3.
Atlantik, August 2027
"Herzlichen willkommen an Bord", begrüßte Lieutenant McBride die Gruppe. In dem großen, von offenbar zu vielen Neonröhren grell beleuchteten Raum, saßen drei Personen verloren auf einfachen Stühlen in der Mitte der ersten Sitzreihe. Der Lieutenant steuerte direkt auf ein kleines Pult zu, das an der Stirnseite ein wenig versetzt vor einer riesigen Projektionswand stand.
Als er das Pult erreicht hatte, knipste er ein Lächeln an und drehte sich in Richtung seines Publikums. "Mein Name ist Lieutenant McBride", wandte sich der junge Offizier an die aus zwei Männern und einer Frau bestehende Gruppe. "Ich werde Sie während Ihres Aufenthaltes an Bord betreuen. Ich bin jederzeit für Sie da, sollten Sie also im Verlaufe unserer Reise irgendeine Frage oder ein Problem haben, so wenden Sie sich jederzeit vertrauensvoll an mich."
"Wenn ich mir einen für die Kommunikation zuständigen Offizier hätte malen können", dachte sich Susan Carter, die einzige Frau in der Gruppe der Zuhörer, "dann käme der Lieutenant dem sehr nahe." Der Lieutenant, Mitte zwanzig, ca. 1.80 groß, schlank, dichtes schwarzes, kurz geschnittenes Haar sah in seiner strahlend weißen Uniform aus wie das Fleisch gewordene Klischee eines Marineoffiziers.
"Wir werden in den nächsten Wochen viel Zeit miteinander verbringen. Meine erste Aufgabe besteht darin, Ihnen zu erklären, wie ein Flugzeugträger funktioniert", wandte sich der Lieutenant wieder an seine Zuhörer. "Bei der Gelegenheit möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie zwar Gäste auf diesem Schiff sind, jedoch jederzeit beachten müssen, dass Sie sich auf einem Kriegsschiff und somit ständig in einem militärischen Sicherheitsbereich befinden. Deshalb bitte ich Sie, sich ausschließlich in den für Sie auch zugänglichen Zonen zu bewegen, die ich Ihnen nachher zeigen werde. Dies geschieht nicht, weil wir Ihnen Informationen vorenthalten wollen, sondern es dient Ihrer Sicherheit, der Sicherheit der Mannschaft und nicht zuletzt auch der Sicherheit des Schiffes und seiner Umgebung. Es ist üblich, dass wir mitreisende Journalisten an Bord haben, jedoch befinden wir uns dieses Mal nicht auf einer Routinepatrouille, sondern wir haben eine Mission, in deren Verlauf es mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen wird. Deshalb bitte ich Sie auch gleich um Verständnis, dass es durchaus vorkommen kann, dass wir bei Gefahrensituationen Ihre Bewegungsfreiheit temporär sogar noch einschränken müssen. Doch erst einmal Schluss mit den unvermeidbaren Sicherheitsinformationen. Bevor ich Ihnen gleich einen Überblick über das Schiff gebe, schlage ich vor, dass wir uns kurz einander vorstellen. Mrs. Carter, ich hoffe, Sie finden es nicht uncharmant, wenn ich mit mir anfange."
Susan Carter schreckte leicht auf, als sie ihren Namen hörte. Sie hatte den Ausführungen des Lieutenants nur sehr oberflächlich zugehört und eher darüber sinniert, wie oft sie sich jetzt schon Erläuterungen über den Sinn von Sicherheitsvorschriften auf militärischen Anlagen und bei militärischen Operationen hatte anhören müssen. Unmittelbar nachdem ihre Zeitung sie als Kandidatin als eingebettete Journalistin für die Teilnahme auf einer Fahrt auf einem Flugzeugträger gemeldet hatte, hatte die Navy sie zu einem vorbereitenden Seminar geladen und ihr und zahlreichen anderen Journalisten wieder und wieder Sicherheitsvorschriften eingeimpft. Sie wurden informiert, instruiert, interviewt und getestet. Sie mussten ärztliche Atteste vorlegen, Erklärungen unterschreiben und sogar noch einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Selbstverständlich hatte die Navy bzw. der militärische Geheimdienst sie auch gescreened und dies sicher intensiver, als man ihr dies transparent gemacht hatte. Mit einem Schmunzeln dachte sie an das schwergewichtige Paket an Dokumenten, das man ihr am letzten Tag mit auf den Weg gegeben hatte. Dies alles war mittlerweile mehr als sechs Monate her und sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt, dass alles dies mehr als verlorene Zeit gewesen wäre, als vor ungefähr zwei Wochen ihre Redaktion über die Möglichkeit informiert wurde, dass sie an dieser Mission teilnehmen könne. Natürlich war dies verbunden mit einer Einladung zu einem Auffrischungskurs und dem Hinweis, dass für die Teilnahme an der Fahrt alle Impfungen nachzuweisen sind, über deren Notwendigkeit sie bereits im Vorbereitungsseminar informiert worden war. Gott sei Dank hatte sie die notwendigen Impfungen durchführen lassen, bevor sie anfing, Zweifel zu hegen, ob den Mühen der Seminarteilnahme auch eine Gelegenheit zur Mitfahrt folgen würde. Und obwohl sie einige Pläne über den Haufen werfen musste, war sie hocherfreut, dass es nun doch noch klappen würde.
Erwartungsgemäß behielt Lieutenant McBride privates und seine bisherige Laufbahn für sich und begnügte sich damit, nochmals seine Aufgaben an Bord zu erläutern. Trotzdem war Susan schon vorbereitet, als er sie kurz danach dann aufforderte, sich als erste vorzustellen.
"Mein Name ist Susan Carter", begann sie, "und ich arbeite für die New York Times. Nach einem Studium der Journalistik und politischen Wissenschaften in Harvard und einem kurzen Gastspiel beim Boston Globe arbeite ich nun seit über drei Jahren für die Times im Auslandsressort. Ich bin spezialisiert auf den Nahen Osten und habe an diversen Reisen amerikanischer Politiker nach Israel, in den Iran, Irak, nach Pakistan und die Golfstaaten teilgenommen. Damit will ich es erst einmal bewenden lassen", gab sie das Wort an den Lieutenant zurück. Sie war seinem Beispiel gefolgt. Auch sie hatte das Private weggelassen. Hatte nicht erzählt, dass sie allein lebte, keine Kinder, keinen Partner, noch nicht einmal Haustiere hatte. Sie hatte alles versucht, war mit allem gescheitert. Ob es an ihr lag oder an ihrem Beruf? Darüber hatte sie nie richtig nachgedacht. Womit der Beruf wohl aus dem Schneider war.
Der Blick von Lieutenant McBride wanderte von der attraktiven jungen Frau, ebenfalls Mitte zwanzig, mittelgroß, schlank, brünett und mit auffallend grünen Augen, zu ihrem Sitznachbarn.
"Roger Taylor", begann dieser sich vorzustellen. "Die stark nuschelnde Stimme passt zu der etwas verwahrlost aussehenden Erscheinung", dachte Susan. Roger Taylor war deutlich älter, von untersetzter Statur, aber ein wenig größer als sie selbst. Schon als er vor 15 Minuten den Raum betreten hatte, hatte Susan die Gelegenheit gehabt, ihn genauer zu mustern. Gekleidet mit einem abgetragenen, braunen, an den Ärmeln und Beinen etwas zu langen, in der Taille eher zu engen Cordanzug, das schüttere, strähnige Haar nach hinten gekämmt, war er mit einem kaum verständlichen Gruß in den Raum geschlurft und hatte sich auf den Stuhl neben sie plumpsen lassen. Leider hatte, bevor Susan, durch die für einen Teilnehmer an der Mission eher unerwartete Erscheinung, neugierig geworden, das Wort an ihn richten konnte, die Ankunft eines weiteren Gastes beider Aufmerksamkeit auf sich gezogen. ". vom Military and Weapon Information Magazin", stellte Mr. Taylor sich weiter vor. "Unser Magazin ist seit über dreißig Jahren darauf spezialisiert, über Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände zu berichten. Ich bin seit nunmehr achtzehn Jahren in der Redaktion des Magazins und dies ist meine achte Teilnahme an einer Marinemission, zwei davon bereits früher an Bord eines Trägers. Wenn Sie also etwas genauer erklärt haben wollen", wandte er sich direkt an Susan, "fragen Sie am besten gleich mich. Dann brauchen wir den Lieutenant nicht unnötig behelligen", fuhr er mit einem breiten Grinsen fort.
"Dann fehlt uns ja nur noch Mr. Jack Ryan", ging der Lieutenant reaktionsschnell dazwischen, bevor Susan Carter etwas erwidern oder Mr. Taylor seine Ausführungen fortführen konnte. "Aber nicht der Jack Ryan, oder?", gab der Lieutenant das Wort an den dritten und letzten im Bunde.
"Danke, Lieutenant McBride", begann Mr. Ryan seine Vorstellung. "Aber Sie können ganz beruhigt sein. Mit der Romanfigur habe ich nur den Namen gemein", fuhr er fort. Nun das stimmt nicht ganz, dachte Susan, als sie Jack Ryan betrachtete und automatisch mit Harrison Ford verglich, der die Rolle des Jack Ryan in mehreren Verfilmungen der Romane von Tom Clancy gespielt hatte. Etwas größer, einige Jahre jünger, aber durchaus jemand, dem man die Rolle auch abgenommen hätte. ". bin Auslandskorrespondent der Washington Post", wurde Susan aus ihren Gedanken gerissen. Ja, der perfekt geschnittene Anzug, die gesamte eloquente Erscheinung passte nach Washington, sinnierte Susan weiter. ". habe ich Politik und Wirtschaft studiert. Im Gegensatz zum Original oder nein zur Fiktion, habe ich weder Ahnung von Technologie noch tauge ich zum CIA-Agenten", beendete Ryan routiniert seine Vorstellung.
"Okay! Danke!", riss der Lieutenant das Ruder wieder an sich. "Nachdem wir uns...