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Das einflussreiche Gabler-Wirtschaftslexikon definiert Arbeit als "zielgerichtete, soziale, planmäßige und bewusste, körperliche und geistige Tätigkeit."1
Sie unterlag immer einem Wandel und auch jetzt rasanten und gravierenden Veränderungen: Demografische Entwicklungen, Arbeitskräftemangel, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind Faktoren, die noch kaum abschätzbare Folgen für die menschliche Arbeit haben werden.
Die Philosophin Lisa Herzog geht davon aus, dass "die Arbeit zur menschlichen Natur" gehöre. Sie sei mehr als ein Mittel zum Geldverdienen, denn die Menschen wollen etwas schaffen, sich als soziale Wesen in einen Arbeitsprozess einbringen. Schon Voltaire, der berühmte französische Theoretiker der Aufklärung, war der Meinung, dass "die Arbeit drei große Übel fernhält: die Langeweile, das Laster und die Not".
Lisa Herzog spricht aber auch von der Transformation der Arbeit, vor allem durch die Digitalisierung, und fordert, dass sich die Politik dringend der Zukunft der Arbeit und ihrer Gestaltung widmen muss.2
"Der Ort der Arbeit war bis Anfang des 19. Jhd. größtenteils die Hand. Mit der Erfindung der Dampfmaschine als energetischem Hebel wanderte der Ort der Arbeit in den menschlichen Kopf, um sich im 21. Jhd. im Roboter darzustellen", heißt es auf einem Plakatsujet des Künstlers Werner Reiterer in einer Ausstellung im Frühjahr 2020 im Kunstraum Dornbirn.
Der Bericht "The Future of Jobs 2020" des Weltwirtschaftsforums (WEF) beschreibt einen offenbar unaufhaltsamen Prozess, der die Übernahme von menschlicher Arbeit durch Maschinen betrifft und Millionen Arbeitsplätze verdrängen wird.3
Künstliche Intelligenz, besonders die so niederschwellig zugängliche sprachbasierte Künstliche Intelligenz wie zum Beispiel ChatGPT, löst gerade eine sehr intensive Diskussion über ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt aus:
"Wenn künstliche Intelligenz die Aufgabe, künstliche Intelligenz zu programmieren, jetzt besser lösen kann als ein Mensch, dann deutet dies drauf hin, dass unsere Erfindungsgabe uns den bösen Streich gespielt hat, unsere Fabriken, Büros und Arbeitsumgebungen in Werkstätten des Teufels zu verwandeln, die uns die Hände in den Schoß legen lassen und unserem Leben Sinn und Struktur rauben", formuliert der Sozialanthropologe James seine Befürchtungen: "Wenn das stimmt, tun wir gut daran, uns Sorgen zu machen. Immerhin arbeiten wir, um zu leben, und leben, um zu arbeiten [.]"4
Es sind aber nicht nur die negativen Aspekte schwindender Arbeitsplätze und damit verbundene Herausforderungen wie Anpassung und Flexibilisierung, sondern auch positive Erwartungen mit diesem laufenden Umbau der Arbeitswelt verbunden.
Schon in den 1970er Jahren propagierte der Philosoph Frithjof Bergmann sein Konzept der New Work: "Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit, die wir leisten, sollte nicht all unsere Kräfte aufzehren und uns erschöpfen. Sie sollte uns stattdessen mehr Kraft und Energie verleihen [.]"5
"Menschenwürdige Arbeit" hat es als Nr. 8 der Nachhaltigkeitsziele sogar bis in die bekannten SDGs, die Sustainable Developement Goals, der von den Vereinten Nationen propagierten Agenda 2030 geschafft.6
"Unser Verhältnis zur Arbeit verändert sich", behauptet der Journalist Birk Grüling in einem Artikel über die "Neue Arbeitswelt" in der FAZ7, denn "gerade Young Professionals wollen ihr Leben nicht mehr der Arbeit unterordnen und fragen nach ihrem Sinn. Ein Indiz dafür: Traditionelle Statussymbole wie Dienstwagen rücken in den Hintergrund. Stattdessen wünschen sich Mitarbeiter mehr Mitbestimmung und Autonomie bei der Arbeitsgestaltung."
Die Wissenschaftler:innen Kerstin Jürgens, Reiner Hoffmann und Christina Schild beschreiben in ihrer Publikation mit dem Titel "Arbeit transformieren!"8 menschenwürdige Arbeit als eine "Arbeit, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft und zur Stärkung unserer Demokratie leistet." Sie fordern daher, "wir müssen die Arbeit selbst und die Rahmenbedingungen der Arbeit in vielerlei Hinsicht neu gestalten, 'Arbeit transformieren!'"
Könnte gerade Kulturarbeit beispielhaft für die transformierte Arbeit der Zukunft sein? Könnte man mit ihrer Hilfe ganz im Sinne Hannah Arendts den Sieg des Animal Laborans überwinden und die drei menschlichen Grundtätigkeiten "Arbeiten, Herstellen und Handeln" wieder miteinander in Beziehung setzen?
"[.] sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte." So beschreibt Arendt in den 1960er Jahren in "Vita Activa"9 ihre Überlegungen zu "Was wir tun, wenn wir tätig sind".
Karl Marx verfasst als junger Mann die "Ökonomisch-politischen Manuskripte"10, in denen er sich mit der Frage von Arbeit und Entfremdung beschäftigt. Er stellt vier Formen der Entfremdung des Menschen von der Arbeit fest: kein Bezug zum Produkt, zum Arbeitsprozess, zu sich selbst, zu den anderen Menschen.
Der Marx'schen Definition entsprechend gilt Kulturarbeit also definitiv nicht als entfremdete Arbeit. Schließlich sind Mitbestimmung und Autonomie, Kreativität und Wirksamkeit elementare Charakteristika von Kulturarbeit. Kann also Kulturarbeit ein Modell für eine sinnstiftende menschliche Beschäftigung in Gegenwart und Zukunft sein?
Für den Autor Hans Platzgumer ist die künstlerische Arbeit Arbeit im besten Sinn, wie er in einem Interview in den Vorarlberger Nachrichten11 vor zwei Jahren äußerte.
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die die Position der Kulturarbeit als Role-Model für die Arbeit der Zukunft nicht nur positiv sehen. So schreibt der Journalist Uwe Mattheis über das Thema Kulturarbeit12, dass "bis auf ein paar Happy Few die überwiegende Zahl der Künstler:innen seit den 1990er Jahren an einem gigantischen Feldversuch über die Zukunft der Arbeit teilnimmt. Das Experiment mit flexibleren Formen des Wirtschaftens könnte interessant sein, wäre es nicht über weite Strecken mit den Zumutungen des Prekariats verbunden."
Der berühmte Musikjournalist und aktuell Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Diedrich Diederichsen, hat sich mit dem Thema "Kreative Arbeit und Selbstverwirklichung" in unterschiedlichen Texten und Veröffentlichungen beschäftigt und er kommt, ähnlich wie Arendt, zu seinen Forderungen, die vor allem eine Re-Politisierung und De-Ökonomisierung der Kreativarbeit betreffen: "Was hülfe es, würde man sich in eine Gewerkschaftsposition gegenüber der Kreativarbeit begeben, was könnte man fordern, ohne gleich alles zu fordern? Nun dies: Die Wieder-Versachlichung der personalisierten Techniken, das Verfügen über Rückzugsmöglichkeiten, die nicht vom Zwang zur Reproduktion aufgefressen werden, die Wieder-Aneignung des Selbst durch das Selbst, die De-Ökonomisierung der Seele, des Körpers, der Präsenz, der Sexyness; die Re-Politisierung, Re-Objektivierung, Re-Reifizierung von Fähigkeiten, Skills, Wissen."13
1 Prainsack, Barbara: Wofür wir arbeiten. Wien: Brandstätter Verlag, 2023, S. 26.
2 Herzog, Lisa: Die Rettung der Arbeit. Ein politischer Aufruf. Berlin: Hanser Verlag, 2019.
3 Bauer, Karin: The Future Of Jobs. In: Der Standard, 2020, 24. Oktober
4 Suzman, James: Sie nannten es Arbeit. Eine andere Geschichte der Menschheit. München: C.H. Beck Verlag, 2021.
5 https://newwork-newculture.dev/frithjofbergmann/ (Zugriff: 12.08.2024)
6 https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/nachhaltige-entwicklung-agenda-2030.html (Zugriff: 12.08.2024)
7 https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/new-work-auf-dem-weg-zur-neuen-arbeitswelt-15546329.html (Zugriff: 12.08.2024)
8 Jürgens, Kerstin & Reiner Hoffmann, Christina Schild (Hg.): Arbeit transformieren! Bielefeld: Transcript Verlag, 2017.
9 Arendt, Hannah: Vita Activa oder Vom tätigen Leben. München: Serie Piper, 1981, S. 15.
10 Marx, Karl: Ökonomisch-politischen Manuskripte. Kommentar von Michael Quante. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009.
11 Dietrich, Christa: Autor Hans Platzgumer und die Arbeit im besten Sinn. In: Vorarlberger Nachrichten, 2019, 15. November.
12 Mattheis, Uwe: Was der...
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