Schweitzer Fachinformationen
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Als Fuchs nachts um 2.30 Uhr nach seiner Tour durch die bekanntesten Discos und Bars in und um Hamburgs Stadtteil Fuhlsbüttel aufs Motorrad stieg, um nach Hause zu fahren, drehte er den Gashebel lauter auf, als nötig, sodass das satte Dröhnen seiner Honda die Nacht erfüllte. Er war frustriert. Jetzt hatte er sich drei Stunden lang mit unfreundlichen Türstehern, überarbeiteten Kellnerinnen und angespannten Barkeepern auseinandergesetzt, hatte gegen den dröhnenden Beat der Musik angeschrien und Dutzenden von schwitzenden Tänzern Saschas Foto vor die Nase gehalten, ohne den geringsten Erfolg. Niemand hatte den unscheinbaren Jungen mit der Brille gesehen, geschweige denn, dass jemand dem Detektiv sagen konnte, wo er sich aufhielt. Offensichtlich war Sascha kein Discogänger.
Unzufrieden fuhr Fuchs los. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten, was der morgige Tag bringen würde, wenn er mit Saschas Lehrern und Mitschülern sprach. Trotz der späten Stunde fühlte er sich kein bisschen müde. Er beschloss, einen kleinen Umweg zu machen und beim Haus der Geschwister Birkmeier vorbeizufahren, um sich den Schmuckladen anzusehen. Womöglich war es sein untrüglicher Ermittlerinstinkt, der ihn dazu veranlasste, denn als er in den Erdkampsweg einbog, an dem das Geschäft lag, sah er schon von Weitem das rotierende Blaulicht eines Polizeiautos und das gelbe Warnlicht eines Krankenwagens. Was ist denn da passiert, dachte er alarmiert. Er stoppte seine Maschine vor dem rot-weißen Absperrband, mit dem die Polizei den Ort gesichert hatte, und gesellte sich zu der kleinen Schar von Schaulustigen, die sich trotz der nächtlichen Stunde dort versammelt hatten.
»Was ist denn hier los«, fragte Fuchs den Zuschauer neben sich, der mit Pantoffeln an den Füßen und einer Jacke über seinem Schlafanzug dastand.
»Es ist ein Schuss gefallen«, antwortete der Mann, »vielleicht ein Überfall.«
Die Tür zu dem kleinen Juwelierladen, der zwischen einem Schuhgeschäft und einem Café lag, stand offen. Fuchs beobachtete, wie zwei Sanitäter eine Person, die auf einer Trage lag, eilig zu dem Rettungswagen schoben und dort hineinhievten. Kaum war die Tür geschlossen, brauste das Gefährt mit eingeschaltetem Martinshorn los. Oh Gott, dachte Fuchs, das wird doch nicht Carlotta Birkmeier gewesen sein! Er hob das Absperrband an und wollte darunter hindurchschlüpfen, aber ein Uniformierter mit entschlossener Miene stellte sich ihm in den Weg.
»Bitte lassen Sie mich durch«, bat Fuchs. »Ich kenne die Familie. Was ist denn passiert?«
»Ein Überfall«, ließ der Polizist ihn wissen. Misstrauisch fügte er hinzu: »Was haben Sie um diese Uhrzeit hier zu suchen?«
»Frau Birkmeier, die hier wohnt, hat mich engagiert. Er geht um ihren Bruder. Ich bin privater Ermittler.«
Er zückte seinen Ausweis und hielt ihn dem Beamten unter die Nase. Der studierte ihn sorgfältig. »Privatdetektiv, aha.« Immer noch skeptisch musterte er Fuchs ausgiebig. »Warten Sie hier«, beschied er ihn dann, drehte sich um und marschierte zu einer jungen Frau, die gerade aus der Tür des Ladens trat. Er wechselte ein paar Worte mit ihr und wies dabei auf Fuchs, der ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Während die Polizistin mit schnellen, entschlossenen Schritten auf ihn zukam, registrierte Fuchs gewohnheitsmäßig ihr Äußeres: Ende 20, sportliche Figur, Jeans, T-Shirt und Wolljacke, blonder Pferdeschwanz. Das Gesicht müde, aber voll konzentriert. Als sie bei ihm angekommen war, zog sie einen Ausweis aus ihrer Hosentasche.
»Kriminaloberkommissarin Julie Sommer«, stellte sie sich vor. »Wer sind Sie?« Ihre Stimme klang energisch, aber nicht unfreundlich. Im Schein der Straßenbeleuchtung und des blauen Blinklichtes sah ihr Gesicht blass aus.
»Fuchs. Privatermittler. Frau Birkmeier hat mich engagiert. Ich war gerade auf dem Rückweg von einer Recherche, als ich das Polizeilicht sah. Was ist denn hier passiert? Ist was mit den Geschwistern Birkmeier?«
Julie Sommer betrachtete ihn prüfend. Er hielt ihrem kühlen Blick ruhig stand, wobei er bemerkte, dass ihre Augen grünlich schimmerten, wie die von Lady.
»Die Fragen stelle ich hier«, beschied die Kommissarin ihn knapp. »Worin besteht Ihr Auftrag?«
Unter ihrem Blick, der ihn noch einmal von Kopf bis Fuß taxierte, fühlte Fuchs sich wie ein Insekt unter dem Mikroskop. Er versuchte ein Grinsen.
»Schweigepflicht, Frau Kommissarin. Meine Mandantin hat ein Recht auf meine Diskretion. Das sollten Sie aber wissen.«
Ein knappes Nicken ihrerseits. »Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihr.«
Sie hob das Band an, sodass Fuchs hindurchschlüpfen konnte. Dabei nahm er ihren Duft wahr: frisch, irgendwas mit Lavendel und frisch gemähtem Gras. Während er neben ihr herging, musterte er sie unauffällig von der Seite. Eine hohe Stirn, kurze gerade Nase, ein großzügiger Mund, der im Moment herb geschlossen war, ein kleines energisches Kinn. Durchaus sympathisch, dachte Fuchs, wenn sie nur nicht so dienstlich wäre.
Sie betraten den Juwelierladen, dessen Fenster mit einem metallenen Rollladen gesichert waren. Das Innere des etwa 30 Quadratmeter großen Raumes zeigte die typische Ausstattung eines Schmuckgeschäftes: unterschiedliche Vitrinen, eine Ladentheke mit Designerstücken unter einer Glasplatte, zahlreiche geschmackvolle Dekorationsgegenstände. Der cremefarbene Teppichboden war übersät mit Scherben, die von den zerschlagenen Vitrinen stammten. Halsketten, Armbänder und Ringe lagen verstreut zwischen den Glassplittern. Zwei Männer in weißen Schutzanzügen waren dabei, Spuren zu sichern. Carlotta Birkmeier saß in Schlafanzug und Morgenmantel auf einem Hocker, eine Polizeidecke um die Schultern. Ihr Gesicht war leichenblass, die Augen gerötet, das Haar unordentlich. Als sie Fuchs erkannte, brach sie in lautes Weinen aus. Wortlos setzte der Detektiv sich zu ihr, legte den Arm um sie und drückte sie tröstend an sich. Über ihren Kopf hinweg warf er der Kommissarin einen fragenden Blick zu. Julie Sommer zuckte die Schultern. Sachlich erklärte sie: »Frau Birkmeier hat um 2.55 Uhr den Notruf betätigt, weil sie Einbrecher überrascht hat. Es ist ein Schuss gefallen. Die Kugel hat einen der Einbrecher getroffen. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus. Der zweite Täter ist geflohen. Eine Schusswaffe wurde nicht gefunden. Bisher war Frau Birkmeier nicht in der Lage, uns etwas über die Ereignisse mitzuteilen. Vielleicht bringen Sie sie dazu, uns zu erzählen, was hier geschehen ist, Herr Fuchs.«
»Aber Sie sehen doch, dass die Frau unter Schock steht, Frau Kommissarin«, wies Fuchs die Polizistin zurecht. »Sie muss erst einmal zur Ruhe kommen.« An die zitternde Goldschmiedin gewandt, sagte er mit sanfter Stimme: »Ich werde erst einmal bei Ihnen bleiben, wenn Sie erlauben, Frau Birkmeier.«
Carlotta nickte. Sie versuchte, ihr Schluchzen unter Kontrolle zu bringen, was ihr nur teilweise gelang.
Kommissarin Sommer überlegte einen Moment. »Also gut. Wir müssen sowieso zuerst die Ergebnisse der KTU abwarten«, entschied sie. Sie ging in die Hocke, um Carlotta ins Gesicht sehen zu können. »Ich komme morgen Früh gegen 9 Uhr zu Ihnen, um Ihre Aussage aufzunehmen, Frau Birkmeier. Ruhen Sie sich aus. Wir tun alles, um die Räuber zu fassen.«
Sie wandte sich an Fuchs. »Ich hoffe, Sie unterstützen uns bei unserer Arbeit, Herr Detektiv. Wenn Sie etwas wissen, was uns bei unseren Ermittlungen helfen könnte, müssen Sie es uns unverzüglich sagen, ist Ihnen das klar?«
»Natürlich, Frau Kommissarin, selbstverständlich!«, beeilte sich Fuchs, ihr zu versichern. Dabei setzte er sein unschuldigstes Gesicht auf.
Die Männer von der Spurensicherung hatten inzwischen ihre Arbeit beendet, und Julie Sommer verließ mit ihnen den Raum.
»Wir gehen am besten in Ihre Wohnung, Frau Birkmeier«, sagte Fuchs. Fürsorglich fasste er die Decke und zog sie fester um die schmale Gestalt der jungen Frau. »Kommen Sie! Sie zittern ja.«
Carlotta stand auf und wandte sich der Werkstatt zu, durch die es zum Treppenhaus ging. Der Detektiv folgte ihr in ihre Wohnung, die direkt über dem Laden lag. Er war ernsthaft besorgt um die junge Frau, deren Gesicht immer noch eine geisterhafte Blässe zeigte. In dem modern eingerichteten Wohnzimmer ließ Carlotta sich auf die Couch fallen.
»Sie brauchen jetzt etwas Starkes zu trinken, Carlotta. Wo haben Sie Ihren Alkoholvorrat?« Fuchs war unwillkürlich dazu übergegangen, die Juwelierin beim Vornamen zu nennen, wohl wegen der Beschützerrolle, die ihm, ohne dass er es wollte, zugewachsen war.
Carlotta wies mit dem Kinn zu der Regalkombination, wo in einem Glasfach einige Flaschen und Gläser standen. Fuchs öffnete eine Flasche Cognac, schenkte einen Schwenker halb voll und reichte ihn der jungen Frau. Carlotta trank einen großen Schluck und schüttelte sich. Zufrieden beobachtete Fuchs, wie allmählich wieder etwas Farbe in ihre Wangen zurückkehrte. Er setzte sich neben sie und nahm ihre eiskalte Hand in seine warme. Sanft fragte er:
»Glauben Sie, dass Sie mir erzählen können, was geschehen ist?«
Carlotta versuchte, sich zu sammeln. Sie nahm ein Kleenextuch aus einer Schachtel, die auf dem Couchtischchen stand, wischte sich das tränenfeuchte Gesicht ab und putzte sich die Nase.
»Es geht schon wieder«, behauptete sie tapfer. Der Blick, der Fuchs aus ihren Rehaugen traf, zeigte jedoch eine solch abgrundtiefe Verzweiflung, dass er sich fragte, was sie so erschüttert haben konnte. Es war zwar sicher ein furchtbarer Schreck gewesen, die Juwelenräuber auf frischer Tat zu ertappen, aber war...
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