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Er lebte und schrieb am Rande der Gesellschaft, schockierte seine Boheme-Freunde in Berlin mit dem Besuch einer Dienerschule und entwickelte später in Bern einen urban-nomadischen Lebensstil, bevor er den Rest seines Lebens in einer Heil- und Pflegeanstalt verbrachte. Ob als Antiheld und romantischer Einzelgänger, als »Verlocker zur Freiheit« (Morgenstern) oder als »Hellseher im Kleinen« (Sebald) - Robert Walser wurde glühend verehrt und hat viele maßgeblich beeinflusst: Franz Kafka, Walter Benjamin und Robert Musil ebenso wie Thomas Bernhard, Paul Nizon, Sibylle Lewitscharoff und Elfriede Jelinek.
In ihrer sorgfältig recherchierten und reich bebilderten Biografie wirft Susan Bernofsky einen nuancierten Blick auf Walsers faszinierendes Leben und Werk. Gestützt auf neue Quellen, unbekannte Texte, Briefe und weitere biografische Dokumente lotet sie seinen Rang im literarischen Diskurs seiner Zeit aus wie auch die unbestrittene Relevanz seines Werks für die heutige. Vor allem aber gelingt ihr ein mitreißend erzähltes Buch, das auch diejenigen für Walser begeistert, für die er noch nicht Kultstatus hat.
Es ist noch nicht so lange her, da war Robert Walser (1878-1956) der so ungefähr größte moderne Autor, dessen Namen kaum jemand kannte. Obwohl er als junger Schriftsteller über sein Geburtsland Schweiz hinaus von vielen bewundert wurde, unter anderem von Zeitgenossen wie Franz Kafka, Robert Musil, Hermann Hesse und Thomas Mann, war er in seinem späteren Leben fast vergessen - eine Vergessenheit, die ihn überdauerte. Erst nach seinem hundertsten Geburtstag wurde sein Werk wiederentdeckt und von neuen Generationen von Lesenden und Literaturwissenschaftler:innen begeistert aufgenommen. Mochte er ursprünglich als ein »writer's writer« gelten, den vor allem andere Autoren für seine brillante Kurzprosa feierten, so ist Walser heute als eine der ungewöhnlichsten und originellsten Stimmen des frühen 20. Jahrhunderts anerkannt. Verehrt wird er zumal als literarischer Antiheld, der am Rande der Gesellschaft lebte und schrieb, als romantischer Außenseiter.
Von Walsers Lebensgeschichte ist am ehesten bekannt, dass er in jungen Jahren eine Banklehre absolvierte und sich zum Diener ausbilden ließ, später aber Jahrzehnte in einer psychiatrischen Klinik verbrachte, bevor er auf einem einsamen Spaziergang im Schnee starb. Eines seiner bekanntesten Werke ist Jakob von Gunten, sein Roman über eine Dienerschule, auf dem der Film Institute Benjamenta der Gebrüder Quay beruht; auch seine Kurzprosa genießt, in immer neuen Zusammenstellungen, einen stabilen Nachruhm. Wer erst in jüngerer Zeit auf Walser gestoßen ist, wird vielleicht als Erstes von den Mikrogrammen gehört haben, Manu8skripten, die er in der letzten Phase seines Autorendaseins in winzig kleiner Schrift verfasste - allerdings nicht nur in seiner Zeit als stationärer Patient, wie oft fälschlicherweise angenommen wird.
Obgleich dies zweifellos wichtige Elemente seiner Lebensgeschichte sind, ergeben sie doch zusammengenommen ein etwas irreführendes Bild der Person und des Autors Robert Walser. Mit dem vorliegenden Buch versuche ich, die vielen Lücken zu schließen und ein Porträt des Künstlers als professionellen Literaten zu zeichnen, als eines meisterhaften Handwerkers, der auf seinem Weg zahlreiche Hindernisse zu überwinden hatte, aber unbeirrt an seiner Kunst festhielt. Den Großteil seines Schriftstellerlebens schlug sich Walser mit den bescheidenen Einkünften aus seiner Feder durch, vor allem als Verfasser von Zeitungsfeuilletons - kurzen Skizzen oder Anekdoten aus dem täglichen Leben -, ein Genre, das er in ein Medium spektakulärer Erzählkunststücke verwandelte.
Der falsche Eindruck von Walser als einem eher unbedeutenden Schriftsteller ist bis zu einem gewissen Grad dem Umstand geschuldet, dass er selbst eine Form des Kleinen kultivierte, indem er sein Werk »minderen« Gegenständen und scheinbar bescheidenen Motiven widmete. Mit dem Erspinnen von Geschichten über vermeintlich Belangloses predigte er ein Evangelium der übersehenen Wunder, die uns umgeben, was W.G. Sebald dazu veranlasste, ihn einen »Hellseher im Kleinen« zu nennen. »Man braucht nicht viel Besonderes zu sehen«, bekundet einer von Walsers Erzählern. »Man sieht so schon viel.« Weil er das Schlichte und Unscheinbare pries, wird Walser heute von vielen geschätzt, für die er sich mit dieser Haltung der verhängnisvollen Verdinglichung des zeitgenössischen Lebens verweigerte und widersetzte.1
Nachdem er die Schule mit 14Jahren aus finanziellen Gründen hatte abbrechen müssen, machte Walser in seiner Geburtsstadt Biel eine Lehre als Bankkaufmann, während er gleichzeitig davon träumte, Schauspieler zu werden. Nach Zürich umgezogen, wo er in der Buchhaltung einer Versicherung arbeitete, veröffentlichte er 9seine ersten Gedichte und gab anschließend seine Stelle auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bald nach dem Erscheinen seines ersten Buches, Fritz Kocher's Aufsätze, zog er nach Berlin und schloss sich seinem Bruder Karl an, einem Kunstmaler und Bühnendekorateur. Die beiden wurden berüchtigt für ihre Possen und ihr ungestümes Verhalten, zwei Enfants terribles, die unter den kreativen Geistern Berlins vor dem Sündenfall, einer Brutstätte literarischer und kultureller Rastlosigkeit, ihr Unwesen trieben. Dank seines Bruders standen Walser gehobene künstlerische Kreise offen. Doch fühlte er sich unwohl in solch höherer Gesellschaft. Er rebellierte, indem er eine Dienerschule absolvierte - sehr zum Anstoß seiner Künstlerkollegen. Selbst nachdem er begann, als Schriftsteller zu »reüssieren« - in rascher Folge schrieb er drei Romane, die von der Kritik und etwa von Robert Musil wohlwollend aufgenommen wurden -, erreichten seine Bücher kein großes Publikum; sie waren zu verschroben, zu ostentativ schlicht, zu schweizerisch. Und obwohl seine Kurzprosa von anderen Schriftstellern bewundert wurde (Kafka liebte es, Walser zu deklamieren), hatte der junge Träumer seine Glanzzeit bald überschritten und bekam eine Schreibblockade. Geschlagen zog er sich wieder in die Schweiz zurück.2
Hier beginnt Robert Walsers wahre Karriere. Nachdem sein Traum von literarischem Ruhm im Sande verlaufen war, begann er mit Formen von Kurzprosa zu experimentieren, die er im Lauf der folgenden zwei Jahrzehnte zu hochmodernen Meisterwerken fortentwickelte, seiner eigentlichen Leistung. Über den feuilletonistischen Essay, von dem er ausging, legte er immer neue Schichten beschreibender Ausschmückung und Metaphorik, bis er kunstvolle Prosabauten um die einfachsten Themen konstruiert hatte, die mit fiktiven Elementen durchsetzt waren, sodass sich unmöglich sagen ließ, wo der Aufsatz endete und die Geschichte begann.
Unter Walsers Protagonisten finden wir Kinder, gesellschaftliche Außenseiter, Künstler, die Armen, Abgesonderten und Vergessenen. All diese Figuren neigen dazu, in bemerkenswert gelehrten, 10wohlgeformten und vor allem langen Sätzen zu sprechen, deren Komplexität und Intelligenz die vordergründige Unscheinbarkeit derjenigen Lügen strafen, die sie von sich geben. Als scharfer Beobachter von Machtgefällen schreibt er über Diener, deren Brotherren sich innerlich vor ihnen ducken, weil sie begreifen, wie prekär ihre Vormachtstellung ist, die entweder freiwillig anerkannt oder physisch erzwungen werden muss. So finden sich die Mächtigen in der Position wieder, den guten Willen ihrer Untergebenen zu ersehnen, und obwohl mit einem Machtverzicht verbunden, beschreibt Walser diesen Akt als einen freudvollen, stärkenden.
Walsers Universum ist von Ironie durchzogen. Nicht jedoch der sardonischen und mitunter sarkastischen Variante, wie man sie etwa mit Thomas Mann verbindet. Die Walser'sche Ironie entspringt einer ganz anderen Weltanschauung. In der Durchdringung von Bescheidenheit und einer fantastischen sprachlichen Opulenz lösen sich Walsers Worte von dem Terrain, das sie zu verzeichnen scheinen, steigen auf und entwerfen so verzaubernde Arabesken, dass die vermeintliche »Bedeutung« eines Satzes zu seinem unwichtigsten Aspekt wird.
Walsers Prosastücke ranken sich um ihre Themen und versammeln dabei Beobachtungen, Gedanken und Einsichten, bis die gesamte Menschheitsgeschichte beispielsweise in dem simplen Vorgang, ein Bild zu betrachten, enthalten zu sein scheint. Die dichte Textur seiner Prosa rückt den Schreibprozess selbst in den Vordergrund, während sich in ihrer syntaktischen und semantischen Komplexität der nervenaufreibende, von Ängsten geplagte, euphorische Geist des modernen Zeitalters widerspiegelt. Seine späteren Erzählungen zeichnen sich durch abrupte Themenwechsel und Richtungsänderungen aus; vielleicht dass ein neuer Satz durch einen Reim ausgelöst wird, der zu einer Assoziation oder Metapher führt, aus der sich eine eigene Teilerzählung entspinnt. Seine gewundenen Sätze parodieren das Bürokratendeutsch, indem sie dessen Strukturen mit verwirrenden Formulierungen füllen. Die relativierenden Adverbien, zu denen...
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