1 - Die Welt des Denkens [Seite 1]
1.1 - Inhaltsverzeichnis [Seite 6]
1.2 - Vorwort [Seite 10]
2 - 1 Kognition und Kultur [Seite 12]
2.1 - 1.1 Die Wissenschaft von den Kognitionen [Seite 13]
2.2 - 1.2 Kulturelle Variabilität [Seite 17]
2.3 - 1.3 Methodische Herausforderungen [Seite 23]
2.4 - 1.4 Aufbau des Buches [Seite 27]
3 - 2 Blau und grün statt blün [Seite 32]
3.1 - 2.1 Licht und Farbe [Seite 33]
3.2 - 2.2 Wahrnehmung von Farbe [Seite 35]
3.3 - 2.3 Sprechen über Farbe [Seite 39]
3.4 - 2.4 Blue and green im Englischen versus siyóim Tarahumara [Seite 44]
3.5 - 2.5 Kategoriengrenzen, ihre Wirkung und Bildung [Seite 49]
4 - 3 Wie heißt dieser Vogel? [Seite 52]
4.1 - 3.1 Vogelexpertise der Shuara [Seite 53]
4.2 - 3.2 Klassifizieren Amerikaner anders? [Seite 59]
4.3 - 3.3 Ethnobiologische Kategorien [Seite 62]
4.4 - 3.4 Kategoriestruktur und Typikalität [Seite 66]
4.5 - 3.5 Prozesse beim Erwerb von Kategorien [Seite 70]
5 - 4 Einige, aber nicht alle [Seite 74]
5.1 - 4.1 Mengen, Quantoren und Syllogismen [Seite 75]
5.2 - 4.2 Logikkompetenz und belief bias bei den Kpelle [Seite 79]
5.3 - 4.3 Logikkompetenz bei Hochschülern? [Seite 83]
5.4 - 4.4 Belief bias auch bei Hochschülern? [Seite 88]
5.5 - 4.5 Bildung, Sprache, Logik und beliefs [Seite 91]
6 - 5 Zwei, vier, sechs, acht, zehn [Seite 94]
6.1 - 5.1 Zählen mit natürlichen Zahlen [Seite 95]
6.2 - 5.2 Zahlensysteme und ihre Eigenschaften [Seite 98]
6.3 - 5.3 Brotfrucht ist nicht gleich Brotfrucht: Zählen auf Mangareva [Seite 107]
6.4 - 5.4 Evolution von Zahlensystemen [Seite 114]
7 - 6 Wege in der Wüste [Seite 118]
7.1 - 6.1 Grundlagen räumlicher Kognition [Seite 119]
7.2 - 6.2 Kognitive Landkarten [Seite 122]
7.3 - 6.3 Räumliche Referenzrahmen [Seite 127]
7.4 - 6.4 Strategien der räumlichen Orientierung beiden Aborigines [Seite 132]
7.5 - 6.5 Sind Aborigines "genordet"? [Seite 137]
8 - 7 Vorwärts oder rückwärts in die Zukunft [Seite 142]
8.1 - 7.1 Physikalische Perspektive: der Pfeil der Zeit [Seite 143]
8.2 - 7.2 Biopsychologische Perspektive: die Gesichter der Zeit [Seite 146]
8.3 - 7.3 Sprachliche Perspektive: die Verankerung der Zeit im Raum [Seite 151]
8.4 - 7.4 Kulturelle Perspektive: die Richtung der Zeit [Seite 158]
9 - 8 Mit den Sternen segeln [Seite 170]
9.1 - 8.1 Die Geografie der Karolineninseln [Seite 171]
9.2 - 8.2 Unterwegs in Auslegerbooten [Seite 174]
9.3 - 8.3 Orientierung an den Sternen [Seite 176]
9.4 - 8.4 Von Insel zu Insel [Seite 181]
9.5 - 8.5 Navigatoren brauchen vielfältige kognitive Kompetenzen [Seite 187]
10 - 9 Theory of Mind [Seite 190]
10.1 - 9.1 Perspektivenwechsel - eine spezifischmenschliche Kernkompetenz? [Seite 191]
10.2 - 9.2 Entwicklung der Theory of Mind [Seite 197]
10.3 - 9.3 Soziale und kulturelle Einflüsse [Seite 200]
10.4 - 9.4 Kulturspezifische Theories of Mind [Seite 204]
11 - 10 Mensch ärgere dich nicht [Seite 212]
11.1 - 10.1 Was ist eine Emotion? [Seite 213]
11.2 - 10.2 Am Gesicht, da könnt ihr sie erkennen! [Seite 215]
11.3 - 10.3 Auf die Ereigniseinschätzung kommt es an [Seite 217]
11.4 - 10.4 Das Emotionslexikon und seine Ordnung [Seite 228]
11.5 - 10.5 Kulturelle Einflüsse auf mehreren Ebenen [Seite 233]
12 - 11 Zurück zum Ausgangspunkt [Seite 236]
12.1 - 11.1 Kaleidoskop der Kognitionen [Seite 236]
12.2 - 11.2 Wie tief reichen die kulturellen Einflüsse? [Seite 241]
12.3 - 11.3 Die Bedeutung von Kultur [Seite 246]
13 - Literatur [Seite 250]
14 - Sachregister [Seite 282]
15 - Länder, Sprachen und Kulturen [Seite 286]
16 - Zu den Autoren [Seite 288]
2 Blau und grün statt blün Beeinflussen Farbkategorien die Farbwahrnehmung? (S. 31-32)
Nie zuvor hatte Krabat darauf geachtet, wie vielerlei Grün es gab, hundert Arten von Grasgrün, von Birken- und Weidengrün, Moosgrün dazwischen, bisweilen mit einem Stich ins Bläuliche, junges, flammendes Grün an den Ufern des Mühlenweihers, an jeder Hecke, an jedem Beerenstrauch . Otfried Preußler, Krabat, 1979, S. 203.
Ein Regenbogen entsteht, wenn Sonnenlicht im richtigen Winkel durch Wassertropfen fällt. Das Licht bricht sich in den Tropfen und wird in ein Spektrum von Farben aufgespalten, die wir dann am Himmel als Bogen sehen. Er erscheint uns aus Bändern verschiedener Farben zusammengesetzt, welche die meisten Personen von außen nach innen wie folgt bezeichnen: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. Allerdings hat das Farbspektrum des Sonnenlichts weit mehr als diese sechs Farbtöne, denn die Farben gehen fließend ineinander über. Wie kommen wir dann dazu, den Regenbogen mit einigen wenigen, spezifischen Farben zu beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir analysieren, wie Menschen Farben wahrnehmen, welche Farbbegriffe ihnen ihre Sprache zur Verfügung stellt und wie sie damit das Farbspektrum abdecken.
Farbbegriffe bezeichnen Kategorien ähnlicher Farben. Wir können Objekte danach kategorisieren, ob sie rot, gelb, grün oder blau sind. Farbbegriffe sind also das Resultat einer Kategorienbildung und damit ein Resultat des Denkens. Mit der These zur Linguistischen Relativität von Sapir und Whorf (Sapir, 1921, 1929; Whorf, 1991; original in Carroll, 1956; s. auch Gumperz & Levinson, 1996; Lucy, 1997) wurde die Frage aufgeworfen, ob vorhandene sprachliche Kategorien umgekehrt auch das Denken determinieren (starke Version) oder es zumindest beeinflussen (schwache Version). Nehmen zwei Personen Farben unterschiedlich wahr oder denken sie anders über Farben, wenn sie verschiedene Farbkategorien beziehungsweise Farbbegriffe haben?
Das Zusammenspiel von Farbkategorien und anderen Kognitionen wird in diesem Kapitel anhand klassischer Studien diskutiert, in der englischsprachige Personen mit Tarahumara-Indianern aus Mexiko verglichen werden, deren Sprache nur ein Wort für Blau und Grün hat. Als Hintergrund werden zunächst die physikalischen Grundlagen des Lichts und verschiedene Systeme zur Ordnung von Farben erläutert (Kapitel 2.1). Danach werden ausgewählte Aspekte der Farbwahrnehmung behandelt (Kapitel 2.2) und Befunde zur Benennung von Farben vorgestellt (Kapitel 2.3). Damit sind die Grundlagen gelegt, um das Fallbeispiel der Tarahumara vorzustellen (Kapitel 2.4). Abschließend werden Wirkung und Bildung von Kategoriengrenzen diskutiert (Kapitel 2.5).