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Wenn hier großspurig von der Fremdsprachenfalle die Rede ist, dann ist tatsächlich nur die Englischfalle gemeint. Denn Englisch ist, das kann man guten Gewissens behaupten, die Weltsprache der Popmusik. Wohl kaum ein spanischer Star würde versuchen, international auf Finnisch zu reüssieren. Aber: Englisch hat seine Tücken. Und so hat das krampfhafte Bemühen, als irgendwie britisch oder amerikanisch wahrgenommen zu werden, auch schon einige deutsche Stars ziemlich, nun ja, deutsch klingen lassen. Zwei Aspekte sind dabei entscheidend: die Aussprache und die Grammatik.
Was die Aussprache betrifft, ist für mich Frank Bornemann der tragische Englischfallentapser schlechthin. Als Gründer, Kopf, Gitarrist und Frontmann der Hannoveraner Artrockband Eloy ist er seit Jahrzehnten berühmt für seinen ausdruckslosen Gesang und, noch mehr, für seine absolut unbritische Artikulation: kaum Thie-Äitsch, seltsame Betonungen - »native speakers« sind eher »not amused«. Eloy machten und machen gar keine schlechte Musik. Und noch heute bin ich der Meinung, dass ihnen der weltweite Durchbruch gelungen wäre, wenn Bornemann einen charismatischeren Sänger mit besserem Englisch ans Mikrofon gelassen hätte. Doch was mische ich mich da ein, that's not my business!
In puncto Grammatik wage ich die These, dass es gerade die frühen deutschen Rockbands wesentlich schwerer hatten als ihre heutigen Nacheiferer. Englisch wurde in den Schulen der Sechziger- und Siebzigerjahre zwar flächendeckend unterrichtet, aber nicht alle Schüler:innen dürften Sprachtalente gewesen sein. Und was da mit der Pop- und Rockmusik an exotischen neuen Vokabeln und Ausdrucksweisen in deutsche Jugendzimmer schwappte, fand sich in Klassenzimmern bestimmt nicht wieder. Weil Songtexte nur selten gedruckt vorlagen, mussten sich junge Musiker die Lyrics mühsam heraushören oder besser: herausahnen, und andererseits - neben der Wort-für-Wort-Übertragung - viel Fantasie und lautmalerisches Geschick beim Verfassen und Vortragen eigener englischsprachiger Songverse aufbringen.
Eine andere Erklärung habe ich nicht für Songs wie Poor Boy von The Lords, der 1966 mit kruden Zeilen wie diesen aufwartete: When I was born, you know, / I couldn't speak and go. / My mother worked each day, / And she learned me to say: / Mother and father and son, // Sister and uncle are one. / And she learned me to say: / Life is so hard each day. // Poor boy, you must know: / Poor boy's life is a hard row. / Poor boy, poor boy, you must say: / Life is very hard to stay.
Abgesehen von der banalen Feststellung, dass man als Baby weder sprechen noch laufen kann, lässt sich nur diese mütterliche Weisheit als Songbotschaft identifizieren: Mein armer Junge, das Leben ist hart! Ansonsten rätselt man über die sprachlichen Ungenauigkeiten, die die munteren Berliner hier am Fließband zu produzieren scheinen: »I couldn't go« statt »I couldn't walk«, »She learned me to say« statt »She taught me to say«, »Life is very hard to stay« statt »It's very hard to live« oder gar ». to survive«. Handelt es sich um eine halbwegs schlüssige Nachempfindung der Arme-Leute- und Sklavensprache aus dem Amerika des frühen 19. Jahrhunderts? Das könnten Wendungen wie »learned me to say« und »life is a hard row« (als Kurzform von »life is a hard row to hoe«) durchaus suggerieren . Oder haben die Lords hier doch nur ein paar fette »Wir wussten's nicht besser«-Klöpse zum Besten gegeben?
Für die Fette-Klöpse-These spricht, dass manche Wendungen so dahingenuschelt sind, dass man sie auch anders verstehen könnte, etwa: I couldn't speak: I'll go. Oder: Mother and father and son, sister and uncle are fun beziehungsweise have fun. Oder aber: poor boy's life is hard to go. Mit anderen Worten: Die Botschaft, die der Text vermittelt, bleibt nur vage, beinahe beliebig. Und Sänger Ulli Günther soll einmal behauptet haben, Aussprache und Grammatikfehler seien der Truppe egal, nicht so wichtig. Darüber hinaus kultivierten die Lords im Bandnamen wie in ihren Outfits ein Spaß-Image, das - ganz im Gegensatz zum vermeintlichen US-Underdog-Englisch des Textes - vor allem auf die britische Aristokratie anspielte. So gesehen und gehört wirken der Hit Poor Boy und seine Präsentation wie ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk an anglogermanisch-amerikanischer Sprach- und Kulturverwirrung - samt knackigem Rhythmus, zwingender Melodie und einem selbstbewussten Vortrag, vor dem man einfach kapitulieren muss.
Eine ähnliche Unbekümmertheit legte die Hamburger Band The Rattles in ihrem größten Hit The Witch an den Tag. Der 1969 erschienene und ursprünglich von Henner Hoier, dann, 1970, noch einmal von Edna Béjarano eingesungene Song kreist um etwas, das man auch nicht jeden Tag erlebt: die Belästigung durch eine Hexe. Hui! Die Band rockt vorzüglich, die schrillen Streicherpassagen sind innovativ, doch am Ende ist es nicht etwa die Hexe, sondern das Englisch, das einem eiskalte Schauer über den Rücken jagt: Can't you see my death fear? / I can hear her voice shoutin' everywhere. / Who know what I've could done. / It must be so bad that a witch does care. Da singen sie in offensichtlicher 1:1-Übersetzung des Wörtchens »Todesangst« von »death fear« statt von »fear of death«. Da schwören sie: »I can hear her voice shoutin' everywhere« statt »I can hear her shoutin' everywhere« oder auch »I can hear her voice everywhere«. Und last but not least heißt es zur möglichen Schuld des Sprechers: »Who know what I've could done« statt »Who knows what I could've done«, falls ich es korrekt rausgehört habe. Egal. Denn was immer man heraushört, es will keinen ordentlichen Satz ergeben. Dass Briten das »that« in der letzten Zeile eher weglassen würden - »so bad a witch does care« -, geschenkt. Auch hier gilt, was für The Lords gesagt wurde: mitreißender Rock, fantastisch gespielt und betörend gesungen - das ist die Hauptsache. Den Text soll doch der Teufel holen.
Kniffliger wird es, wenn man den Fans tatsächlich etwas mitteilen möchte. So wie die Hamburger Heavy-, Hard- und Artrockband Frumpy, die sich in ihren Texten trotz offensichtlich limitierter Englischkenntnisse an hochkomplexe Themen und Zusammenhänge wagte. Bei Frumpy ging es oft um Freiheit, aber genauso um das Leid der Menschen und um eine bessere Zukunft. Edle Absichten, die man allerdings sehr frei formulierte. Das aus mehreren Teilen bestehende Miniepos Take Care of Illusion aus dem Jahr 1971 etwa erzählt von einem nächtlichen Brand in der Nachbarschaft! Die Erzählerin rennt los, um Leben zu retten, und stößt auf eine hilflose Menschenmenge, die mitansehen muss, wie alles verloren geht. Grund genug, über die Schicksale der Opfer nachzudenken - und darüber, wie schnell alles vorbei sein kann. Aber dann die Schlusswendung: Die Hausbewohner haben überlebt! Weshalb man wohl immer an seinen Träumen festhalten sollte . so in etwa.
Wieder stoßen kraftvolle, virtuose Rockmusik und starker Gesang (Inga Rumpf) auf fast kindlich-naiv anmutende englischsprachige Holperverse, die selten zusammenpassen. Da >scheinte< - erzählt wird in »epischem Präteritum« mit wenig motivierten Ausflügen ins Perfekt und ins Präsens - >das Feuer mächtig hell<, und die Erzählerin >hat ein Warnzeichen gefühlt, in verwirrter Furcht<. Sie wollte los, >dem blutroten Glanz folgen<, >die schlafenden Kinder und Ehefrau retten<, dabei rannte seltsamerweise >sie selbst um ihr Leben< - und, >yeah, es war schon ein großer Jammer<, was da passierte. Da >war das Weinen laut, denn alles brennt nieder<, und irgendwie >ist da viel Schmerz, wenn alles umsonst war<. Im O-Ton: I saw the light tonight, / it shined mighty bright / [.]. / So I have been in confused fear. / Got up and followed that blood red shine, / 'cause I felt a warning sign. / Yeah, it seemed to be . / Yeah, big misery! / [.]. / I was running for my life / to save the sleeping children and wife. / [.]. They watched the flames and their crying was loud. / [.]. / It's burning down, it's burning to the ground. / It's a lot of pain when you see it was all in vain.
Auch die Schlusswendung mutet unpassend an, inhaltlich wie grammatikalisch: >Oh, alle sind am Leben gewesen und öffneten bald ihre Augen...
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