Schweitzer Fachinformationen
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Eins
Im Gegensatz zum erdverbundenen, volkstümlichen schwarzen Voodoo-Priester - Totem im Blaumann, Blues im Blut -, der den weißen Rassismus großmütig weg- und den Pulitzerpreis einsteckt, bin ich nicht der siebte Sohn des siebten Sohns des siebten Sohns. Ich hätte nichts dagegen, aber das Schicksal hat mich um sechs Brüder und drei Onkel betrogen. Die Häuptlinge und Stammesmütter oben auf dem Kilimandscharo haben mich übergangen, mir absolut nichts hinterlassen, die Knickstiefel. Sie haben mich grausam um das mythologische Erbe und die Zauberkraft des Afrikaners gebracht. Kein Gott hat mir die Gabe verliehen, mit einem perlenbesetzten Knüppel in der Luft rumzufuchteln, rassenpolitische Halunken anzufunkeln und per Stammesgesang zu vernichten. Vielleicht hat irgendein Familienclown den Karren in den Sand gesetzt und die Ahnen gekränkt. Die Götter verschaukelt, zu viel Hokus in den Pokus gegossen, und jetzt müssen die Söhne für die Sünden der Väter büßen.
Ich heiße Kaufman, Gunnar Kaufman. Ich bin der schwarze Orest im verfluchten Haus des Atreus. Ein wackliger Chromosomensatz hat mich gezwungen, in die Fußstapfen einer langen Reihe kuschender Coons, Onkel Toms und loyaler Ja-Massa-Faktoten zu treten. Ich bin der erste Sohn eines rückgratlosen, farbenblinden Hurensohns, des dritten Sohns eines arschkriecherischen, nestbeschmutzenden Hausnegers, der seinerseits ein siebter Sohn war - wenn auch nur aus Versehen. (Großvater Giuseppe Kaufman hatte sich im Schlaf auf seinen älteren Zwillingsbruder Johannes gewälzt und ihn erstickt, und seitdem meldete er Anwartschaft auf die hochgeschätzte Stelle des siebten Sohnes an.) Von Geburt an bekam ich zu hören, meine Vorväter hätten mit ihrem »Platz da, jetzt komm ich«, ihren surrealen Eskapaden und Melonenmätzchen wahre Heldentaten vollbracht. Ihre Bravourstücke und ihr Onkel-Tom-Getue wurden uns allabendlich eingebläut, wenn meine Mutter bei Makkaroni mit Käse Oral history lehrte. Es gibt nichts Schlimmeres als einen lauten Griot, und meine Mutter war der lauteste.
Meine Schwestern und ich wuchsen bei Mom auf; wir waren die heiß erkämpften Trophäen einer verheerenden Vormundschaftsschlacht, die das Familienporzellan als Granatsplitter im Nacken meines Vaters hinterlassen hatte. Die Scheidung bestärkte Mama, Ms. Brenda W. Kaufman, darin, ihre Kinder mit ihren Vorfahren bekannt zu machen. Als Waisenkind aus Brooklyn, das weder Eltern noch Geburtsurkunde kannte, kaschierte Mom ihre uneheliche Herkunft mit der patriarchalischen Familiengeschichte meines Vaters.
An Sommernachmittagen saßen Nicole, Christina und ich ihr zu Füßen und erforschten unsere Blutpfade, indem wir mit den Fingern die Krampfadern entlangfuhren, die ihre aschgrauen Beine überzogen. Sie legte ihre abscheulichen Stampfer auf ein Sofakissen, und wir enträtselten unsere Abstammung, während wir an ihren Füßen die steinharten Ballen und Schwielen abfeilten.
Wir fingen bei den Grundlagen an. Gefahr in Verzug, Kinder bei der Arbeit! Nicole, die kleinste, die mich auf das geflügelte Wort »Und ewig brüllen die Bälger« gebracht hatte, eröffnete auf ihre ichbezogene Art das Verhör und pulte die ganze Zeit an dem rissigen Knubbel herum, der die linke Ferse meiner Mutter bildete.
»Maw, habt ihr mich adoptiert?«
»Nein, haben wir nicht. Ich hab dir doch letzte Woche die Schwangerschaftsstreifen gezeigt. Mensch, jetzt mach mal. Reiß die Haut mit den Nägeln ab, wenn's anders nicht geht.«
Dann war Christina dran, die mittlere, die ich nach Art der amerikanischen Ureinwohner »Die mit den Fingern in der Nase und dem Daumen im Mund ihren Rotz verteilt« getauft hatte. Sie zerrte am Tränenkanal und zurrte die Blutsbande fest.
»Und mich und Gunnar?«
»Auch nicht.«
»Kannst du das beweisen?«, fragte Christina ängstlich und atmete so schwer, dass ihr Schleimbläschen aus der Nase traten. »Welche von den Runzeln auf deinem Bauch ist denn von mir?«
»Chrissy, wenn irgendwer so blöd ist, sich deine Mutter zu nennen, dann glaubst du's besser, okay?«
»Maw?«
»Was denn, Gunnar?«
»Deine Füße stinken.«
»Halt den Mund, oder du kannst dich sofort bei der Army melden.«
Der Fortgeschrittenenkurs in Kaufmanscher Genealogie fand abends statt, wenn Mutter von der Arbeit kam. Sie testete in der Freien Klinik von East Los Angeles die Ärmsten der Armen auf Syph. Ich weiß noch, wie gern sie das geschliffene Operationsbesteck aus rostfreiem Stahl und die Hochglanzpolaroids der ausgeprägtesten Fälle auf dem Esstisch ausbreitete. Während sie die Specula und Katheter polierte, erzählte sie grausige Witze, wie sie »Pimmel punktiert und Votzen ausgekratzt« hatte. Ich schwöre, irgendwo in ihrer dunklen Vergangenheit haben Minstrelsänger auf kerzenbeleuchteten Theaterbühnen gewalzt.
Jedes Abendessen war bühnenreifes Kabarett, Hauptnummer Mom als Amazing Crazy Lady. Sie wischte uns die fettigen Lippen ab und hielt Vorträge über die entsetzlichsten Geschlechtskrankheiten, während sie Stampfkartoffeln und Fotos von Unterleibsgeschwüren herumreichte. Um uns den Rest zu geben, riss sie ein Verhütungspäckchen auf, zog ein blaues Kondom heraus, rollte es ab und stopfte das Reservoirende in ein Nasenloch. So saß sie da und belehrte uns über die Vorzüge von Safer Sex. Ein schlaffer Pariser baumelte ihr aus der Nase und prallte bei jeder Silbe gegen das Kinn. Plötzlich drückte sie das freie Nasenloch mit dem Zeigefinger zu und zog den unbefeuchteten Gummi in die Nase hoch. Sie öffnete den Mund, spuckte ein aufgeweichtes Stück Latex aus, hielt es hoch und sagte zufrieden: »Tätää! Mahlzeit.«
Beim Essen ging der Zirkus weiter. Ihre Ernennung zum lautesten Griot der Weltgeschichte lässt sich zwar nicht erhärten, aber vom Guinness-Buch der Rekorde wird sie immerhin als lauteste Schluckerin der Welt geführt.
SCHLUCKEN. Ms. Brenda W. Kaufman (geb. 1955) aus Los Angeles zeichnete ohne Verstärker Schluckgeräusche mit 47 Dezibel auf (befahrene Straße = 70 db, Düsentriebwerk = 130), als sie am 3. Mai 1985 in der David Letterman Show Leitungswasser aus New York City trank.
An ihrem Geburtstag sehe ich mir immer das Video von ihrer Vorführung an. Ein Mann mit englischem Akzent hält ihr ein Mikrofon an die Kehle, und sie trinkt hingebungsvoll ein Glas Wasser. Rechts unten wird ein Lautstärkemesser eingeblendet, dessen Nadel bei jedem ohrenbetäubenden Schlucken heftig ausschlägt. Meine Schwestern und ich brüllten immer wie verrückt, wenn die Nadel in den roten Bereich kam.
Zu Hause hielten wir ihr dann voller Stolz einen Finger an den hüpfenden Adamsapfel, während sie ihre Milch trank. Zwischendurch fragte sie uns die Hausaufgaben ab und beklagte unsere Halbbildung. Sie knallte das leere Milchglas auf den Tisch, leckte sich die Oberlippe und grollte: »Wisst ihr, einem Kaufman ist nichts zu schwer. Diese Geschichtsbücher da, erwähnen die überhaupt euren Urururururururgroßvater väterlicherseits, Euripides Kaufman? Wetten nicht? Schiebt mal die Scheißbiskuits rüber, und Mama erzählt euch von einem Neger der Pionierzeit, der sich an den Schnürsenkeln aus dem Dreck gezogen hätte, wenn er Stiefel gehabt hätte. Der erste in einer langen Reihe von Farbigen, die es zu was gebracht haben auf der Welt. Gunnar, hörst du überhaupt zu?«
»M-hm.«
»Wie heißt das?«
»Ja, Ma'am.«
Moms Geschichten kamen saustark. Mit Euripides Kaufman ging es los, dem jüngsten Sklaven, der sich je freigekauft hat. Ich hörte die Ketten, die man in der Vergangenheit den Geistern der Kaufman-Neger angelegt hatte, an den Esszimmerfenstern klirren und rasseln. Tote Nigger leckten sich die rissigen Lippen, hielten sich die knurrenden Mägen, starrten das Brathähnchen an und warteten darauf, dass Mom ihre Lebensgeschichten erzählte.
Euripides war noch zu klein, um in der Schmiede seines Bostoner Herrn das Eisen zu schmelzen und zu schmieden, und verbrachte seine Sklavenzeit als Laufbursche. Nachdem er barfuß auf dem Kopfsteinpflaster in der Downtown seine Besorgungen erledigt hatte, musste er irgendwie die Zeit totschlagen. Er saß auf den Wiesen am Charles River und sah zu, wie die Jongleure gutgläubigen Passanten das Geld aus der Tasche zogen. Mit sieben Jahren wusste Euripides, wie er Geld machen konnte. Der Babyunternehmer wetzte nach Hause, beschmierte sich die schwarze rußige Haut mit Lampenöl und setzte sich neben den Haupteingang des Bostoner Stadtparks. Jeder flanierende Bostoner, der an ihm vorbeikam, reagierte auf Euripides' unterwürfig strahlendes Grinsen und sein glänzendes Gesicht mit der mitleidigen Frage: »Was fehlt dir denn, Söhnchen?« Worauf Euripides antwortete: »Wenn Sie wollen, streicheln Sie mir doch den Kopf. Das bringt Glück. Kostet nur Sixpence.«
Nach kurzer Zeit hatte er eine Stammkundschaft aus alteingesessenen Reichen und Loyalisten, Rotröcken und Milizionären, die ihm Geld gaben, mit der Hand über seinen Krauskopf fuhren und dafür Glück und garantiert ein Leben nach dem Tode empfingen. Sechs Monate später schor er sich den Schädel, um das haptische Vergnügen zu steigern, und das Geschäft boomte. Seinem Eigentümer und Namensgeber Chauncy Kaufman war der Einfallsreichtum des kleinen Strolchs, der seinem Betrieb zu bescheidenem Ruhm verhalf, natürlich nicht entgangen. Schon bald suchten die Kunden die Schmiede auf, um ihre Pferde beschlagen zu lassen und dem schwarzen Schelm den Kopf zu tätscheln. Sie kamen angeritten, banden ihre Pferde an den Pfosten und riefen: »Vier neue Hufeisen, Chauncy. Wo steckt Euripides? Letzte Woche hab ich vergessen,...
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