Schweitzer Fachinformationen
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Eine Pest wütete, der Zweite Weltkrieg.
Schon im darauffolgenden Jahre würde der Einmarsch der Roten Armee den Sieg andeuten, im zweiten folgenden Jahre würde der verheerende Verlust bei Stalingrad die Nationalsozialisten zum Umdenken animieren, jedoch, dank eines unermüdlichen Geistes, würden der Konflikt in die Länge gezogen werden und die Menschen weiters im Strudel der Überlebensexistenz herumgeschleudert und, viele, verschluckt werden, nie mehr wieder ausgespien, nie mehr wieder bei Namen genannt, keine Plage, keine Krankheit so groß wie der Abgang der menschlichen Vernunft, was Piuggilla (pjud-DSCHIL-la) zutiefst bemitleidete.
Sie trauerte um die Absenz der Vernunft, doch betrauerte sie keinesfalls. So hatte die Vernunft sich selbst dazu entschieden zu fliehen, ehe sie ins Unreine gezogen würde, und da hatte sie Recht, denn viele Menschen konnten ihre eigenen Grenzen nicht wahrnehmen und überschritten den Rubikon der Zeit, welche sie ermahnte, ermahnte, ermahnte, doch niemand hörte zu, vor allem niemand, der der Sprache mächtig war. Würde ein Baby fliehen? Würde ein Rehkitz fliehen? Würde ein traditioneller Landsmann fliehen? Würde ein leerer Soldat der Dritten Armee zurückkehren? Erst, wenn ihm der Kopf vom Halse hinge, doch nicht einmal dies würde er bemerken.
Was Piuggilla's Schicksal ist, das weiß niemand. Doch es gibt solche, die an sie glauben. Darauf kann sie stolz sein.
Das Schicksal ist ein sich drehendes Rad.
Es war 1941.
Es tobte ein Schneesturm über dem Reichsgau Oberdonau.
Ein junges Mädchen irrte durch jenes Waldgebiet zwischen Mitterholzleiten, Schneegattern und Sankt Johann am Walde, welches vom Januarwinterschnee vergraben lag und wo ein Meter tiefer Schnee am Boden nicht selten, sondern die Norm war. Zu dieser Zeit schneibte und regnete es überdurchschnittlich, wie es die Einwohner der Gaue des angeschlossenen Österreichs noch nie erlebt hatten, sodass dies Schlagzeile machte in allen Städten und umliegenden Dörfern. Die Angst vor einer Erkältung oder einem Eiskastentod, wie ruhmhabgierige Journalisten dieses Phänomen tituliert hatten, war groß, keiner traute sich mehr hinaus, Nahrungsmittelknappheit neben den bekannten wirtschaftlichen Krisen war die Norm neben der Heizung, welche oftmals ausblieb, da das dicke Eis die Baumstämme eingenommen hatte und somit keiner gefällt werden konnte und die Eingänge der Minen unzugänglich gestaltet wurden. Kein Atem war warm genug, dass er den Körper von sich aus erwärmen könnte, vielerlei Kleidung wurde nur noch als Dekoration, nicht als Schutze benutzt, da jeder, egal wie warm eingedeckt, durch die Kälte verbrannt wurde. Und Schuld trug dieses Mädchen, das durch die Wälder gejagt wurde.
Sie floh vor einem Phantom der Feinde, welche nach und nach Form annahmen, jedoch nur durch ihr Gebrülle tatsächlich bemerkbar waren, sonst jagten sie sie nur durch ihre schiere Präsenz und der Gedanke an diese, sodass man hätte meinen können, sie würde sich selbst jagen, ihre Gedanken sie selbst, weil sie dachte, so war sie im Visier der Exekution.
Ihr Körper war leicht wie eine Feder, mit jedem flotten, fliegenden Schritt konnte sie einen Meter mühelos beschreiten, keine Fußspuren blieben zurück, da sie kein Gewicht hatte. Allein ihre Tränen, welche wie Kristalle auf der dicken Schneeschicht übriggelassen wurden, dienten als Fährte für die braunen Jäger.
Sie schluchzte und wimmerte, sie hatte sich nach bekannten Gesichtern gesehnt, welche, ach, wäre es doch möglich, hinter einem schattigen Baume erscheinen mögen, welche wie aus dem Nichts ihr Rettung und Wohl bescheren mögen, welche sie aus dieser Zeitschleife zerren mögen, welche sie erretten mögen! Wie lange rannte sie schon, in diesem und seit dem letzten Leben? War es noch ein Geist, oder zwei Geister, welche Todesmomente auf sich genommen hatten und an Schwere zunahmen? Sie wollte sich selbst fühlen, sie wollte im Schnee versinken, so wünschte sie sich, dass ihr Leiden an Gewicht gewönne, dass ihr Leiden sich in Gewicht verwandeln würde, sodass sie vermenschlicht unterginge. So war sie nur eine Form, ein Phantom der menschlichen Gene, welche, in dieser Gegend spärlich, aus Freundlichkeit nach ihr strebten, nicht aus Blutslust, wie die tollwütigen Hunde es in sich trugen und diese sie gleichsam Propeller antrieben.
Sie hatte genug, sie wollte ihr Dasein so nicht mehr verbringen. Sie wollte menschlich untergehen. Sie wollte nicht mehr kämpfen und sich beweisen, sie wollte nicht mehr gegen den Fluss der Menschlichkeit kämpfen, gegen Historia, welche ihr angeblich ebenso feindlich gesinnt war, doch nur neutrale Betrachterin und Erfasserin der Geschehnisse war, sie behütete, aber beschützte nicht. Sie interessierte sich sehr dafür, schickte ihre Boten jener göttlichen Wesen diesen hinterher, als Schutzengel, welche die Geschichte erfassen würden und wussten, wann ihr letztes Blatt beschrieben entstehen würde. Nur sie allein wussten, wo die Geschichte weitergehen würde, doch es schmerzte sie immer auf das Neue, eine alte Seite umzublättern, damit die Neue drankäme, aber alle vorherigen zum ersten Male Schatten und Vergessenheit erleben müssten. Auch in diesem Moment war ein Bote bei dem Mädchen, welches die Nazis hinter sich ihr auflauern wahrnahm.
Sie stockte, sie wurde langsamer, nicht weil sie außer Atem kam, sondern weil ihre Seele sich verflüchtigte und ihrem Körper nicht mehr Treibstoff gab, dass er kämpfen möge, wenn doch schon das Innerste der Innereien sich dagegen sträubte, noch zu funktionieren.
So war das Mädchen durch die Bäume gehaust und am Rande einer Lichtung angekommen, am Rande des Waldes, an welcher Stelle ein glatter, aus Erde und Schneemasse bestehender Abgrund zu finden war. Ihre Beine hielten an, als sie nach vorne blickte und die ferne Weite des Landes vor sich erblicken hatte können.
Hinter dem eisigen Nebel waren feine Rauchspuren verbrannter Häuser zu sehen, durch welche Panzer und Infanterie marschiert waren. Es sollte Tag sein, doch der Himmel trug ein seichtes Rot in sich, welches durch die Flammen ferner Nationen hervorgerufen war, welche im Feuer des stählernen Krieges ertranken. Sie erinnerte sich an die Bahnen der Geschichte, an den Weltkrieg, in dem sie gefangen war, evozierte, dass dies eine Neuigkeit für sie war, ein einmaliges Ereignis an Zerstörung, wie sie es noch nicht erlebt hatte. Ihre feuchten Augen waren fixiert auf dem Horizont, welcher leise Töne an Schusswaffen abgefeuert emittierte, die erst jetzt für sie wahrnehmbar waren. Sie erschrak, griff nach ihrem Herzen, welches gegen ihre zarte Brust pochte, nur bedeckt durch ein zerrissenes weißes Abendkleid, welches sie seit Tagen in Isolation, im Versteck, auf der Flucht trug. Sie spürte keine Kälte, nur Hitze, ihr Atem war ohne Hauch. Tränen formten Kristalle, wenn sie von ihrem Kinn fielen. Sie stockte, sie blieb, sie verharrte.
Sie war menschlich.
"Fatu.nabula.", hatte ihr Mund kaum artikulieren können.
In diesem Moment ertönte ein Schuss hinter ihr, welcher auf sie gerichtet war und ihr durch den Oberkörper drang, das Einschussloch fein, das Ausschussloch jedoch mit Hautfetzen, Fleischklötzen und blutigen Fäden beschmückt war. "Haha! Haha! Jawohl!", kreischte der Hauptmann voller Euphorie, ein unschuldiges Reh angeschossen zu haben, mit seiner Patrone markiert zu haben. Die Wucht hatte die zarte Engelin nach vorne getrieben, katapultiert, als sie die Balance verlor und den Hügel hinunterzurollen begann, sich mehrmals überschlug, schlapp war, sich aber nicht darum bemüht sah, sich aufzustemmen und weiter zu rennen. Sie ließ sich von der Gravitation ziehen und musste sich geschlagen sehen, als sie mit einem zärtlichen Lächeln auf dem Bauch lag, welcher jene blutige Pfütze herbergte, ausströmen ließ, sodass der Schnee um sie herum wie eine Blume zu erblühen begann, rote Formen und Risse einnahm. Bald verwandelte dieser sich in ein Wasser, welches förmlich zu brennen und zu verdampfen begann, als ihr kochendes Blut die Natur berührte und sie belebte.
Fußstampfen von oben.
Halt.
"Los, los!"
Man hatte gar nicht das schöne Wunder betrachten wollen und können, welches um das Mädchen entstanden war, denn aus dem geschmolzenen Schnee waren feine Lilien gedrungen, die Grashalme perforierten die nasse Schneemasse und drückten sich durch, gewannen. Der Anführer der Nazijagdtruppe hatte sein Kommando von sich gegeben, auf welches seine zwei Jagdhunde, abgemagerte und mit Opium aufgeputschte Schäferhunde, zum Mädchen gesprintet, auf sie gesprungen waren und an ihr knurrend zu zerren begannen, ihre Seiten zerfleischten und so viel Brocken aus ihrem Leib beißen und ausspucken versucht hatten, wie es ihnen nur möglich war. Unbeeindruckt war der Hauptmann nach unten geschlendert, hatte das Spektakel vor sich beobachtet, welches grausame Hundelaute und matschige Laute von sich gab, jedoch keinen menschlichen Laut, da das Mädchen keine Kraft finden konnte, etwas von sich zu geben, keine Einsicht, dass dadurch in ihrem...
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