Schweitzer Fachinformationen
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Er beeilte sich nicht sonderlich, er wollte in erster Linie gründlich sein.
Drei Stangen TNT klebte er im vorderen Bereich unter den Mercedes-Sprinter, so dass bei der Explosion der Tank aufgerissen würde. Er wollte keine Überlebenden. Vier Stangen klebten schon im hinteren Bereich dicht an der Achse. Die Ladungen würden den Kleinbus wie eine Sardinendose aufreißen.
Es war jetzt 4:15 Uhr.
Totenstille. Das Licht in der Tiefgarage des Hotels war mattgelb und reichte kaum aus, um eine Zeitung lesen zu können. Er mochte den Ort nicht, hasste den Geruch von feuchtem Beton und Vernachlässigung. Unvermittelt quietschte rechts von ihm das Scherengitter der Einfahrt, ein breiter gelber Lichtfinger kündigte ein Fahrzeug an. Er glitt hinter das Heck eines großen silbernen Jeeps und stand einfach still.
Es war ein schwarzer BMW. Ein Paar stieg aus. Der Mann sagte auf Englisch: »Mein Gott, bin ich müde.« Seine Stimme hallte ein wenig nach. Die Frau antwortete nicht, sie eilte in Richtung Aufzug, und ihre hochhackigen Schuhe knallten bei jedem Schritt wütend auf den Beton. Dann drehte sie sich plötzlich um und zischte empört: »Weshalb musstest du eigentlich diese blöde Zicke so anhimmeln? Und wann hörst du endlich auf, ewig die gleichen dämlichen dreckigen Witze zu erzählen? Außerdem hast du schon wieder zu viel getrunken.«
Ihr Begleiter antwortete nicht.
John wartete, bis sie im Aufzug waren. Dann nahm er das Handy. Er schaltete es probeweise auf die beiden Ladungen Sprengstoff. Die Anzeige leuchtete sofort auf. Es funktionierte.
Während er seine Utensilien einpackte, betete er demütig zu seinem Gott und bat ihn um Hilfe. Beten war ungeheuer wichtig, es machte ihn ruhig und gelassen.
Als er die Tiefgarage über einen Treppenaufgang verließ, war es 4:28 Uhr. Der Wachmann in seinem Glaskasten bewegte sich nicht. Er hatte den Kopf tief gesenkt, wahrscheinlich schlief er.
Es wurde Tag, auf dem breiten Boulevard eilten die ersten Frühaufsteher zu ihren Arbeitsplätzen, die ersten Busse fuhren. Er schlenderte zu seinem Leihwagen, den er in einer Seitenstraße abgestellt hatte, setzte sich hinter das Steuer und zog die Einmalhandschuhe von seinen Händen. Dann öffnete er einen blauen Leinenbeutel mit verschiedenen Utensilien, um sein Aussehen ein wenig zu verändern.
Nur wenige Minuten später startete er den Wagen und fuhr gemächlich in Richtung Norden aus der Stadt hinaus.
Er kannte den Weg der beiden Familien genau. Sie würden gegen acht in den Mercedes-Kleinbus steigen und dann geruhsam auf einer kleinen, schmalen Straße ziemlich genau elf Kilometer zurücklegen. Sie würden den schmalen Streifen Buschwald queren, dann in die Hügel eintauchen, um letztlich bei der Gruppe neuer Häuser anzuhalten, in denen die Großeltern lebten.
Er war ganz sicher, dass der Mercedes die alten Leute nicht erreichen würde.
Er fuhr durch eine tiefe Senke in dem Waldstreifen und bog auf der nächsten Höhe von der schmalen Straße ab, um seine Position zu erreichen. Nachdem er dem unbefestigten Weg etwa zweihundert Meter gefolgt war, stieg er aus. Von dem Punkt aus konnte er die Senke gut einsehen. Er befand sich unmittelbar darüber, etwa zwanzig Meter höher und nur knapp hundert Meter entfernt. Ein Logenplatz. Er sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe war, dann wartete er geduldig.
Der Kleinbus tauchte um 8:35 Uhr in seinem Blickfeld auf und rollte langsam dahin. Er vermutete, dass eine der Ehefrauen ihn fuhr. Auf diesem Stück Straße war der Bus jetzt das einzige Fahrzeug.
Dann war da plötzlich ein Mann. Ein Mann mit einem zweirädrigen Karren und einem Pferd davor. Er musste aus dem Wäldchen gekommen sein. Der Mann schlurfte neben dem Pferd her, das langsam dahintrottete. Es ist nur ein alter Mann mit einem alten Pferd, dachte er. Er hatte diese Straße zwei Tage lang beobachtet, und ihm war von Anfang an klar gewesen, dass so etwas passieren konnte.
Er entschied sich schnell und aktivierte die Zünder. Ein Feuerball stieg in die Höhe, darüber eine riesige, tiefschwarze Wolke. Dann fiel der ohrenbetäubende Lärm der Explosion über die Landschaft. In all dem explodierenden, feurigen Durcheinander erkannte er das Pferd besonders gut, weil es meterhoch in die Luft wirbelte, sich dabei grotesk drehte und beinahe wie eine Spielzeugfigur aussah. Dann noch eine kleine, undeutliche Figur, eines der Kinder wahrscheinlich. Es regnete Glassplitter, Metallteile und andere Gegenstände, und immer wieder schossen Flammen in die Höhe.
Erwartete nicht, bis all die schartigen, zerrissenen Trümmer sichtbar wurden, sondern stieg in sein Auto und fuhr direkt zu der Stelle, um sich Gewissheit zu verschaffen. Er zählte in der flirrenden Hitze fünf Kinder, die zwei Ehefrauen und zwei Kindermädchen. Alle waren tot. Halb zerfetzt und entstellt lagen sie zwischen den Wrackteilen. Dann noch die beiden farbigen Ehepaare, die im Internet als »vier Helden für alles« vorgestellt wurden. Er registrierte mit Befriedigung, dass auch Timothy umgekommen war. Er lag abseits im Gras neben der schmalen Fahrbahn, sein Schädel war vollkommen zerschmettert. Aber er vermisste Greg. Wo war der lange Greg?
John griff in seine Hosentasche, nahm eine kleine weiße Plastikkarte heraus, wischte sie sorgfältig auf beiden Seiten ab und legte sie neben das, was von Timothys Kopf übrig geblieben war. Auf der Karte stand in kleinen, elegant geschwungenen Zeichen in feuerroter Farbe: Im Namen Allahs. Es war die Schrift des Korans, des heiligen Buches aller wahrhaft Gläubigen.
Dann neigte er den Kopf und sprach ein langes Dankgebet.
Doch nun musste er weiter.
Er setzte sich in seinen Wagen, wendete und fuhr auf der schmalen Straße weiter stadtauswärts. Nur wenige Kilometer entfernt mündete sie in eine der großen Verkehrsadern der Stadt. Er fuhr Richtung Zentrum und parkte vor einem Baumarkt.
Eine schnelle Entscheidung war jetzt nötig, und er traf sie sofort. Er rief das Büro der beiden Männer in New York an.
»Summer hier«, meldete er sich mit seidenweicher Stimme. »Ich suche Greg. Ist er noch bei Ihnen im Büro oder schon zu Hause?«
Die Frau erwiderte freundlich: »Nein, Greg arbeitet noch in seinem Haus auf Long Island. Wenn Sie ihn treffen wollen, geht das aber nur noch morgen und übermorgen. In drei Tagen beginnen nämlich unsere Ferien.«
»Dann habe ich ja Glück«, sagte er. »Ich danke Ihnen sehr.«
»Gern«, sagte die Frau.
Also New York, dachte er.
Wahrscheinlich hatte Greg kurzfristig entschieden, Timothy solle mit den Frauen und Kindern schon mal nach Bogotá vorausfliegen, während er für die letzten notwendigen Entscheidungen vor den Ferien noch die Stellung hielt.
John rief den Flughafen an und verlangte American Airlines. Und weil er gut gelaunt war, quasselte er fröhlich drauflos: »Mein Name ist Robson, und wahrscheinlich können Sie mein Leben retten. Ich muss unbedingt heute Abend in New York sein. Können Sie das irgendwie hinkriegen? Ich revanchiere mich auch mit einem Candlelight-Dinner, wenn ich zurückkomme.«
Die Frau lachte und erwiderte: »Ich kann Sie auf eine Direktmaschine buchen, die in zwei Stunden geht. Sie wären dann gegen Abend in New York. Aber: Ich habe nur noch erste Klasse.«
»Okay, erste Klasse«, bestätigte er begeistert und wiederholte sicherheitshalber: »Robson mein Name.«
Er fuhr weiter in die Stadt hinein und parkte in einem Gewirr aus Gassen, in denen Heerscharen von Touristen unterwegs waren. In einem schicken und ziemlich teuren Laden kleidete er sich komplett neu ein und zahlte umgerechnet fast sechshundert Dollar. Er trug jetzt schwarze Laufschuhe zu schwarzen Jeans und eine schwarze Lederweste über einem rot karierten Sommerhemd, richtig adrett. Und er trug sein eigenes sandfarbenes, dünnes Haar. Ein wenig nuschelnd erklärte er dem Verkäufer, dass sein Gepäck im Flughafen verlorengegangen sei, und ließ sich von dem jungen Mann angemessen bedauern.
Als er eine Stunde später auf dem Flughafen ankam, ging er mit eiligen Schritten zum Schalter von American Airlines. Er bekam sein Ticket und zahlte bar.
Dann ging er noch einmal zurück zu seinem Leihwagen, um zu kontrollieren, ob er auch keinen Fehler gemacht und nichts übersehen hatte. Er zerstörte das Handy, das er zur Zündung der Ladungen benutzt hatte, indem er den Wagen ein paarmal darüberrollen ließ, und versenkte die Überreste anschließend in einem Gully. Den Schlüssel ließ er einfach stecken, dazu öffnete er noch das Seitenfenster neben dem Fahrersitz etwa zehn Zentimeter. Er hatte gelesen, dass Bogotá von Autodieben nur so wimmelte, da würde sich also schon jemand erbarmen. Den Wagen hatte er auf den Namen Giarra gemietet und angegeben, er werde voraussichtlich zehn Tage damit unterwegs sein. Der Verleih hatte zweihundert US-Dollar Kaution verlangt. Heute war erst der dritte Tag, da würde es also noch lange dauern, bis jemandem etwas auffiel. Seine alte Kleidung hatte er gleich neben dem Geschäft in einer alten Tonne entsorgt, jetzt hatte er nur noch eine große dunkelblaue Tasche als Gepäck, die er mit in die Kabine nehmen würde. Darin waren nur seine Toilettentasche, neue Unterwäsche, zwei Paar Socken, zwei Paar neue Laufschuhe, drei neue Hemden. Selbstverständlich auch zwei Sätze Ausweise und Papiere. Die lagen sicher verstaut im doppelten Boden der Tasche.
Es stand vor zwei möglichen Problemen: In New York hatten die Flugbehörden und die geradezu panisch operierenden amerikanischen Sicherheitsspezialisten Kameras und Computer installiert, die biometrische Daten von jedem Fluggast aufzeichneten. Natürlich so, dass niemand es bemerkte. Eigentlich wollte er die großen...
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