Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Robin krallte sich an die Reling, als eine Welle den kleinen Fischkutter hochhob. Die Gischt spritzte ihm ins Gesicht, und Mika amüsierte sich darüber. Er hörte seinen Freund durch den Steuerraum nur gedämpft, aber die Wildheit in Mikas Lachen ließ ihn schmunzeln. Mit geschlossenen Augen genoss Robin das Gefühl der Freiheit.
Der Kutter senkte sich mit einem Ruck. Robin geriet ins Taumeln. Ein Eimer kullerte ihm an die Füße, und er hielt ihn auf, steckte ihn zwischen zwei Brettern fest, damit er nicht über Bord ging. Das Fischernetz links von ihm war an der großen Winde aufgerollt. Fender hingen innen an der Reling, schaukelten hin und her.
»Und bei dem Wellengang willst du zu diesem Riff?«, rief Robin seinem Freund zu.
Wollte er wirklich dort ins Wasser gehen? Er könnte Jeff einfach seinen Willen aufzwingen, ihn sterben lassen. »Blöde Nebenfigur«, knurrte er. Robin mochte diesen Fiesling sowieso nicht. So einfach gestaltete sich das Schreiben aber nicht. Vielleicht könnte sich der Charakter ja weiterentwickeln und .
»Da sind die Felsen, Robin.« Mika schaute zu ihm hinaus. Er wirkte wie ein Freibeuter mit seinem wehenden Haar, dem Dreitagebart und im windumpeitschten Hemd.
»He Pirat!«, witzelte Robin. »Gib mir 'ne Buddel voll Rum, bevor ich mir im Wasser den Arsch abfriere.«
Sein Freund schnaufte belustigt und fasste sich an den Bart. »Der muss noch länger werden, was?«
»Unbedingt.«
»Aber frieren wirst du nicht. Geh schon mal runter und quetsch dich in den Anzug.«
Robin mochte Neopren nicht. Schon letztens beim Surfen hatte er sich in so ein Ding zwängen müssen, und ihm hatte es wirklich alles eingequetscht, was ihm wichtig war. Davon abgesehen war er auf dem Surfbrett eher eine Lachnummer. Vielleicht blieb er besser beim Adventure Golf.
Er kletterte unter Deck und bewunderte erneut, wie gepflegt das Schiff trotz seines Alters war.
Der Fischkutter war eine Perle unter den Trawlern im Hafen. Er mochte alt sein, aber Mika liebte und pflegte ihn wie einen Sportwagen. Rechts befand sich ein am Boden angeschraubter Tisch aus poliertem Holz, daneben eine Eckbank, fest mit der Schiffswand verbunden. Eine Schlafkoje, die man mit einer Schiebetür schließen konnte, damit man bei stärkerem Seegang nicht aus dem Bett fiel, war auf der anderen Seite.
Mikas Neoprenanzug passte viel besser als der aus dem Surfkurs. Robin schlüpfte hinein und sah aus dem Bullauge auf das wellige Wasser. Er musste sich am Tisch festhalten, da Mika mit dem Kutter einen Bogen fuhr. Nach einiger Zeit schien das Schiff regelrecht zu schweben. Verwundert stieg Robin die engen Holzstufen hinauf und sah auf das Meer. Die Heckwelle glitzerte im Licht der tief stehenden Sonne, die See war unerwartet ruhig. Wie konnte das sein?
Mika stellte den Motor ab und beschäftigte sich anschließend mit dem Anker. Der Kutter schaukelte angenehm auf den nun geruhsamen Wellen.
»Wo ist der raue Seegang hin?«, fragte Robin und beobachtete Mika bei seinem Tun, das Schiff zu sichern, damit sie nicht abtrieben. Die Kette des Ankers rasselte, als Mika sie hinabließ.
»Die Landzunge schützt uns hier vor dem Wind, außerdem hat der vorhin ein wenig gedreht.«
»Das hast du doch geahnt, oder?«
»Dass der Wind dreht? Nö. Aber ich weiß, dass es hier geschützt ist.« Er grinste frech.
»Verkauf dich nicht unter Wert«, murmelte Robin. Mika besaß ein außergewöhnlich gutes Gespür, was die See und das Wetter betraf.
Robin sah in die ausgefransten Wolken, die sich teils vor die Sonne schoben. Still wanderte sie wie ein brennender Ball zum Meer hinunter und tauchte das Wasser in Gold. Dann sah er die Felsen, von denen Mika erzählt hatte. Das Riff in seiner Geschichte war größer, aber dieses hier wirkte ebenso gefährlich. Die See brach sich an dem Gestein, das im Meer aufragte wie die Hörner eines Ungeheuers.
»Lass dich von der Strömung zur anderen Seite tragen, aber pass auf, dass sie dich nicht gegen die Felsen presst«, erklärte Mika ruhig.
»Ist das nicht gefährlich?«
»Natürlich.« Mikas Blick, mit dem er Robin bedachte, sagte klar: Bist du eine Memme oder ein Mann?
Robin entschied, dass er definitiv keine Memme war. Außerdem wusste er, dass Mika ihn retten würde, falls er tatsächlich in ernste Schwierigkeiten geraten würde.
»Ich muss aber erst ein bisschen rumschwimmen, damit ich etwas ausgelaugt bin.«
»Wieso das?«
»Weil der Blödmann, wegen dem ich das hier mache, schon eine Weile im Wasser verbracht haben muss.«
»Der gute Jeff ist also erschöpft.«
Sie sahen sich an und lachten auf. Diese Buchfigur entwickelte definitiv ein Eigenleben, das musste man ihr lassen.
»Pass aber auf die Haie auf«, sagte Mika sorglos.
»Was?«, krächzte Robin. »Erzähl mir nicht so 'n Mist, wenn ich dabei bin, ins Wasser zu springen.«
Mika gluckste belustigt. »Die Haie, die du hier findest, würden wahrscheinlich nicht mal an deinen Zehen knabbern, weil sie so Schiss vor dir haben.«
»Weiß ich doch, aber du glaubst gar nicht, was meine Gedanken mir für Streiche spielen können.«
»Na ja, ich weiß ja nicht, in welcher Kulisse dein Buch spielt. Aber ein gefährlicher Hai könnte ja ein Ansporn für Jeff sein, auf die Felsen zu kommen.«
»Er soll doch eigentlich sterben«, grummelte Robin.
»Irgendwie glaube ich das nicht. Und jetzt los! Ab ins Wasser mit dir.«
Robin lächelte und stieg auf die Reling. Mit einem Hechtsprung tauchte er ins Meer. Das Wasser umspülte ihn, er wurde von tiefem Blau eingehüllt. Mikas Anzug hielt die Kälte fern, und einen Augenblick fühlte er sich wie einer der Seehunde. Ein silberner Fischschwarm schreckte auf und flitzte davon. Robin brach durch die Oberfläche, schwamm davon, ließ den Kutter hinter sich zurück . und dachte an Jeff. Wie von selbst schlüpfte er in die Persönlichkeit dieser Buchfigur. Erinnerungen, die ihm zuvor gar nicht bewusst gewesen waren, rauschten an Robin vorbei, als wäre der imaginäre Mann real. Völlig unerwartet begriff er, warum Jeff bisher so ein sturer, arroganter Kerl war. Seine Vergangenheit zwang ihn, so zu sein.
Das Riff tauchte wieder vor Robin auf, er war nicht wirklich erschöpft, aber er spürte deutlich seine Armmuskeln. Doch das genügte nicht. Er musste in die Angst eintauchen, die Jeff befiel, wenn er gegen das Meer ankämpfte.
Die Dämmerung setzte ein. Vor Robins innerem Auge verwandelte sich das ruhige Meer in eine stürmische See in der Nacht. Er schwamm zu den Felsen, hütete sich vor dem scharfen Gestein unter Wasser und suchte einen Halt auf den Klippen, die von glitschigen Algen bewachsen und von Muscheln bevölkert waren. Getragen von einer Welle streckte er die Hand aus, griff nach einer Kante und rutschte sofort wieder ab, weil das Wasser über ihm zusammenschlug.
Im Augenwinkel sah er Mika, der ihn gespannt beobachtete. Er harrte auf dem Kutter aus und gestikulierte, doch Robin konnte es nicht deuten. Das Meer zog ihn in die Tiefe, und er stieß sich die Schulter an einem der Felsen. Über ihm bildete sich Schaum, die Strömung verhinderte, dass er an die Oberfläche kam. In Robin stieg Panik auf, er bekam keine Luft.
Etwas packte ihn am Kragen, zog ihn mit Wucht hinauf. Robin war so erschrocken, dass er wild zappelte, bis er endlich an die rettende Luft kam. Keuchend und hustend versuchte er, über Wasser zu bleiben.
»Komm hier rüber! Zu den anderen Felsen«, hörte er Mika brüllen. Verwirrt sah sich Robin zu dem Kutter um, der verlassen und wie ein großes Tier auf dem Wasser schwamm. Er begriff, dass sein Freund bei ihm war.
»Robin, nun komm!«
Es brauchte nur eine Geste von Mika, dann begriff er, schwamm von den Klippen und der Strömung fort, umrundete sie. Der junge Fischer zerrte ihn schließlich lachend auf das Riff.
»Versuch niemals von der Seeseite auf diese Felsen zu kommen«, sagte Mika und hielt das Gesicht in die Sonne. Wasser perlte von seinem zottigen Haar, von seinem Bart.
»Scheiße, das hättest du mir auch vorher sagen können«, murrte Robin heiser und hustete unterdrückt.
»Hab ich doch«, protestierte Mika. »Und was ist jetzt mit Jeff?«
Robin seufzte tief auf und setzte sich breitbeinig auf die Felsen. »Er wird leben. Außerdem heißt er eigentlich Jeffrey und hatte eine echt schwierige Kindheit und Jugend. Der verflixte Kerl wirft meinen ganzen Plot um, aber ich glaube, er ist es wert.«
»Na, dann hat sich diese Fahrt doch gelohnt.«
Die untergehende Sonne tauchte den Kutter in einen wahren Farbenzauber. Das Abendrot machte einem zarten Violett Platz und zerfaserte zu einem tiefdunklen Blau.
Erst jetzt fiel Robin auf, dass sein Freund vollständig bekleidet ins Wasser gesprungen war, um ihm zu helfen. Er sah, wie Mika zitterte, dies aber ignorierte.
»Wollen wir zurück zum Kutter?«
Mika nickte, und zusammen ließen sie sich ins Wasser gleiten, schwammen zum Schiff und kletterten die Metalleiter am Rumpf hinauf an Deck.
»Hast du Wechselsachen mit, Mika?«
»Ja klar.«
Sie verschwanden beide in der Kajüte und zogen sich um. Robin brauchte ewig, um sich aus dem durchnässten Anzug zu pellen. Als er wieder nach oben kam, stand Mika bereits im Steuerraum und brachte das Schiff nach Hvide Sande. Ein Krabbenkutter kam ihnen entgegen. Die Fischer grüßten und riefen Mika etwas Dänisches zu, das Robin nicht verstand. Die seitlichen Ausleger des Schiffes waren mit ihren Netzen tief im Wasser, und der alte Kutter fuhr gemächlich der Nacht entgegen, um die Krabben vom sandigen Boden zu bergen.
Nach einiger Zeit sah Robin die schützenden Molen des Hafens. Mika steuerte den Fischkutter...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.