Schweitzer Fachinformationen
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November 1971
Der Alarm schrillte, und Forrest Malone schreckte auf.
»Tiefe?«, rief er.
»Zweihundert Meter.«
»Was liegt unter uns?«
»Weitere siebenhundert Meter kaltes Wasser.«
Angespannt sah er auf die Messanzeigen, Messuhren und Thermometer. In der winzigen Kommandozentrale saß der Seitenrudergänger zu seiner Rechten und der Tiefenrudergänger eingeklemmt zu seiner Linken; beide Männer hatten die Hände um Steuerknüppel gelegt. Die Stromversorgung ging an und aus.
»Auf zwei Knoten verlangsamen.«
Das U-Boot schlingerte im Wasser.
Das Alarmsignal verstummte. In der Kommandozentrale war es plötzlich dunkel.
»Captain, Meldung aus dem Reaktorraum. Bei einem der Regelstäbe hat es einen Kurzschluss gegeben.«
Malone begriff, was passiert war. Der in die störanfällige Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automatisch die anderen Regelstäbe einfahren lassen - die Schnellabschaltung des Reaktors war eingeleitet worden. Nun gab es nur noch eine mögliche Reaktion. »Auf Batterien umschalten.«
Matte Notleuchten gingen an. Flanders, Malones Leitender Ingenieur und ein energischer und tüchtiger Mann, auf den er sich verlassen konnte, trat in die Kommandozentrale. Malone sagte: »Schießen Sie los, Tom.«
»Ich weiß nicht, wie schwer der Zwischenfall ist oder wie viel Zeit wir zur Reparatur benötigen werden, aber wir müssen den Stromverbrauch senken.«
Die Stromerzeugung war auch schon früher zusammengebrochen, sogar schon mehrere Male, und Malone wusste, dass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch für zwei Tage Strom hatten. Auf genau diese Art von Situation hatte seine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitet, aber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor laut Handbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren werden. Falls mehr Zeit verging, musste das Boot zum nächstgelegenen Hafen gebracht werden.
Der aber lag über zweitausend Kilometer entfernt.
»Schaltet alles ab, was wir nicht brauchen«, sagte Malone.
»Captain, es wird schwer werden, das Boot im Gleichgewicht zu halten«, bemerkte der Seitenrudergänger.
Malone kannte das Archimedische Prinzip. Ein Objekt, das genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumens, sank nicht, noch stieg es auf. Vielmehr schwebte es im Wasser. Jedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzip und wurde mit Antriebsmaschinen, die für den nötigen Schub sorgten, unter Wasser manövriert. Ohne Elektrizität hatten sie keinen Antrieb, kein Tiefenruder und konnten keine Fahrt machen. All diesen Problemen wäre durch das Aufsteigen an die Wasseroberfläche leicht zu begegnen gewesen, aber über ihnen war nicht der offene Ozean. Sie steckten unter einer Eisdecke fest.
»Captain, der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck im Rohrleitungssystem.«
»Ein kleineres Leck?«, fragte Malone. »Gerade jetzt?«
»Es wurde schon früher entdeckt, aber jetzt, da die Stromversorgung zusammengebrochen ist, wird um die Genehmigung gebeten, ein Ventil zu schließen, um das Leck zu unterbinden, damit ein Schlauch ersetzt werden kann.«
Logisch. »Genehmigt. Und ich hoffe, das waren jetzt die letzten schlechten Nachrichten.« Er wandte sich dem Sonarmann zu. »Ist vor uns irgendetwas?«
U-Boot-Mannschaften lernten von denen, die vor ihnen die Meere befahren hatten, und die Ersten, die mit zugefrorenen Meeren gekämpft hatten, hatten zwei Lektionen weitergegeben: Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes, wenn es nicht sein muss. Wenn es sich aber nicht vermeiden lässt, fahre langsam mit dem Bug gegen das Eis, schiebe sanft und bete.
»Voraus ist alles klar«, meldete der Sonarmann.
»Wir beginnen zu treiben«, sagte der Seitenrudergänger.
»Gegensteuern. Aber Vorsicht mit dem Energieverbrauch.«
Plötzlich schoss der Bug des U-Boots nach unten.
»Was zum Teufel .?«, murmelte Malone.
»Hecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestellt«, schrie der Tiefenrudergänger, der aufsprang und heftig am Steuerknüppel zerrte. »Sie reagieren nicht.«
»Blount!«, brüllte Malone. »Helfen Sie ihm.«
Der Angerufene kam aus dem Sonarraum gestürmt und eilte dem Tiefenrudergänger zu Hilfe. Die Abwärtsfahrt wurde noch steiler. Malone hielt sich am Kartentisch fest, während alles, was nicht befestigt war, lawinenartig vorwärtsstürzte.
»Tiefenrudernotkontrolle!«, brüllte Malone.
Die Abwärtsfahrt wurde noch steiler.
»Über fünfundvierzig Grad Neigung«, meldete der Seitenrudergänger. »Tiefenruder ist noch immer auf Abtauchen gestellt. Es funktioniert nicht.«
Malone packte den Tisch fester und kämpfte um sein Gleichgewicht.
»Dreihundert Meter, und es geht noch weiter nach unten.«
Die Tiefenanzeige änderte sich so schnell, dass die Ziffern verschwammen. Das Boot war bis tausend Meter tauchfähig, aber der Meeresgrund näherte sich rasch, und der Außendruck des Wassers stieg - wenn es zu schnell ging, würde der Rumpf implodieren. Aber die Aussicht, mit voller Fahrt den Meeresgrund zu rammen, war auch nicht gerade angenehm.
Es blieb nur noch ein einziger Ausweg.
»Notgang rückwärts. Alle Ballasttanks anblasen.«
Das Boot erzitterte, als die Maschinerie Malones Kommando gehorchte. Die Propeller drehten in die Gegenrichtung und Druckluft donnerte in die Tanks und drängte das Wasser hinaus. Der Seitenrudergänger hielt den Steuerknüppel fest. Der Tiefenrudergänger bereitete sich auf das vor, was, wie Malone wusste, gleich bevorstand.
Das Boot bekam wieder Auftrieb.
Die Fahrt nach unten verlangsamte sich.
Der Bug wanderte nach oben, bis das Schiff wieder horizontal lag.
»Balancieren Sie das Boot aus«, befahl Malone. »Halten Sie uns im Schwebezustand. Ich will nicht aufsteigen.«
Der Tiefenrudergänger reagierte auf sein Kommando.
»Wie weit noch bis zum Meeresgrund?«
Blount kehrte in den Sonarraum zurück. »Siebzig Meter.«
Malones Blick schoss zur Tiefenanzeige hinüber. Achthundert Meter. Der Rumpf ächzte unter dem Druck, hielt aber stand. Sein Blick heftete sich auf die Öffnungsanzeigen. Die Signalleuchten zeigten, dass alle Ventile geschlossen waren und dass es keine Lecks gab. Endlich einmal eine gute Nachricht.
»Setzen Sie uns ab.«
Der Vorteil, den dieses U-Boot gegenüber anderen besaß, bestand darin, dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte. Das war einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots - so wie das ärgerlich heikle Antriebs- und Steuerungssystem, dessen Schwächen ihnen gerade eben eindringlich vor Augen geführt worden waren.
Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf.
Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke. Keiner sagte etwas. Das war auch nicht nötig. Malone wusste, was sie dachten: Das war knapp.
»Wissen wir, was passiert ist?«, fragte er.
»Der Maschinenraum meldet, dass beim Schließen des Ventils für die Reparatur die normale Steuerung, die Notsteuerung und die Tauchsysteme ausgefallen sind. Das ist noch nie zuvor passiert.«
»Könnten Sie mir etwas erzählen, was ich nicht schon weiß?«
»Das Ventil ist jetzt wieder geöffnet.«
Er lächelte über die ausweichende Antwort seines Leitenden Ingenieurs: Wenn ich mehr wüsste, würde ich es Ihnen sagen. »Okay, sagen Sie den Leuten, dass sie die Reparatur durchführen sollen. Was ist mit dem Reaktor?«
Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hatten sie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht.
»Noch immer abgeschaltet«, antwortete der Erste Offizier.
Die Stunde, die ihnen für den Neustart des Systems zur Verfügung stand, verstrich schnell.
»Captain!«, rief Blount aus dem Sonarraum. »Wir haben außerhalb des Rumpfs etwas entdeckt. Mehrere feste Objekte. Wir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegen.«
Malone beschloss, ein wenig Strom zu opfern. »Kameras und Außenleuchten anschalten. Aber nur ein kurzer Blick, dann machen wir wieder aus.«
Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klares Wasser, in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm. Das U-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben, die kreuz und quer auf dem Meeresgrund verstreut lagen.
»Merkwürdig«, sagte einer der Männer.
Auch Malone war es aufgefallen. »Das sind keine Gesteinsbrocken. Es sind behauene Steine. Und zwar große. Kuben und Würfel. Zoomen Sie einen heran.«
Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera auf einen der Steine aus.
»Heilige Scheiße«, sagte der Erste Offizier.
In den Stein war etwas eingraviert. Keine Schrift, die Malone kannte. Es war ein abgerundeter, fließender Kursivstil. Einzelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiert, aber er konnte nichts lesen.
»Auf den anderen Steinblöcken steht auch etwas«, sagte Blount, und Malone studierte die restlichen Bildschirme.
Sie waren von Verfall umgeben, und die Steinblöcke ragten um sie herum auf wie Geister.
»Schalten Sie die Kameras aus«, befahl Malone. Im Moment war der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge, nicht die Neugierde. »Können wir hier ungefährdet liegen bleiben?«, fragte er.
»Wir haben auf einer freien Stelle aufgesetzt«, erklärte Blount. »Alles ist in Ordnung.«
Ein Alarmsignal ertönte. Malone erkannte auf der Anzeige, dass es um die Elektrik ging.
»Captain, Sie werden vorn gebraucht!«, schrie der Erste Offizier über das Fiepen hinweg.
Malone stolperte aus der Kommandozentrale...
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