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18. Was bedeutet Großdeutschland? Der Begriff bezeichnet seit den Freiheitskriegen und der deutschen Einheitsbewegung des 19. Jahrhunderts den Zusammenschluss aller deutschsprachigen Gebiete in einer Nation. 1871 war das deutsche Kaiserreich als «kleindeutsche» Lösung der «deutschen Frage» ohne Österreich errichtet worden, nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 wurde in Deutsch-Österreich der Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich propagiert, aber von den Alliierten untersagt.
Nach der Annexion («Anschluss») Österreichs im März 1938 wurde allgemein von Großdeutschland gesprochen, ohne dass die Bezeichnung jedoch schon offiziell war. Dies erfolgte mit der Bezeichnung «Großdeutsches Reich» erst nach der Annexion weiterer Gebiete, des Sudetenlands (Oktober 1938), des Memelgebiets (März 1939), der «Reichsgaue» Danzig-Westpreußen und Wartheland (Oktober 1939), Eupen-Malmedys (Mai 1940), Elsass-Lothringens (Juli 1940) und Luxemburgs (endgültig im August 1942).
19. Was geschah auf den Reichsparteitagen in Nürnberg? Ende Januar 1922 fand in München ein Parteitag der NSDAP statt, zu dem sich 6000 Mitglieder versammelten. Offiziell begann die (nachträgliche) Zählung der Parteitage, die Heerschau und Selbstdarstellung der Hitlerbewegung waren, im folgenden Jahr mit dem 1. Reichsparteitag auf dem Marsfeld in München (27.-29. Januar 1923). Dreieinhalb Jahre später, am 3. und 4. Juli 1926, war Weimar Schauplatz des 2. Reichsparteitages der 1923 verbotenen und 1925 neu gegründeten NSDAP. Alle folgenden Parteitage fanden in Nürnberg statt, das als Inkarnation der altdeutschen Stadt die Kulisse bildete und ab 1933 den Beinamen «Stadt der Reichsparteitage» führen durfte. Ideologisch wurde der Ort usurpiert durch die Tradition der spätmittelalterlichen Reichstage, die in Nürnberg stattgefunden hatten.
1927 (19.-21. August) und 1929 (1.-4. August) fanden der 3. bzw. der 4. Reichsparteitag statt. Nach dem Machterhalt 1933 wurden die Veranstaltungen, die nun stets Anfang September abgehalten wurden, als politisch programmatische Inszenierung des Führerkults durchgeführt, sie standen jeweils unter einem Motto. 1933 wurde der Parteitag «des Sieges», 1934 der «Triumph des Willens», 1935 der Parteitag «der Freiheit», 1936 der «der Ehre», 1937 der «der Arbeit» begangen, 1938, beim letzten Parteitag, denn für Kriegsdauer wurden die Veranstaltungen ausgesetzt, lautete das Motto «Großdeutschland» (für 1939 war der Parteitag «des Friedens» geplant gewesen).
Als architektonischen Rahmen baute Albert Speer das Reichsparteitagsgelände mit der Kongresshalle, der Luitpoldarena, dem Stadion, dem Aufmarschgelände (Zeppelinfeld) und dem Märzfeld im Südosten Nürnbergs. Die größte Baustelle der Repräsentations- und Unterwerfungsarchitektur des Dritten Reiches wurde nie ganz fertig gestellt, erfüllte aber den Zweck, den Paraden, Treuegelöbnissen, Truppenehrungen und der abschließenden Programmrede Hitlers das Forum zu bieten, das die Veranstaltungen zur pseudoreligiösen Kulthandlung machte. In der Form stundenlanger Vorbeimärsche der Parteigliederungen und angeschlossenen Verbände, ab 1934 auch der Wehrmacht, mit nächtlichen Kundgebungen unter dem «Lichtdom» aus Flakscheinwerfern war als Huldigungsmesse für den «Führer» formiert. Die nach Tausenden zählende Statisterie des Spektakels wurde während des mehrtägigen Ereignisses mehrfach ausgetauscht. Die suggestive Wirkung des Gefühls der Einheit von Volk und Führung wurde mit allen medialen Mitteln herbeigeführt und gepflegt.
20. Was bedeuteten die Nürnberger Gesetze? Im September 1935 wurden auf dem «Reichsparteitag der Freiheit» die beiden «Nürnberger Gesetze» erlassen, mit denen die deutschen Juden zu Einwohnern minderen Rechts degradiert wurden. Das «Reichsbürgergesetz» unterschied jetzt «arische» Vollbürger mit politischen Rechten und «Nichtarier» als «Staatsangehörige» ohne politische Rechte. Das «Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre» verbot Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden und stellte sexuelle Beziehungen zwischen «Deutschblütigen» und Juden nach dem neu im Strafgesetzbuch eingeführten Delikt «Rassenschande» unter drakonische Strafe. Mit den Nürnberger Gesetzen war die Emanzipation, die 1871 Juden als gleichberechtigte Bürger des Deutschen Reiches anerkannt hatte, rückgängig gemacht und der Weg zur physischen Vernichtung der Minderheit geebnet worden. Die mörderische Konsequenz der Nürnberger Gesetze war freilich noch nicht zu erkennen, auch nicht von den Betroffenen, die jetzt ausschließlich nach rassistischen Kategorien behandelt wurden, unabhängig davon, ob sie sich selbst als Juden verstanden, einer jüdischen Kultusgemeinde angehörten oder überhaupt von ihrer jüdischen Abstammung wussten. Komplizierte Definitionen, wer Jude im Sinne der neuen Gesetze war, wer als «Mischling» ersten oder zweiten Grades eingestuft, wer zum «Geltungsjuden» deklariert wurde, wer den Makel «jüdisch versippt» zu tragen hatte, wer in «privilegierter Mischehe» (ein nichtjüdischer Ehepartner und Kinder, die getauft waren) vor Verfolgungen (nicht vor Diskriminierung) geschützt war, bestimmten den Alltag der Minderheit bis 1938, als mit dem Novemberpogrom («Reichskristallnacht») die Entrechtung und Verfolgung bis zur Vernichtung im Holocaust einsetzte. Die nach den Nürnberger Gesetzen definierten «Mischlinge» waren nur vorläufig - das zeigte die Wannsee-Konferenz 1942 - vom Schicksal der Juden ausgenommen, ebenso die jüdischen Partner in «privilegierten Mischehen». Der Tod des christlichen Ehepartners oder Scheidung beendete den «privilegierten» Status.
Mit den Nürnberger Gesetzen wurden alle Ausnahmebestimmungen bei den Berufsverboten aufgehoben. Nach den Gewaltexzessen anlässlich der Machtübernahme und vieler Willkürakte wurden die Nürnberger Gesetze als definierter minimaler Rechtsstatus auch von vielen Betroffenen akzeptiert, unter Verkennung der Folgen dieser legislativen Maßnahme.
21. Was war «Euthanasie»? Die Tötung unheilbar Kranker wurde als Erlösung und als Gebot der «Erbgesundheit» öffentlich thematisiert und in Filmen wie «Das Erbe» (1935) oder «Ich klage an» (1941) und in Schulbüchern mit Rechenexempeln über unnütze Esser dargestellt. Die seit 1933 im Dritten Reich propagierte sozialdarwinistische Bevölkerungspolitik gegen Behinderte, die als «Ballastexistenzen», «Defektmenschen», «leere Menschenhülsen» diskriminiert waren, wurde nach der Besetzung Polens erstmals gegen arbeitsunfähige Insassen polnischer Pflegeanstalten praktiziert. Ein mobiles «Sonderkommando» tötete mit Kohlenmonoxyd aus Stahlflaschen. In Posen wurden Geisteskranke in einer Gaskammer ermordet. Eine SS-Einheit erschoss in einem polnischen Waldgebiet Kranke aus Pommern und Westpreußen.
Im Gebiet des Deutschen Reiches begann die Mordaktion mit der euphemistischen Tarnbezeichnung «Euthanasie» (griechisch: «Schöner Tod») Ende Oktober 1939 unter größter Geheimhaltung. Formale Grundlage bildete erst eine mündliche Ermächtigung Hitlers, die dann, auf einem Briefbogen der Privatkanzlei des «Führers» schriftlich fixiert, auf den 1. September 1939, den Kriegsbeginn, zurückdatiert war. «Ermächtigt» waren Karl Brandt, Hitlers Leibarzt, und Philipp Bouhler, der Chef der «Kanzlei des Führers», unheilbar Kranken bei «kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes den Gnadentod» zu gewähren. Meldepflicht für missgestaltete Neugeborene bestand ab August 1939, Meldebögen und ärztliche Gutachter sorgten für ein geregeltes Verfahren des nun einsetzenden Massenmords, der in den Heil- und Pflegeanstalten Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein betrieben wurde. Unter der Tarnbezeichnung «Aktion T 4» war eine nahezu perfekt arbeitende Organisation tätig, die in einer Villa in der Berliner Tiergartenstraße 4 ihre Zentrale hatte.
Eigene Standesämter beurkundeten den Tod, die Leichen wurden sofort eingeäschert. Erkennbar falsche Angaben der Todesursache weckten bei der Benachrichtigung oft das Misstrauen der Angehörigen, der ständige Betrieb der Krematorien in den Euthanasie-Anstalten erregte die Aufmerksamkeit der Umgebung.
Die Justizbehörden erhielten erst im Sommer 1940 durch Hinweise aus der Bevölkerung Kenntnis von den Vorgängen. Reichsjustizminister Gürtner, den sowohl die Vorgänge selbst als auch das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage beunruhigten, drängte auf die sofortige Einstellung der heimlichen Tötung Geisteskranker. Nach seinem Tod im Januar 1941 warb sein kommissarischer Nachfolger Schlegelberger, der den Typ des reaktionären Bürokraten, keineswegs den des fanatischen Nationalsozialisten verkörperte, jedoch bei den nachgeordneten Stellen seines Ressorts ausdrücklich um Verständnis und Unterstützung für die «Euthanasie».
Proteste aus der Bevölkerung wurden von den Kirchen aufgenommen. Der katholische Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, machte am 3. August 1941 den Krankenmord zum Thema einer Predigt. Daraufhin wurden die Tötungen erwachsener Behinderter eingestellt, die Kinder-«Euthanasie» mit unauffälligeren Methoden wie Injektionen oder Nahrungsentzug und Hungertod dauerten an, ebenso die planmäßige Tötung kranker KZ-Häftlinge mit Giftgas in der «Aktion 14f 13» (so genannt nach ihrem Aktenzeichen). Bis zum offiziellen Stopp der «Euthanasie» im Sommer 1941 sind 70 000 Kranke getötet worden, danach noch einmal 50 000.
Die «Aktion Gnadentod» war nur das Vorspiel einer Bevölkerungspolitik durch systematischen Massenmord. Die Erfahrungen und das Personal der «Aktion T 4» wurden wenig...
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