Schweitzer Fachinformationen
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Im Flugzeug wurde es Fani übel. Sie musste sich nicht übergeben, doch ihr Gesicht wurde blass und ihre Lippen zitterten. Sie blickte starr vor sich hin, schnappte sich die kleine weiße Papiertüte und war nicht ansprechbar. Nach der Landung verschwand sie auf der Damentoilette in der Ankunftshalle und kam nicht mehr heraus.
Zakos wusste immer noch nicht, an welchem Fall sie überhaupt arbeitete und wie er ihr dabei helfen konnte. Er hockte eine halbe Ewigkeit auf der unbequemen Metallsitzbank und fragte sich, wie viel Zeit er an diesem merkwürdigen Tag wohl noch an Flughäfen verbringen müsste - langsam hatte er genug davon.
Als er schließlich überlegte, in der Damentoilette nach dem Rechten zu sehen, kam sie doch endlich aus der Tür. Sie hatte sich zurechtgemacht: Der feuchte Haaransatz zeugte davon, dass sie sich das Gesicht gewaschen hatte, außerdem war sie nun geschminkt, mit roten Wangen und dickem Gloss auf den Lippen. Ihre etwas abgewetzte schwarze Lederjacke hatte sie ausgezogen und sie über die Umhängetasche gehängt. Darunter kam ein rot-schwarz kariertes Hemd zum Vorschein - es war stickig hier, ganz anders als in dem von der Klimaanlage unterkühlten Athener Airport.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Fani. »Wir werden abgeholt. Das hat Jannakis organisiert, immerhin. Sonst würden wir wohl erst dann ankommen, wenn die Kollegen schon gar nicht mehr da sind!« Sie stürmte an ihm vorbei nach draußen, und er hetzte ihr hinterher.
Vor dem Gebäude wehte ein angenehmer Frühlingswind. Fanny sog die Luft ein und lächelte. »Jetzt geht's mir hundert Prozent besser«, sagte sie, und dann: »Ah, da drüben steht wohl unser Wagen!« Sie deutete auf ein in kurzer Entfernung wartendes Polizeifahrzeug und machte dessen Chauffeur - einem uniformierten Kollegen - ein Zeichen.
»Was war überhaupt los? Ich dachte, du wirst nie seekrank?«, wunderte sich Zakos. Er erinnerte sich, dass Fani stets damit geprahlt hatte, wenn sie sich einmal gemeinsam an Bord einer Fähre befunden hatten. »Sag bloß, du hast Flugangst. Warum hast du denn nichts gesagt .?«
»Blödsinn!«, gab Fani zurück. Es klang etwas zu heftig, um wahr zu sein. »Ich hatte keine Angst. Und jetzt komm endlich!«
Er blickte sie zweifelnd an. Sie schien ganz schön unter Strom zu stehen. Im Wagen verlor sie keine Zeit, holte ihr Handy heraus und tippte darauf herum.
»So, ich zeige dir jetzt zwei Tatorte«, erklärte sie in sehr sachlichem Ton. »Beides Aufnahmen aus Rhodos - ein guter Monat Zeitabstand. Hier ist die erste Tote, Anna Maltetsou, eine Hals-Nasen-Ohren-Ärztin, umgebracht in ihrer Wohnung. Wenn du runterscrollst, siehst du Mordfall Nummer zwei. Ebenfalls Ärztin, Orthopädin, Panajota Kolidi. Vergleich die beiden Toten, und sag mir, ob dir was auffällt!« Es klang nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl.
Zakos starrte Fani an. So kannte er sie gar nicht. Regelrecht ruppig kam sie ihm vor. »Seine« Fani war sanfter und auch ein wenig unsicher gewesen. Anlehnungsbedürftig. Die junge Frau, die nun neben ihm saß, wirkte nicht, als brauche sie Hilfe - dabei hatte sie doch seine Hilfe eingefordert!
»Was ist?«, fragte sie, schon wieder ungeduldig. »Wir haben nicht ewig Zeit!«
Bald darauf war Zakos die Bilder mit ihr durchgegangen. Geduldig hatte er die beiden Schlafzimmer, in denen die Frauen ermordet worden waren, miteinander verglichen. Eines davon war etwas verspielt, mit einem gerüschten Überwurf und vielen Kissen auf dem Bett - das Zimmer der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin. Das andere war eher schlicht und zweckmäßig eingerichtet mit dunklen Holzmöbeln und teuer wirkenden Lampen aus Messing und Milchglas - Panajota Kolidis Schlafzimmer. Er hatte sich zeigen lassen, wie die beiden Toten dagelegen hatten, anhand Fotos vom Tatort und einer Skizze, die die Haushälterin der ermordeten Orthopädin angefertigt hatte. Er hatte sich Akten und Gutachten vorlesen lassen, weil diese auf Griechisch abgefasst waren - und Zakos tat sich mit der griechischen Schrift einigermaßen schwer.
Schließlich hatte er private Fotos der beiden Frauen betrachtet, die Fani in den Wohnungen und aus Alben von dort abfotografiert hatte. Anna Maltetsou, die Jüngere, war pausbäckig, mit kurzem Haar und zusammengezogenen dunklen Augenbrauen, als beurteile sie das Leben stets kritisch. Das andere Opfer, Panajota Kolidi, wirkte freundlicher - eine Frau Mitte oder Ende fünfzig, die früher schön gewesen sein musste und es auf eine erwachsene Weise immer noch war, mit humorvollem Zwinkern in den Augen und einem vollen Mund. Er fand, dass sie sympathisch ausgesehen hatte. Doch Fani wollte etwas anderes hören.
»Ja, ja - aber was fällt dir sonst noch auf?«, bestürmte sie ihn. »Was verbindet die beiden Frauen?«
»Außer ihrem Beruf - nicht viel!«, erwiderte er. »Zwei vollkommen unterschiedliche Frauen.«
Fanis Mund verzog sich ärgerlich. »Aber das stimmt doch überhaupt nicht!«, rief sie aus. »Siehst du nicht die Überschneidungen? Sie waren nicht nur beide Ärztinnen, sie lebten auch beide auf Rhodos, genauer in Rhodos-Stadt. Sie betrieben dort auch jeweils ihre Praxis. Alle beide wurden im Schlafzimmer ermordet, aber nicht vergewaltigt. Sonderbar, oder? Außerdem lebten beide allein.«
»Wieso eigentlich?«, unterbrach Zakos sie. »Hatten sie denn keine Familie, keine Ehemänner, Freunde oder so?« Noch während er den Satz aussprach, merkte er, dass sich ihr Gesicht erneut unzufrieden verzog. Offenbar konnte er es ihr heute nicht recht machen. »Ich meine nur so - ich dachte, in Griechenland funktionieren die familiären Bande noch. Zumindest auf einer Insel wie Rhodos .« Es klang fast wie ein Rechtfertigungsversuch - so sehr verunsicherte ihn die neue, taffe Fani.
»Wo lebst du eigentlich?«, fiel sie ihm wieder ins Wort. »Darf denn eine Frau hier nicht allein und selbstbestimmt ihr Leben führen, wie überall sonst auf der Welt auch?«
»Natürlich, Fani, aber darum geht es jetzt doch gar nicht«, erwiderte er. »Ich sollte dir lediglich sagen, was mir einfällt. Brainstorming eben. Da ist jeder Gedanke erlaubt.«
»Ja, aber muss jeder Gedanke, den ihr Männer äußert, frauenfeindlich sein?« gab sie zurück, heftiger als angemessen, wie er fand.
»Ich bin nicht >ihr Männer<«, entgegnete Zakos und gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. Was brachte es, sich jetzt zu allem Überfluss auch noch zu streiten? »Ich bin lediglich ein einzelner Mann, und zwar einer, der seinen dreijährigen Sohn vernachlässigt, um den er sich gern in diesem Moment kümmern würde. Und das, um seiner Ex-Freundin - also dir - bei der Arbeit zu helfen. Und die ihn zum Dank dafür auch noch anfährt!«
»Entschuldige!«, sagte sie erschrocken - als habe die Heftigkeit ihrer Reaktion sie selbst überrascht.
»Wirklich, es tut mir leid!« Sie legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Ich bin einfach ein bisschen mit den Nerven durch. Natürlich ist jede Äußerung okay. Im Prinzip jedenfalls. Es ist nur so: Ich habe mir in letzter Zeit zu viele Machosprüche anhören müssen - ich flippe mittlerweile schon bei der kleinsten Kleinigkeit aus!«
»Jannakis!«, sagte Zakos. Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. Er kannte Fanis etwas derben Chef und seine Eigenheiten. »Nimm ihn doch einfach nicht ernst! Der kann nun mal nicht aus seiner Haut. Aber an sich hat er einen guten Kern.«
»Er nervt aber trotzdem!«, konterte Fani. »Und bezüglich des guten Kerns bin ich mir gar nicht sicher. Außerdem: Aus der Distanz mag er ja ganz originell sein, aber ich muss ihn tagein, tagaus ertragen - da vergeht einem das Lachen! All seine blöden Kommentare! Und dann das ständige Gequalme, die geschmacklosen Witze. Er macht mir wirklich das Leben schwer. Ständig muss ich bei ihm um meine Position kämpfen, als wäre ich immer noch eine kleine Anfängerin.«
»So sieht er dich nicht!«, widersprach Zakos. »Wenn er mit mir spricht, dann schwärmt er regelrecht von dir. Außerdem: Er hat dich doch seinerzeit extra zu sich nach Rhodos geholt!«
»Pah! Wahrscheinlich wollte er eine Art Sekretärin aus mir machen!«, sagte sie.
Zakos lachte. Fani mit ihrer sperrigen Art wäre die Letzte, die sich für einen Sekretärinnen-Job empfehlen würde.
»Doch, das ist mein Ernst: Er will mich degradieren, für ihn bin ich eben einfach nur - sein Mädchen. Darum versucht er zum Beispiel jeden Tag, mich dazu zu bringen, auf meinem Arbeitsweg Kaffee für die Abteilung mitzubringen. Ja - wer bin ich denn?«
»Oje!«, meinte Zakos.
»Aber ehrlich gesagt ist er nicht der Einzige, der mir auf die Nerven fällt. Eigentlich sind die meisten der Kollegen eine Zumutung - einer, Valantis, hält...
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