gelangten, bot sich uns ein seltsamer und erschreckender Anblick. Vor uns am Horizont lag eine schwere graue Wolkenbank, von dunkleren Flecken und Schründen durchzogen. Und über ihr, unter dem blauen Himmel, stand ein zweites Firmament in blendendem Weiß. Der Anblick verwirrte und ängstigte uns. Die Wolken rührten und regten sich nicht. Wir beobachteten sie im Weitergehen stundenlang und sahen keine Veränderung. Erst spät am Nachmittag, als die Sonne im Westen sank, glühten sie auf, als stünden sie in Flammen. Wer beschreibt unsere Überraschung, als wir entdeckten, daß das, was wir für eine Wolkenbank gehalten hatten, nichts anderes war als das Gebirge, von dem man uns soviel erzählt hatte; also Felsen, Geröll und kahle Erde. Den weißen Himmel darüber aber bildete die Kette schneebedeckter Gipfel.
2
Als wir vor dem Paß standen, über den der Weg ins Gebirge führte, schauderten wir, als täte sich vor uns das Tor zur Hölle auf. Hier das liebliche Land, das wir für immer verließen; dort drohende Felsen, tiefe Schluchten und finstere Wälder, voller Gefahren für Leib und Seele. Doch wir stählten unseren Mut mit Gebeten und setzten unseren Weg fort, entschlossen zu erdulden, was Gott uns auferlegen würde.
Unter den riesigen Bäumen und dem dichten Blattwerk umfingen uns Dunkelheit und feuchte Kühle, die uns schaudern ließen. Der Klang unserer Schritte und unserer Stimmen, falls wir zu reden wagten, wurde von den hohen, steilen Felsen des Passes zurückgeworfen und wiederholt, und zwar so deutlich und so vielfach, daß wir überzeugt waren, von einem Schwarm unsichtbarer Gespenster verfolgt und gefoppt zu werden. Große Raubvögel flogen aus den Baumwipfeln oder aus Felsspalten auf und kreisten über dem Blätterdach, wobei sie krächzten oder kreischten, daß uns das Blut in den Adern gefror. Selbst unsere Gebete und frommen Lieder brachten uns keinen Trost, denn das Echo wiederholte sie so verzerrt und schaurig, daß sie wie Gotteslästerungen klangen. Zuweilen sahen wir entwurzelte Bäume am Wegrand liegen, wie von einer Riesenfaust aus der Erde gerissen und umgeworfen. Zuweilen auch führte unser Weg so hart am Rande dunkler Abgründe hin, daß uns Schwindel packte.
Schließlich brach ein Unwetter los, wie wir es noch nie erlebt hatten. Halb geblendet von grell zuckenden Blitzen, halb betäubt von den Donnerschlägen, meinten wir, die Hölle habe sich verschworen, unsere Weiterreise zu verhindern und uns zu vernichten. Aber dieses Unwetter ging bald vorüber, und wir trösteten uns über die ausgestandenen Ängste mit dem Gedanken, daß unser Heiliger in den Bergen offenbar nicht weniger mächtig sei als in der Ebene.
Schließlich erreichten wir das Ufer eines Flusses, dessen silbrige Wasser uns einen erfreulichen Anblick boten. In den kristallenen Tiefen zwischen den Felsen konnten wir schöne, goldene Forellen sehen, beinahe so groß wie die Karpfen im Teich unseres Klosters zu Passau. Selbst in dieser wilden Gegend sorgte also der Himmel für die Fastenspeise der Frommen.
Unter den schwarzen Tannen und zwischen den großen, mit Moos und Flechten bedeckten Felsen wuchsen seltene Blumen, dunkelblau und goldgelb. Bruder Ägidius, der ebenso gelehrt wie fromm war, kannte sie aus seinem Herbarium und sagte uns ihre Namen. Wir erfreuten uns am Anblick der vielen glänzenden Käfer und bunten Schmetterlinge, die nach dem Regen aus ihren Schlupfwinkeln kamen, und vergaßen unsere Ängste.
Viele Stunden schon hatten wir keine menschliche Behausung mehr gesehen. Tiefer und tiefer drangen wir in das Gebirge vor. Immer unheimlicher wurde die Wildnis. Aber sie erschreckte uns nicht mehr so sehr wie zu Anfang, denn nun waren wir überzeugt, daß Gott uns beschützte.
Der Fluß versperrte uns den Weg. Aber nachdem wir eine Weile an seinem Ufer entlang gewandert waren, fanden wir zu unserer Freude eine rohe, aber feste Brücke. Wir waren schon im Begriff, sie zu überschreiten, als mein Blick auf das andere Ufer fiel und mein Blut bei dem Anblick, der sich mir bot, zu Eis erstarrte.
Auf der anderen Seite des Flusses breitete sich eine Wiese aus, mit wunderschönen Blumen übersät. Und in der Mitte der Wiese stand ein Galgen, an dem ein menschlicher Körper hing! Das Gesicht war uns zugewandt, und die verfärbten und verzerrten Züge ließen erkennen, daß der Tod am selben Tag durch Erhängen eingetreten war!
Ich wollte gerade meine Begleiter auf den schrecklichen Anblick aufmerksam machen, als etwas Seltsames geschah: Auf der Wiese erschien ein junges Mädchen mit langem, goldenem Haar, um das ein Blütenkranz geschlungen war, und in einem hellroten Kleid, das wie eine Flamme zu leuchten schien. Das Mädchen zeigte keine Angst vor dem Galgen und der daran baumelnden Leiche. Im Gegenteil, es lief laut singend darauf zu und schwenkte die Arme, um die Geier zu verscheuchen, die um den Galgen flatterten und krächzend mit ihren Schnäbeln auf den Gehenkten einhackten. Beim Herannahen des...
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