Schweitzer Fachinformationen
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Molly Preston erwachte vom köstlichen Duft frisch aufgebrühten Kaffees, der ihre Nase kitzelte. Sie räkelte sich wohlig und blieb noch einen Moment liegen, voller Vorfreude auf den kommenden Tag.
Doch was war das? Die Matratze fühlte sich etwas zu weich und die Daunendecke ein wenig zu dick an. Sie blinzelte, als die Erinnerung zurückkehrte: Yorkshire, das winzige Cottage, das sie für eine Woche gemietet hatte, um hier ein paar Urlaubstage mit ihrem Freund Charles zu verbringen. War Charles in der Zwischenzeit angekommen und hatte Kaffee gekocht? Gestern Abend hatte er noch geschrieben, dass er es nicht schaffen würde, weil er beruflich verhindert sei; es ging um die Filmrechte für seinen letzten Roman, und das konnte er nicht verschieben. Wütend und traurig war sie zu Bett gegangen und hatte sich nicht zum ersten Mal gefragt, ob eine Partnerschaft, in der das Wort »fern« öfter vorkam als das Wort »Beziehung«, wirklich das Richtige für sie war.
Sie drehte sich um und öffnete die Augen. Die andere Hälfte des breiten Doppelbetts, das fast den gesamten Raum ausfüllte, war leer, das Kissen unberührt. Und der Kaffeeduft? Er verflüchtigte sich mit jedem Atemzug, der sie wacher machte. Molly setzte sich auf und schlug die Decke zurück. Sie schnupperte nochmals in der kalten Luft, doch sie nahm keine Spur davon mehr wahr. Sie hatte geträumt.
Doch der Traum hatte einen unbändigen Appetit auf Kaffee in ihr geweckt. Sie stand auf, zog dicke Socken und eine Jogginghose an und kletterte die steile Treppe nach unten. In dem schmalen Raum herrschte die übliche Leere einer Ferienhausküche: Das Notwendigste war vorhanden, aber eine Kaffeemaschine gehörte offenbar nicht dazu. Wie auch, in einem Land, das Tee zum Nationalgetränk erkoren hatte!
Eine genauere Untersuchung der wenigen Schränke förderte immerhin einen Filterhalter aus Plastik und ein angebrochenes Paket Filtertüten zutage. Hoffnungsfroh schaltete Molly den Wasserkocher ein - den gibt es in jeder englischen Küche - und öffnete die Packung Kaffee, die sie gestern im örtlichen Supermarkt erstanden hatte. Sie steckte einen Papierfilter in den Halter, setzte diesen auf eine Kanne - eine Teekanne, genau genommen - und löffelte den gemahlenen Kaffee in den Filter. Sie hatte so oft zugesehen, wenn ihre Großmutter Kaffee aufbrühte, dass sie sicher war, alles richtig zu machen. Sobald das Wasser kochte, übergoss sie das Pulver und ein aromatischer Duft breitete sich in der Küche aus. Sie goss noch etwas Wasser nach, dann eilte sie nach oben, um sich anzuziehen.
Als sie wieder zurückkam, war das Wasser durchgeflossen, und sie entsorgte den Filter mit dem Kaffeesatz in den Mülleimer. Sie fand eine dicke Henkeltasse und goss sich den ersten selbst aufgebrühten Filterkaffee ihres Lebens ein. Sie konnte natürlich Kaffee kochen: eine Padmaschine bedienen oder einen Knopf an einem Espressogerät drücken. Aber Filterkaffee von Hand aufbrühen, so wie früher, das hatte sie noch nie gemacht.
Der erste Schluck machte Molly klar, dass auch hierbei kein Meister vom Himmel fiel. Der Kaffee schmeckte bitter, und das feine Aroma, das sie zuvor gerochen hatte, war rasch verflogen. Ob der sonderbare Geschmack an ihrer Zubereitung oder doch am englischen Kaffee lag? Vielleicht ist das der Grund, dass man hier nur Tee trinkt, ging ihr beim ersten Schluck durch den Kopf.
Doch so schnell gab sie nicht auf. Sie goss etwas Milch in die Tasse, was den Kaffee zu einem verwaschenen Graubraun verfärbte, den Geschmack aber nicht wirklich verbesserte. Zucker, sie brauchte Zucker! Fieberhaft durchsuchte sie die Küche, doch sie wurde nicht fündig. Zum Glück wohnten die Vermieter ihres Cottage gleich nebenan. Molly schlüpfte in ihre Jacke und überquerte mit schnellen Schritten den Hof.
»Miss Preston, wie gut, dass Sie kommen!« Mary Ann Phinney ergriff Mollys Hände und zog sie regelrecht ins Haus. »Ich wollte gerade zu Ihnen hinübergehen, ich weiß nicht, was ich tun soll. Vielleicht können Sie mir raten?«
Die sonst so energische Mrs Phinney war völlig aufgelöst. Molly folgte ihr in die Küche und ließ zu, dass die Frau sie auf einen Stuhl drückte. Geduldig wartete sie, bis sich Mrs Phinney ebenfalls setzte. Es dauerte jedoch nur einen Moment, dann sprang sie wieder auf.
»Sie möchten sicher Tee, ja?«
Molly nickte gottergeben und bereitete sich auf einen längeren Aufenthalt vor. Als Mrs Phinney die dampfende Tasse vor ihr abstellte, schnupperte sie erfreut und blies gegen die Oberfläche, bevor sie vorsichtig probierte.
Mrs Phinney hatte inzwischen auf dem Stuhl gegenüber Platz genommen und umklammerte ihre eigene Tasse mit beiden Händen. Erst jetzt kam Molly dazu, sie genauer zu betrachten. Mrs Phinneys Augen waren gerötet, und die rotblonden Ringellocken, die ihr normalerweise ein lustiges Aussehen verliehen, standen wirr in alle Richtungen ab. Offenbar hatte sie sich in großer Eile angezogen: Die Bluse hing nachlässig aus dem Bund ihrer Hose, und sie trug zwei verschiedene Socken. Gestern Mittag hatte Mrs Phinney jedenfalls anders ausgesehen, als Molly den Schlüssel zu ihrem Cottage von ihr in Empfang genommen hatte.
»Was ist denn passiert, Mrs Phinney, kann ich Ihnen helfen?«
»Mary Ann, sagen Sie doch bitte Mary Ann zu mir!« Mrs Phinney riss die Augen auf. »Ach, Miss Preston! Oder darf ich Molly sagen?«
Molly nickte.
»Ach Molly! Mortimer, mein Mann, ist gestern nicht nach Hause gekommen, und ich mache mir die größten Sorgen!«
Molly zog die Augenbrauen hoch. »Kommt das öfter vor?«, fragte sie.
»Aber nein, nie!«, rief Mary Ann verzweifelt. »Er ist gestern Nachmittag mit dem Auto weggefahren, er wollte doch nur eine kleine Wanderung machen, und als er am Abend nicht zurückkam, dachte ich noch .« Mary Ann schluchzte laut auf. »Ich mache mir solche Sorgen!«
»Nun beruhigen Sie sich doch, Mary Ann.« Molly ergriff die Hand der älteren Frau und drückte sie. »Und erzählen Sie bitte, was haben Sie gedacht?«
»Ich dachte, er wäre nach seiner Wanderung noch im Blue Dragon eingekehrt. Ich bin dann schlafen gegangen und habe mir keine weiteren Gedanken mehr gemacht.« Mary Ann putzte sich geräuschvoll die Nase. »Wissen Sie, er hat doch oft abends im Pub noch ein Bier getrunken. Meistens schlief er dann im Wohnzimmer, weil er mich nicht aufwecken wollte.«
»Aber heute Morgen war er noch immer nicht hier?«, vermutete Molly.
»Nein, er ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen.« Mary Ann begann schon wieder zu weinen. »Und ich weiß nicht, was ich tun soll! Wenn ich jetzt zur Polizei gehe, mache ich mich doch lächerlich, meinen Sie nicht?«
Molly schüttelte den Kopf. »Warum sollten Sie sich lächerlich machen?«
»Na, wenn er nun doch nur bei einem Freund übernachtet hat, oder am Ende gar bei einer Frau, dann mache ich mich doch zum Gespött der Leute!«
Molly nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Tasse. Dabei fiel ihr auf, dass sie noch immer keinen Zucker hatte.
»Hat Ihr Mann ein Handy? Haben Sie versucht, ihn anzurufen?«
Mary Ann nickte mit glasigen Augen. »Ja, das habe ich vorhin versucht, aber er geht nicht ran. Allerdings gibt es hier in den Dales auch nicht überall Empfang.«
Molly seufzte resignierend. »Wissen Sie denn wenigstens, wohin er gestern wollte?«
»Nein, das ist es ja, das weiß ich nicht«, antwortete Mary Ann. »Wissen Sie, sein Arzt hat gesagt, er muss sich mehr bewegen, weil er seit seiner Pensionierung nur noch zu Hause herumgesessen hat - und das war gar nicht gut für ihn, auch wegen seines Blutzuckers.«
Pensionierung? Molly war der Altersunterschied zwischen Mr Phinney und seiner Frau bereits gestern Mittag aufgefallen, als sie angekommen war. Die hübsch zurechtgemachte Mary Ann in schwarzen Jeans und bunter Bluse hatte auf den ersten Blick wie die Tochter von Mortimer Phinney gewirkt. Erst aus der Nähe war der Altersunterschied etwas geschrumpft, und hinter dem jugendlichen Äußeren der Frau hatte Molly die ersten Anzeichen des Alters entdeckt. Sie hätte sie auf Mitte 40 geschätzt und Mr Phinney 15 Jahre älter, aber noch längst nicht alt genug, um pensioniert zu werden.
Mary Ann deutete ihren erstaunten Blick richtig. »Seine Firma musste Leute entlassen, und da haben sie ihn in Frührente geschickt. Das ist sehr schwer für ihn, denn er ist es ja nicht gewohnt, den ganzen Tag zu Hause zu sein, verstehen Sie?«
»Er hat dann irgendwann angefangen, ein Spiel mit einem GPS-Gerät zu spielen, so eine Art Schatzsuche.« Mary Ann schüttelte missbilligend den Kopf. »Schätze suchen! Ein erwachsener Mann, stellen Sie sich das vor! Das ist doch was für Kinder, meinen Sie nicht?«
Molly öffnete den Mund, aber Mary Ann wollte gar keine Antwort hören und redete einfach weiter.
»Gut, dass unsere Nachbarn das nicht wissen! Aber immerhin geht er dadurch wieder raus in die Natur und bewegt sich mehr, also hatte das Ganze doch etwas Gutes. Geocatching heißt das. Kennen Sie das?«
»Ja, ich kenne Geocaching«, antwortete Molly und unterdrückte ein Schmunzeln.
»Vor ein paar Tagen hat jemand hier in der Gegend wieder so ein Geocatch versteckt, aber diesmal handelte es sich um ein Rätsel, bei dem Mortimer erst herausfinden musste, wo der Schatz versteckt ist. Und er hat es auch herausbekommen«, erklärte Mary Ann. Nun klang doch ein gewisser Stolz in ihrer Stimme. »Gestern Nachmittag wollte er sich aufmachen und ihn suchen, aber er hat mir nichts weiter darüber erzählt, und ich habe keine Ahnung, wo das sein könnte.« Mary Ann schluchzte auf. »Oh Molly, ihm ist bestimmt etwas passiert, meinen Sie nicht...
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