Schweitzer Fachinformationen
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Das gelbe Haus lud immer wieder zu Entdeckungen ein. Die gute Stube, wie Birgitta sie nannte, bestach mit antikem Mobiliar, das Schloss Gripsholm alle Ehre gemacht hätte. Zwischen den Fenstern fanden sich im Wechsel mit einer gefassten, dreisitzigen Sofa-Bank halbrunde Glasvitrinen, auf denen silberne Kerzenhalter standen. Etwas nach innen gerückt, ragten zwei hellgraue Kommoden, deren Schubladen einzeln verschließbar waren, in den Raum. Ihre Vorderfront war kanneliert und mit schwedischem Band verziert. An sie schlossen sich weiß-in-weiß gestreifte Sofas an. Vor jeder Sitzgelegenheit wartete das passende Tischchen darauf, die abgestellten Champagnergläser zu tragen. Am augenfälligsten aber war ein über zwei Meter hoher, handbemalter Kaminofen, der dem Ganzen eine besondere Note verlieh. Auch im Esszimmer, das sich ans Wohnzimmer anschloss und durch das Öffnen einer zweiflügligen Tür erreicht werden konnte, setzte sich die gediegene Möblierung fort. Ein Holztisch aus Nussbaum stand mitten im Raum, um ihn herum acht weiße, aufwendig gepolsterte Stühle. Sie hoben die Schwere des Tisches elegant auf. Auch hier gab es, allerdings in einem feinen Hellbeige, einen hohen Kaminofen. Die Böden und Decken des Raumes waren aus weiß lasiertem Holz, so dass die Wohnung freundlich wirkte. Im seitlich liegenden Arbeitszimmer befand sich die Fachbibliothek. Hunderte von juristischen Bänden reihten sich in den eingelassenen und mit Glastüren geschützten Regalen. Ein riesiger, schwarzbrauner Schreibtisch machte den Raum düster und ernst. Küche, Wirtschafts- und Vorratsraum sowie eine Gästetoilette komplettierten das Erdgeschoss. Im ersten Stock gab es sechs fast gleich große Schlafräume sowie drei Badezimmer. Eine große Holztreppe führte nach ganz oben, wo sich die Zimmer der Bediensteten befunden hatten und nun Claudia untergebracht war, bis hinunter in den Keller. Außer dem Kleiderraum und einem großen Vorratskeller gab es dort den sogenannten Waschraum und die Sauna mit Ruheraum.
Als Claudia den Saunabereich betrat, sah sie, dass an einer Hakenleiste zu großen Büscheln zusammengefügte Birkenzweige und eine Armada weißer Bademäntel hingen. Eine noch größere Anzahl Handtücher lag ordentlich gestapelt in einem Holzregal. Birgitta legte Badetücher aus, und als Claudia sich für ihr vorheriges Verhalten entschuldigen wollte, schüttelte sie nur den Kopf und meinte, ihre Brüder wollten vor dem Essen in die Sauna, also hätten Møllers die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Wenn sie auch dazu Lust … Aber Claudia verzichtete dankend.
Gegen 18 Uhr fuhren die Herren Wilhelmsson vor und verschwanden nach einer kurzen Begrüßung gleich im Untergeschoss. Unterdessen kümmerten sich die beiden Frauen um das Essen. Sie bereiteten Gemüse, Brot und die Salate vor. Da Fleisch und Fisch auf dem Grill landen würden, waren sie in kurzer Zeit mit allem fertig. Møller hatte im offenen Kamin Feuer gemacht und den Korb mit Holzscheiten aufgefüllt. Der Tisch im Esszimmer wurde von seiner Frau gedeckt, die sich viel Mühe mit der Gestaltung der Tischdekoration gab. Jedes Glas wurde, ebenso wie das Silberbesteck, nachpoliert, und vierarmige Kerzenleuchter schmückten neben winterlichen Blumensträußchen die Tafel. Birgitta und das Ehepaar Møller waren offensichtlich sehr miteinander vertraut, Claudia bekam gar nicht mit, wann und wie die Anweisungen erfolgten. Irgendwann waren Møllers aus dem Haus, ohne dass Claudia ihr Gehen wahrgenommen hatte.
Bis der Saunagang vorüber war, setzten sich die Frauen vor das Fenster zur Terrasse. Birgitta zeigte auf den Garten, in dem jetzt ein großer Holzbottich stand. Eine dreistufige Klappleiter lehnte am Rand, und im Licht der Außenbeleuchtung waren im Schnee tiefe Fußspuren zu sehen. Nach geraumer Weile rannte eine erste nackte Gestalt auf das Gefäß zu. Das Eintauchen in das eiskalte Nass wurde von einem lauten Aufschrei begleitet. Und viel schneller, als er gekommen war, trat der Taucher den Rückweg an. Er winkte den beiden Frauen zu, die in dem hell erleuchteten Kaminzimmer offenbar gut zu sehen waren. Beide hatten die Szene verfolgt, ohne dass sie sie kommentiert hätten, und erwiderten lachend den Gruß. Als nach und nach auch die anderen ihren Tauchgang absolviert hatten und der ganze Spuk vorüber war, sagte Birgitta wehmütig:
»Schade, dass keiner meiner Brüder geheiratet oder wenigstens für Nachwuchs gesorgt hat. Sie hätten meinen Eltern schöne Enkelkinder geschenkt, prachtvolle Männer, wie sie es sind. Wirklich schade«, fügte sie nach einem tiefen Seufzer hinzu und stand auf, um den Grill anzuheizen.
Claudia nahm wie selbstverständlich am Familienessen teil, obwohl sie sich viel lieber in ihr Zimmer zurückgezogen hätte. Aber gegen den Charme der vier Herren alter Schule hatte sie keine Chance. Carl Gustav war mit zweiundachtzig Jahren der Älteste, die Zwillinge Jacob Edvin und Linus Oscar hatten im letzten Monat ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert, und Johan Anders jr. war ein Jahr älter als Birgitta, die bald stolze fünfundsiebzig erreichen würde. Dennoch war die Seniorenrunde in vielerlei Hinsicht jung geblieben, und die Gesichter verrieten, dass gern und viel gelacht wurde. Die Männer führten das Wort, gaben Anekdoten zum Besten, die vornehmlich aus Gerichtssälen stammten, plauderten aber auch über Jugendstreiche, und jeder überbot den Nächsten mit seinen Räuberpistolen. Da die Brüder jeweils nach dem Jurastudium bei einem befreundeten Reeder in Hamburg gearbeitet hatten, beherrschten sie die deutsche Sprache nahezu so perfekt wie Birgitta, und Claudia erfuhr, dass sie viele Schleswig-Holsteiner zu ihren Klienten zählten und vor allem in Immobilien-Angelegenheiten berieten.
Später wechselte die Gesellschaft ins Wohnzimmer, um dort Kaffee und Digestif zu genießen, wobei es nicht bei einem Schnaps blieb, bevor man zum Rotwein überging. Der Platzwechsel hatte den heiteren Schwung der Runde anfangs ein wenig gedämpft, und Claudia machte erneut den Versuch, sich zurückzuziehen, aber Carl Gustav bat sie nachdrücklich darum, zu bleiben. Er sagte es, während die anderen das Kaffeegeschirr in die Küche trugen und die Chairs an den Kamin rückten.
Als alle wieder saßen, redete man zunächst über die wirtschaftliche Lage Arjeplogs. Die Klimaerwärmung werde zu einem ernsten Problem für ihr Städtchen und beträfe unmittelbar die ganze Gegend. Denn käme es dazu, konnten die Seen aufgrund fehlender Eisdicke von den Testfahrzeugen nicht mehr befahren werden. Angesichts der steigenden Temperaturen sei dies ein durchaus mögliches Szenario und würde für die Region den wirtschaftlichen Niedergang bedeuten.
»Die Automobilindustrie setzt hier pro Jahr 450 Millionen Kronen um, das ist viel Geld für unsere Region. Fast jeder dritte Einwohner hängt direkt oder indirekt an diesem Tropf. Uns allen macht das große Sorgen.«
Carl Gustav hatte sich direkt an Claudia gewandt und auch die anderen Augenpaare richteten sich auf sie, als erwartete man von ihr eine Lösung, wie die Eisschmelze aufzuhalten sei. Die Zwillinge nahmen das Gesagte auf und machten unisono die Amerikaner für die Klimakatastrophe verantwortlich. Bald setzten sie China, ja den gesamten asiatischen Raum, und in deren Schlepptau Europa, in ein dem Untergang geweihtes Boot. Birgitta folgte der Analyse desinteressiert und zeigte mit ihrer Körperhaltung, dass sie des Themas überdrüssig war. Vergeblich suchte sie nach einer Möglichkeit, das Gespräch in ein anderes Fahrwasser zu lenken. Aber die Herren gaben nicht so schnell auf, die Welt kaputtzureden. Von der Erderwärmung zur Globalisierung, von der Vernichtung kultureller Identitäten bis zum Anstieg der Kriminalität, das gesamte Katastrophenpaket wurde im Zeitraffer geschnürt. Der Erdball drohte sich vor Claudias Augen noch in dieser Nacht selbst aus der Umlaufbahn zu katapultieren und in einem Schwarzen Loch zu verschwinden. Sie versank immer tiefer in ihrem Sessel und hörte kaum mehr zu.
»… schon deshalb«, erhob Carl Gustav seine Stimme, »sollten wir uns endlich über die Stiftung einig werden, dieses ewige Zaudern geht mir auf … geht einfach zu langsam. Schließlich sind wir alle«, und dabei wanderte sein Blick von Bruder zu Bruder bis hin zur Schwester, »keine zwanzig mehr!«
Er sprach Claudia nun direkt an.
»Vereinfacht gesagt, geht es darum, unser Erbe sinnvoll einzusetzen. Ich meine, für die Zukunft unserer Heimatgemeinde, nicht für die der gesamten Menschheit«, fügte er lächelnd hinzu. »Ich bin dafür, in Arjeplog eine private Universität zu gründen, die drei anderen präferieren den Bau eines High-Tech-Zentrums.«
»Die Norrland-Silicon-Valley-Company«, spottete Birgitta, aber er ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen.
»Arjeplog hat bereits günstige Voraussetzungen dafür! Und die Einwohner haben gezeigt, dass sie bereit sind, sich jeder Herausforderung zu stellen. Infrastruktur, Engagement und Know-how dürfen doch nicht wieder in den Wäldern versumpfen!« Worauf er einen der Zwillinge ansah, der ihm beipflichtend zunickte.
»Unsere Schwester dagegen«, er beugte sich zu ihr und deutete einen Handkuss an, »denkt an eine Kunstmeile im weiteren Sinn. Mit angeschlossenen Verkaufsflächen zur Vermarktung des reichhaltigen Beeren- und Pilzangebots der Gegend. Um dem Kind einen Namen zu geben, an so etwas wie eine Einkaufs- und Vermarktungsgenossenschaft für Lebensmittel und Kunst.«
»Alles Folklore«, warf Carl Gustav ein, »bei den strukturellen Gegebenheiten der Region kann das nicht funktionieren! Norrbotten besitzt sechzig Prozent der Landfläche und nur dreizehn Prozent der Gesamtbevölkerung unseres schönen Landes. Keiner fährt für zwei...
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