Schweitzer Fachinformationen
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In diesem Jahr gibt es kein Weihnachtsbuffet«, sage ich beim Frühstück zu Melker.
Alle lieben das Weihnachtsbuffet. Alle, nur ich nicht. In meiner Familie ist das Weihnachtsbuffet fast heilig, es macht sozusagen das ganze Weihnachtsfest aus - das Finale des Abends, nach der Bescherung. Ein Gelage, bei dem sich alle um den Tisch versammeln. Man langt zu bei den vielen Gerichten, die absolut nicht zueinander passen, wieder und wieder, bis man fast platzt. »Ach, wie lecker!« - »Mehr Heringsauflauf!« - »Ich liebe Weihnachtsschinken!«
Aber ich sehe das nicht so. Ich kann die meisten Gerichte, die zu einem Weihnachtsbuffet gehören, nicht einmal leiden. Ich habe mir das selbst schon vor langer Zeit eingestanden, aber um des lieben Friedens willen habe ich den Mund gehalten. Jetzt aber ist Veränderung angesagt.
Nachdem ich mich erklärt habe, trinke ich nervös den ersten Schluck meines noch fast kochend heißen Tees - und verbrenne mir die Zunge. Ich beiße die Zähne zusammen. Ich kann ja wohl schlecht wegen des zu heißen Tees eine Szene machen, nicht jetzt, wo ich endlich das Thema Weihnachtsbuffet zur Sprache gebracht habe.
Ich habe in den Morgenstunden, als Melker neben mir schlief, die Argumente im Kopf durchgespielt. Er schnarchte laut und unsexy, und ich konnte unmöglich wieder einschlafen, als ich so neben ihm lag. Am liebsten wäre ich in süßen Träumen versunken, aber das war unmöglich. Zuerst stieß ich ihn an, um dem Elend ein Ende zu machen, was aber nur dazu führte, dass er grunzte und sich umdrehte. Und es dauerte nicht lange, da war das laute Schnaufen abermals von ihm zu hören. Am Ende stopfte ich mir das Kissen unter den Kopf und fand mich damit ab, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Es war ohnehin schon acht, aber da Sonntag war, hatte ich keinen Wecker gestellt. Ich blieb liegen und sah alle neuen Facebook- und Instagram-Beiträge durch, statt mich aus dem Bett in das stumme Haus hinauszubegeben. Meine Gedanken bewegten sich im Takt von Melkers Atemzügen. Es war fast rhythmisch: Einatmen, Pause, Auspusten, Pause und wieder Einatmen. So ging es weiter. Bis er ab und zu gar nicht mehr einatmete, sondern die Luft in der Lunge behielt, einige Male so lange, dass ich mich schon fragte, ob er jemals wieder atmen würde, aber dann, PUFF, kam endlich dieses aufgestaute Ausatmen. Ich muss zugeben, dass ich mich darüber ärgerte, dass er nicht mit diesen primitiven Geräuschen aufhören konnte, obwohl ich ja weiß, dass er nicht aus Bosheit schnarcht. Am Abend zuvor war es zudem bei Kajsa und Håkan sehr spät geworden, und wir hatten auch viel zu tief ins Glas geschaut. Noch gegen drei Uhr morgens, als das Taxi schon vor dem Haus stand und hupte, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen, hatte ich Melker mit einem Kognak gesehen.
Kein Wunder, dass der Kerl schnarchte.
Aber egal. Als ich dort lag und durch all die Posts von glücklichen Menschen scrollte, die ihre perfekten Leben lebten und die in den Startlöchern standen, um ein perfektes Weihnachten zu feiern, genau da fiel mir das Weihnachtsbuffet ein. Beim bloßen Gedanken an eingelegte Heringe, Sülze, Würste, Lachs und grässliche Mischungen in unendlicher Variation drehte sich mir der Magen um, und instinktiv fasste ich einen Plan, um Melker ein für alle Mal zu zeigen, dass ich es ernst meinte. In diesem Jahr sollte das passieren, worauf ich stumm und schicksalsergeben seit Jahren gehofft hatte, ohne Gehör zu finden. Ich stellte eine Reihe von Argumenten auf. Übte und übte, um ja nicht ignoriert zu werden. Denn ich konnte schon im Voraus Melkers Seufzer und Kommentare hören. Wenn dieses Thema zur Sprache kam, hatte sein entsetztes Gesicht mich bisher immer zum Schweigen gebracht. Aber diesmal sollte nichts mich aufhalten.
Und hier sitze ich nun. Schlucke einen Bissen Toast mit Himbeermarmelade hinunter und baue ein Bollwerk auf, als ob eine ganze Armee geradewegs auf mich zumarschiert.
»Wieso denn kein Weihnachtsbuffet?« Melker beugt sich über den Tisch, findet aber nicht das Gewünschte. »Kannst du mir mal die Milch geben?«
Eifrig tue ich ihm den Gefallen, das heilige Weihnachtsbuffet steht auf dem Spiel. Und jetzt soll Schluss damit sein.
Melker kaut, schluckt hinunter, greift dabei nach der Zeitung Göteborgs-Posten und schlägt umständlich den Sportteil auf. Zerstreut lässt er den Blick über die Seiten wandern und grunzt zufrieden, bis er endlich den Mund aufmacht.
»Amy! Sieh dir mal die Anzeige hier an! Bei El-Giganten gibt es Supersonderangebote, nur heute. Nennt sich Erste-Advent-Schnäppchen. Wir sollten hinfahren und uns eine neue Spülmaschine aussuchen. Hier gibt es zum Beispiel eine auf den halben Preis heruntergesetzte Electrolux. So was von billig, stell dir vor!«
Mir klappt das Kinn herunter. Spülmaschine? Am ersten Advent? Hat er meine Frage denn einfach überhört? Aber er redet weiter, als wäre mein Ansinnen so uninteressant gewesen, dass er sich nicht einmal zu einer Antwort herablassen mag.
»Hier ist noch eine, die richtig gut aussieht. Ebenfalls auf den halben Preis reduziert. Ich bin für eine weiße, auch wenn wir schon mal an Edelstahl gedacht haben. Was meinst du?«
Er schaut auf und sucht endlich meinen Blick, aber nur, weil er eine Antwort zu einer Spülmaschine will, während ich an nichts anderes als das Weihnachtsbuffet denken kann.
»Aber Melker! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?« Ich strecke eine Hand aus und stoße fast das Saftglas um. In letzter Sekunde kann ich es festhalten und das Unglück verhindern. Er schüttelt den Kopf.
»Das wäre beinah ins Auge gegangen.«
»Was?«
Er prustet los, während ich auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet bin. Ich bin in Angriffslaune, in der Offensive, ich habe den ganzen Morgen trainiert. Aber er lacht nur immer weiter, seine Augen leuchten und er streichelt liebevoll meine Hand, als er sich erhebt, um sich Kaffee nachzuschenken.
»Geliebte Amy. Du bist wirklich witzig.«
Genau das. Mehr nicht. Verdutzt bleibe ich sitzen. Was stimmt nicht an unserer Kommunikation? Warum merkt er nicht, dass es mir ernst ist? Ich stehe auf, um aus meiner unterlegenen Stellung herauszukommen. Melker ist so groß, dass ich mir vorkommen würde wie eine Mücke, wenn ich sitzen bliebe, deshalb recke ich mich, und sicherheitshalber stelle ich mich auch ein bisschen auf die Zehenspitzen. Nicht so, dass es nach einem Ballettschritt aussieht, nein, diskreter, nur ein bisschen, aber ich wachse dabei doch um einen oder zwei Zentimeter.
»Melker.« Ich spreche langsam und mit so tiefer und ernster Stimme, wie ich nur kann. »Mein Vorschlag war nicht als Witz gemeint. Ich will, dass wir unsere weihnachtlichen Essenstraditionen verändern. Etwas Neues machen. Keine wilde Mischung aus allem, was zum üblichen Weihnachtsbuffet gehört, sondern ein gutes . Essen. Weihnachtlich inspiriert, natürlich. Was sagst du? Die Kinder werden begeistert sein!«
Das mit den Kindern ist glatt gelogen, aber ich hoffe, dass Melker mir einfach glaubt. Sein Lachen verebbt, während ich rede, und stattdessen taucht ein besorgtes Stirnrunzeln auf, er legt den Kopf schräg, während er mir antwortet und zugleich seine Kaffeetasse füllt. Energische Stimme, ein bisschen tröstend, als ob er mit einem Kind reden würde.
»Verändern! Wie meinst du das? Du liebst doch Traditionen! Du klammerst dich daran, als wäre es eine Frage von Leben und Tod. Alles muss genau gleich sein, Jahr für Jahr, exakt so, wie es war, als du klein warst oder als unsere Kinder klein waren. Jahr für Jahr! Wir haben uns damit abgefunden und es dann auch wunderbar gefunden. Und jetzt willst du das Weihnachtsbuffet aufgeben? Ehrlich gesagt, ich weiß, dass du nicht gerade dafür schwärmst, aber es ist die Tradition, mein Liebling. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie Mama und Papa reagieren würden? Oder deine Eltern? Himmel, das geht nicht. Also nein . das Weihnachtsbuffet ist heilig, so heilig wie alle deine Adventskerzen und der Weihnachtsbaum und die Dekorationen und Karamellbonbons und Toffees und alles, was mit Weihnachten zu tun hat und was du so genau nimmst. Was du immer so genau genommen hast.«
Er verstummt. Als ob er mir einen Vortrag gehalten hätte und jetzt keine weiteren Fragen hören möchte. Unsere Blicke bohren sich ineinander, und das Schweigen spricht eine deutliche Sprache: Jetzt heißt es Kampf. Ein Kampf darum, wer recht behält. Worte sind plötzlich überflüssig, zu dem Thema kann nichts mehr gesagt werden. Jetzt muss nur noch das Urteil gefällt werden.
Weihnachtsbuffet oder kein Weihnachtsbuffet.
Melkers oder mein Triumph.
Die Sekunden ticken unablässig und ich recke mich noch ein bisschen mehr und suche fieberhaft nach etwas, das ich sagen kann. Aber ahne ich nicht schon, dass sein Blick gleich in die Ferne irren wird?
Als das Handy klingelt, kommt es uns vor wie ein Pistolenschuss, und wir zucken beide zusammen. Verwirrt sehe ich mein Mobiltelefon auf der Kücheninsel vibrieren, und mir ist klar: Das war der Gong am Ende der Runde. Niemand hat gewonnen, aber der Streit ist nicht beendet, und ich werde mich vor der nächsten Runde ausgiebig mit Argumenten wappnen, das schwöre ich mir, während ich antworte:
»Hallo, Mama.«
»Liebling! Heute ist der erste Advent, ist das nicht wunderbar? Papa sucht schon nach den Kabeln für die Weihnachtssterne und Adventsleuchter, ich verstehe wirklich nicht, wieso die von einem Jahr auf das andere immer wieder verschwinden können. Ganz zu schweigen...
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