Schweitzer Fachinformationen
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Ypsilon ist gleich a eins hoch Alpha mal . nein, r mal a eins hoch Alpha . oder war es Beta?
»O Goooooott!« Ich decke das Vorlesungsmanuskript auf und starre auf die Buchstaben.
Um keinen Preis der Welt kriege ich diese dämlichen Formeln in mein Hirn.
Frustriert werfe ich den Kugelschreiber auf den Block und atme tief aus.
Macht nichts, wenn du durchfällst. Das ist überhaupt kein Problem. Es ist nur eine Probeklausur, und bis zu den echten Klausuren hast du noch gut sechs Wochen. Bis dahin .
»Und? Wie läuft's?« Frida bleibt neben mir stehen, erhascht einen Blick auf meine Unterlagen und verzieht das Gesicht.
»Passt schon!«
Stimmt mit keiner Silbe. Es passt gar nicht. Nicht mal im Ansatz. Die Prüfung heute wird ein absolutes Desaster. Ich tippe zweimal auf mein Handydisplay. Noch zehn Minuten, dann muss ich los.
In meinen Untergang.
Als ich bemerke, dass meine Finger zittern, verstecke ich sie schnell im Schoß. Frida kriegt es trotzdem mit und tätschelt mir mitfühlend den Arm. »Das wird schon, Süße«, sagt sie und zieht sich hinter den Tresen zurück, weil ein neuer Gast gekommen ist.
Frida gehört das Black Cat im Zentrum von Marchlyn Falls. Das Café befindet sich in einem dieser schnuckeligen zweistöckigen Stadthäuschen und ist wunderschön eingerichtet mit wild zusammengewürfelten Vintage-Tischen und -Stühlen. Eine Innenwand besteht aus rauem Naturstein, was total stimmungsvoll aussieht. Überall hängen und stehen Grünpflanzen, und die Bänke und das große Sitzfenster schmücken jede Menge bunter Kissen. Außerdem lebt hier Robert the Bruce. Der Kater ist der heimliche Herrscher über das Café. Nur ausgesuchte Menschen dürfen durch sein Flauschefell kraulen und bei ganz besonders ausgesuchten (hängt auch ein bisschen von Roberts Laune ab) springt er sogar auf den Schoß, rollt sich zusammen und beglückt sie schnurrend mit seiner weißen Haarflut.
Frida lebt ein absolutes Traumleben. Sie wohnt in ihrem kleinen Cottage am Stadtrand mit Blick auf die Berge von Snowdonia, steht jeden Tag für ihre Gäste hinter dem Tresen, bäckt, serviert Kaffee und Tee und macht damit viele Menschen glücklich.
Ich zumindest kann mir nichts vorstellen, was näher an so etwas wie ein Traumleben herankommt.
Ich seufze.
Mein Leben wird wohl nie so aussehen.
Gerade quäle ich mich durch einen Master in Business Administration, um mal einen guten Job zu bekommen, wie meine Eltern zu sagen pflegen. Zum Beispiel in einer Bank, so wie mein Dad, oder einem großen Wirtschaftsunternehmen. Sie möchten das so und haben sogar einen Teil ihres Rentenfonds drangegeben, damit ich hier an der privaten Bloomsbury University den Master machen kann. An einer staatlichen Uni hätte mich mit meinem katastrophalen Bachelor-Abschluss niemand auch nur in die Nähe eines Masterstudiums gelassen.
Im Januar sind nicht besonders viele Touristen in Marchlyn Falls, und im Café ist es angenehm ruhig. Draußen ist der Himmel sturmumwölkt, deshalb sind sogar um neun Uhr morgens noch alle Lampen an und tauchen den Gastraum in ein heimeliges Licht. Ich sitze an einem der Bistrotische. Man sieht die Marmorplatte schon gar nicht mehr, weil sie voll liegt mit Ausdrucken, gekritzelten Mitschriften und abgebrochenen Versuchen, die Formeln auf Papier zu reproduzieren.
Aus dem Augenwinkel registriere ich einen Mann mit fellbesetzter Cabriohaube, der vor dem Tresen steht und leicht nach hinten gebeugt die Auswahl in der Glasvitrine inspiziert.
Mr. Fellmütze bestellt irgendetwas, und als Frida ihm eine meiner frischen Cinnamon Rolls einpackt, durchzuckt mich ein Glücksgefühl. Seit einer halben Stunde sind sie fertig, und der leichte Duft von Zimt und Gebackenem liegt noch in der Luft. Sie sind richtig gut geworden. Innen fluffig und weich, außen ein bisschen knusprig, und ich habe genau die passende Menge Füllung erwischt, um sie saftig zu machen.
Der Gast bezahlt, tritt mit der Papiertüte in den Händen nach draußen und mein Blick folgt ihm durch die große Fensterscheibe. Auf dem Gehsteig bleibt er stehen, holt die Schnecke hervor und beißt hinein. Und ich muss grinsen, weil es nichts Schöneres gibt, als mitzubekommen, wenn Menschen mein Essen mögen und es genießen.
Seit ein paar Wochen (genauer gesagt seit dem desaströsen Weihnachtsfest bei meinen Eltern) unterstütze ich Frida. Hauptsächlich bin ich für die selbst gemachten Kuchen und das Gebäck verantwortlich, nur ganz selten mache ich Kaffee. Nachdem ich mir einmal an dem heißen Dampf die Finger so sehr verbrannt habe, dass mein Schrei wahrscheinlich bis ans andere Ende der Bucht zu hören war, werden diese monströse Siebträgermaschine und ich garantiert keine Freunde mehr. Frida besteht darauf, mir dafür etwas zu zahlen, dass ich jeden Tag zwei bis drei Stunden in ihrer Küche stehe. Dabei macht mir das total viel Spaß und hilft mir, bei dem ganzen Lernstoff und den anstehenden Klausuren nicht komplett durchzudrehen. Und backen würde ich ja sowieso, weil ich mehrmals die Woche ein neues TikTok darüber auf meinem Kanal poste.
Wenn ich koche und backe, geht es mir gut. Meine Hände sind beschäftigt, ich weiß, was ich tue, und meine Gedanken schweifen nicht ständig ab. Es beruhigt mich. Deswegen war ich auch heute früh schon um sieben Uhr im Black Cat.
Ich reibe mir über die Stirn und drehe mich zurück zu meinem Ordner, in den ich die Ausdrucke einer ganzen Vorlesung geheftet habe. (Lily meinte, von Papier zu lernen sei einfacher als am Screen. Da hat sie sich aber getäuscht, weil irgendwelche Formeln ins Hirn zu pressen in keiner Form einfach ist.)
Es geht um das Fach Economics I. Die Formel, die vor mir liegt, ist so lang, dass sie beinahe nicht mehr auf die Seite passt, und mein Mund wird bei dem Anblick trocken. »Das ist doch Folter«, murmle ich und beginne planlos, die nächste Formel aus dem Skript (Grenzrate der technischen Substitution - was zur Hölle soll das sein?) abzuschreiben. Wenn ich sie ganz oft wiederhole, bleibt sie vielleicht hängen, obwohl ich sie nicht verstehe. Das wäre doch möglich, oder?
Während ich die völlig nebulöse Folge von Buchstaben und Zahlen auf ein Blatt Papier kritzle, knibble ich mit Daumen und Zeigefinger meiner rechten Hand am Nagellack herum. Zu spät merke ich, was ich da mache. Die Ecken sind bereits abgeblättert. Mir entfährt ein unwilliger Laut. Für die TikToks ist es wichtig, dass die Hände sauber und hübsch aussehen, sonst kriegt man richtig fiese Kommentare. Hab einmal nicht darauf geachtet, weil ich unbedingt noch die Strawberry Cookies aufnehmen und posten wollte - mache ich nie wieder.
Schon mal was von Maniküre gehört?
Schaut euch die Nagelhäutchen an, mir wird übel.
Ekelhaft #wouldnevereatthat #disgusting
Etwas anderes als meine Hände zeige ich in den Clips sowieso nicht. Ich bin nicht gerade eine Size Zero und möchte mir gar nicht vorstellen, was kommentiert werden würde, sollte ich mal mehr von mir aufnehmen.
Mein Handydisplay leuchtet auf.
Mum: Viel Erfolg bei der Klausur heute.
Ich blinzle. Woher weiß sie, dass heute eine Klausur stattfindet? Ganz absichtlich habe ich meinen Eltern nichts von den Probeklausuren im Januar erzählt. Die hätten mich sonst wochenlang genervt, dass ich mich anstrengen soll und dass viel davon abhängt, und dass sie doch so eine große Summe dafür zahlen .
Bei dem Gedanken bekomme ich ein dumpfes Gefühl im Magen. Ich wische Mums Nachricht vom Display. Damit befasse ich mich später. Oder morgen. Ja, morgen ist ein guter Tag, ihr zu antworten, wir sprechen ja ohnehin kaum in letzter Zeit.
Ich klappe meinen Ordner zu.
Whatever. Diese bescheuerte Formel zur Grenzrate checke ich sowieso nicht mehr, also kann ich es auch gleich lassen. Ich gehe da jetzt hin, schreibe die Klausur und hake sie ab. Und ab morgen lerne ich wirklich. So richtig in der Bibliothek, wie Lily es oft macht. Ich arbeite das ganze Buch von Economics durch. Mit allen Formeln, von Anfang an.
Ich ziehe meinen Rucksack vom Stuhl neben mir, stopfe den Ordner hinein und wende mich in Richtung Tresen. »Machst du mir die voll?«, frage ich Frida und reiche ihr meine Trinkflasche.
»Aber klar doch, Schätzchen. Und dir geht's wirklich gut?«
»Natürlich geht's mir gut! Wusstest du, dass es die Konzentrationsfähigkeit fördern kann, wenn man genug trinkt?«, versuche ich abzulenken und stütze mich mit beiden Unterarmen auf dem Tresen ab. »Die Klausur geht zwar nur eine Stunde, aber es kann nie schaden, wenn man vorbereitet ist.« Zum Beispiel für den Fall, dass man nicht weiterweiß und sich denkt: Jetzt trink erst mal einen Schluck, dann verstehst du die Fragestellung anschließend vielleicht (Spoiler: klappt normalerweise nicht, aber ich möchte nichts unversucht lassen).
Bei dem Gedanken daran, dass ich in einer guten Stunde vor dem Prüfungsbogen sitzen werde, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.
»Ach ja?« Fridas kritischer Blick trifft mich, während sie die Flasche auffüllt. Ihre Nägel sind immer perfekt lackiert, meist in irgendeinem Pink-Ton. Ich habe Frida noch nie ungeschminkt gesehen. Sie ist stets hübsch gekleidet und trägt häufig Schmuck. Heimlich träume ich davon, mit Frida zusammen einen YouTube-Kanal zu eröffnen und eine Backshow auf die Beine zu stellen. Cosy Café Secrets oder so was. Das Black Cat wäre die perfekte Kulisse,...
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