Schweitzer Fachinformationen
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Ein leuchtendblauer Himmel spannte sich über das dunkelblaue Wasser der Kieler Förde. Die Möwen kreischten aufgeregt am Himmel, während hinter Frauke Knoops Rücken gemächlich ein Frachter in den Nord-Ostsee-Kanal einfuhr. Tief in ihre Gedanken versunken stand die Kommissarin auf dem Tiessenkai und betrachtete das Schiffercafé. In ihren ruhelosen Jahren hatte sie dort in Gesellschaft ihrer besten Freundin Melanie vergnügliche Stunden verbracht. Sei es sonntags beim Tango mit mehr oder weniger temperamentvollen Tänzern oder auch einfach bei Musik, gutem Essen und heiteren Gesprächen. Jetzt war ihr alles andere als heiter zumute, lag vor ihr doch das Opfer einer brutalen Gewaltorgie.
Seit den qualvollen Stunden in der Gewalt des Kieler Frauenmörders fiel ihr die notwendige Distanz zur alltäglichen Brutalität ihres Jobs schwer. Ein Mord in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, so nahe, dass sie zu Fuß zum Tatort gekommen war, machte es ihr nicht gerade leichter.
Der streng logische und analytische Teil ihres Ichs beschwerte sich darüber, dass sie Trauer und Schmerz zu sehr zuließ.
"Träumst du?"
Die Kommissarin zuckte zusammen und schüttelte sich, ehe sie sich ihrer Kollegin Uta zuwandte.
"Ist die Gerichtsmedizinerin fertig?"
"Ja, sie bestätigt unsere Vermutung, dass er von hinten erschossen wurde. Vier Projektile trafen ihn im Rücken, mindestens eines davon perforierte sein Herz. Als er auf dem Boden lag, wurde ihm dann noch zweimal in den Kopf geschossen."
Vor lauter Abscheu schüttelte Frauke sich erneut.
"Also eine Übertötung? Anscheinend wollte da jemand ganz sichergehen. Klingt nach einem Profi, einem Auftragskiller von der organisierten Kriminalität, Mafia oder so."
"Oder jemand war einfach saumäßig wütend auf ihn. Jedenfalls handelt es sich bei Herrn Sterz um kein Zufallsopfer. Ich vermute, er spazierte arglos den Tiessenkai entlang, während sein Mörder hinter der Gebäudeecke hier auf ihn lauerte. Als er vorbei war, trat hinter ihm der Täter hervor und schoss."
Uta zeigte in die entsprechenden Richtungen. Fraukes Blicke folgten ihr.
"So könnte es gewesen sein. Das würde allerdings bedeuten, ..."
"... dass der Mörder wusste, dass er hier entlangkommen würde."
"Außerdem ging der Täter ein hohes Risiko ein. Sonntagmorgens sind hier zwar sicherlich keine Menschenmassen unterwegs, aber durchaus hin und wieder ein Jogger oder Hundebesitzer. Und sechs Schüsse sind nicht zu überhören."
"Trotzdem haben wir bisher niemanden gefunden, dem eine verdächtige Person aufgefallen ist."
"Was wiederum für die Verwendung eines Schalldämpfers und somit für einen Profi-Killer spricht!"
Nachdenklich betrachtete Frauke den Toten und murmelte:
"Wen hast du derart verärgert, dass er sich so grausam an dir rächte? Du bist doch bestimmt schon siebzig..."
"Er ist erst sechsundsechzig und wohnte nicht weit von hier in der Richthofen Straße. Dort wartet übrigens vermutlich seit einigen Stunden seine Frau vergeblich auf ihn. Wir sollten sie über seinen Tod informieren, ehe sie es auf anderen Wegen erfährt."
Die Adresse des Toten entpuppte sich als ein gesichtsloses Mietshaus. Beim Eintreffen der Kriminalistinnen stand eine ältere Frau in der Tür des Gebäudes und starrte sorgenvoll die Straße hinunter. Uta und Frauke tauschten einen Blick. Vermutlich handelte es sich um die Witwe Sterz, die noch nicht wusste, dass sie Witwe war.
Während die Beamtinnen direkt vor dem Haus parkten und ausstiegen, verfolgte die Alte die beiden Fremden mit ihren Blicken. Als die sich ihr zuwandten, schüttelte sie ihren Kopf hin und her, flüsterte erst, steigerte die Lautstärke dann, bis sie schließlich laut brüllte:
"Nein! Nein! Nein! Nein!"
Uta schritt energisch auf sie zu, ergriff ihre Hand und packte sie fest genug am Oberarm, um sie jederzeit vor einem Sturz bewahren zu können, während Frauke nach einem Notfallseelsorger und einem Notarzt telefonierte.
"Wir sind von der Polizei, bitte lassen Sie uns ins Haus gehen!", sprach Uta freundlich, aber bestimmt auf die Alte ein.
Frauke folgte den beiden hoch in den zweiten Stock. Das Innere der Wohnung war sauber und aufgeräumt, wirkte aber bescheiden. Geld fiel somit wohl als Mordmotiv aus, zumindest auf den ersten Blick. Uta setzte sich mit der Witwe aufs Sofa, hielt tapfer ihre zittrige Hand und tätschelte sie gelegentlich, während die Frau in einem kaum verständlichen Dialekt laut klagte und heulte. Zwischendurch wurde Frau Sterz von Weinkrämpfen geschüttelt. Frauke redete beruhigend auf die Alte ein, getrieben von der Hoffnung, ihr vielleicht doch noch die ein oder andere Frage stellen zu können. Letztlich waren beide Beamtinnen froh, als nach wenigen Minuten fast zeitgleich der Notarzt und der Notfallseelsorger eintrafen. Die Polizistinnen überließen die Hausherrin den professionellen Helfern, zwar erleichtert, aber ohne von ihr etwas erfahren zu haben.
Tausende Kilometer entfernt quälte Roland die Frage, wie viel Lüge eine Liebe vertrug. Nervös wartete er in einem kleinen Lokal auf Melek, seine letzte Beziehung vor seiner jetzigen Liebe Frauke. Jene war mit ihren Sommersprossen und den rötlich-blonden Haaren nicht nur ein ganz anderer Typ als die südländische Melek, sondern wäre sicher nicht amüsiert, erführe sie, dass er sich heimlich mit seiner Ex traf. Er war auch nicht in Sankt Petersburg oder sonst wo in Russland, wo Frauke ihn vermutete, sondern im türkischen Izmir. Der Gedanke, Frauke erführe von seinem Verrat und würde ihn daraufhin in die Wüste schicken, lag ihm schwer im Magen.
Roland verspürte den starken Drang, sie anzurufen und mit ihr offen über alles zu reden. Aber das war völlig unmöglich, auch wenn er einzig hier war, um sie zu schützen und das gleich in zweifacher Hinsicht.
"Hey!"
Roland sah vom Tisch auf. Melek stand in einem sich eng an ihren Körper schmiegenden, knallroten Kleid vor ihm und lächelte auf ihn herab. Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Ihr schwarzes Haar glänzte seidig, ihre mandelförmigen Augen strahlten und ihre herzförmigen Lippen schimmerten in einem verführerischen Rot. Vor lauter Überraschung sprang er so hektisch auf, dass sein Stuhl nach hinten umkippte, woraufhin sich die übrigen Gäste sowie die Kellner ihm zuwandten. Missbilligend starrten sie alle ihn an.
"Oh . hey! Ich habe dich gar nicht kommen sehen."
Roland drehte sich um, bückte sich und stellte den Stuhl wieder hin. Dann stand er unsicher Melek gegenüber. Sie musterten einander, besonders gründlich ihre Gesichter, ehe sie ihre Blicke über den Körper des jeweils anderen gleiten ließen. Ihre Brüste zogen seine Augen magisch an, er zwang seine Blicke stattdessen auf ihre nackten Schultern, was ihm unverfänglicher erschien.
"Gut siehst du aus!", teilte Roland ihr das Ergebnis seiner Überprüfung mit.
"Du auch!"
Melek breitete ihre Arme aus und lächelte einladend. Er zauderte kurz, machte dann aber den fehlenden Schritt auf sie zu und schloss sie in die Arme, erst zögerlich, dann immer fester. Ihre Nähe und ihr süßlich-blumiger Duft mit einer deutlichen Lavendel-Note raubten ihm schier die Sinne.
"Du riechst gut, aber anders als früher."
Sie schnaubte kurz.
"Mein bevorzugtes Parfüm ist nicht das Einzige, was sich verändert hat!"
Das ehemalige Liebespaar ließ voneinander ab. Roland trat wieder einen Schritt zurück, lief um die schlanke Schönheit herum auf die andere Seite des kleinen Tisches und zog den dort auf sie wartenden Stuhl zurück.
"Setz dich doch bitte!"
"Danke!"
Melek nahm Platz, rückte dann ihre zierliche Handtasche auf ihrem Schoss zurecht, musterte die kleinen Tische mit den weißen Decken und den brennenden Kerzen, die Natursteinmauern des Kellergewölbes sowie die Kellner in ihren schwarzen Hosen und weißen Hemden.
"Hübsch hier, du hast das Lokal gut gewählt!"
"Danke. Du bist selbstverständlich mein Gast."
Ein Kellner trat an den Tisch und reichte ihnen die Speisekarten.
"Darf ich Ihnen vielleicht schon etwas zu trinken bringen?"
Nachdem sie sich entschieden und ihre Bestellungen aufgegeben hatten, sahen sie einander befangen an. Der Kellner kehrte rasch zurück, brachte ein kleines Bier für Roland und einen Aperol Sprizz für Melek. Sie prosteten einander zu und tranken je einen kleinen Schluck. Endlich brach sie das Schweigen:
"Ich dachte, von dir höre ich nie wieder etwas."
"So hatten wir es ja auch vereinbart."
"Aber?"
Roland vermeinte, das zarte Glimmen leiser Hoffnung in ihren Augen zu erkennen.
"Du bist der einzige Mensch, dem ich vollkommen vertraue und mit dem ich wirklich offen über alles reden kann. Du weißt mehr über mich als jeder andere. Gerade kannst nur du mir helfen. Und glaub mir, Hilfe habe ich gerade bitter nötig! Wobei ."
"Bevor du weitersprichst", unterbrach sie ihn, "ich bin jetzt verheiratet!"
"Du?" Ungläubig starrte er sie an. "Du wolltest doch nie ."
"Ich hatte keine Wahl!"
"Weil du schwanger ."
"Nein!"
Sie blitzte ihn erst zornig an, senkte dann ihren Kopf und verbarg ihr Gesicht hinter ihren Haaren. Mit zitternden Fingern öffnete sie ihr Handtäschchen und kramte darin herum, während sie gegen ein Schluchzen ankämpfte. Roland schluckte schwer. Sie zog ein...
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