Schweitzer Fachinformationen
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Der Regen trommelte auf das Glasdach von Lauras Küche. Es war der zweite Oktober, und der von den Zeitungen verheißene Altweibersommer war dem unaufhörlichen Regen zum Opfer gefallen wie Kates Wimperntusche.
Am Vormittag hatte Kate ihre ersten Entwürfe ins Büro gemailt und sich dann eine Pause gegönnt, ehe sie den nächsten Schwung Skizzen in Angriff nahm. Sie brauchte einen Tapetenwechsel - die letzten drei Tage hatte sie sich mit Moodboards, auf denen sie ihre Ideen, Materialien und Zeichnungen festhielt, und Farbtöpfen in ihrer Küche verkrochen. Irgendwann jedoch hatte sie ihrer Freundin Laura nachgegeben, die sie seit sieben Uhr morgens mit Textnachrichten wegen eines Besuchs bombardierte. Kate war klar, dass sie Laura damit in die Falle ging, doch mittlerweile hatte Kate sich in ihr Schicksal ergeben. Laura war nun mal ein Dickschädel, wie er im Buche stand.
In diesem Augenblick klappte Laura den Laptop auf und tippte »Agentur Lightning Strikes« ins Suchfenster. Kate bemerkte einen frischen glänzenden dunkelroten Fleck Johannisbeersaft am Laptopdeckel. Am Rahmen des Bildschirms klebten drei Sticker: zwei glitzernde Einhörner mit rosa Flügeln und ein Brokkoliröschen.
»Ich habe etwa eine Dreiviertelstunde Zeit, bis ich die Kinder aus dem Mittagsschlaf wecken muss«, sagte Laura. »Das müsste reichen, um dich zu registrieren und unter Männer zu bringen.«
Kate verzog das Gesicht.
Die Website der Agentur baute sich auf; an den Rändern blinkten silberne Sterne und Mistelzweige mit weißen Beeren. In einem Kasten in der Mitte stand in großen roten Buchstaben: Die Zwölf Dates vor Weihnachten, eine Anspielung auf das bekannte Weihnachtslied The Twelve Days of Christmas. Unter dieser Überschrift befanden sich zwei kleinere Kästchen, Mehr Informationen und Zur Anmeldung.
»Bist du sicher?«, fragte Kate.
»Die Agentur ist absolut sauber«, erwiderte Laura. »Ich habe mich gründlich über das Unternehmen informiert, bevor ich Lady Blexford den Vorschlag unterbreitet habe. Sonst hätte ich das nicht riskiert; Lady Blexford würde mich den Hunden zum Fraß vorwerfen. Kein Witz.«
»Okay, aber trotzdem«, meinte Kate. »Ich habe es schon mal mit Dating-Apps probiert, und auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst: Nicht jeder sagt die Wahrheit über sich.«
»Ach, Gottchen! Vergiss das doch mal!«
»Der Typ war fast so alt wie mein Vater! Und die Perücke war total auffällig.«
»Wann warst du zuletzt mit einem Mann aus?«
Kate wollte gerade antworten, da hob Laura die Hand.
»Und komm mir nicht mit deinem Vater oder Matt. Die zählen nicht.«
Kate runzelte die Stirn und dachte nach. »Mit Paul. Wir waren bei diesem kleinen Italiener mit den blau gestrichenen Wänden und haben Tagliatelle gegessen.«
»Paul ist dein Steuerberater. Außerdem ist er mit einem Mann verheiratet.«
Kate war beleidigt.
»Dann mach«, seufzte sie schließlich resigniert. »Schauen wir's uns halt an.«
Laura klatschte in die Hände und grinste. Noch nie hatte sie Kate so sehr an einen gewieften Kobold erinnert wie in diesem Moment.
In Wahrheit hatte Kate sich die Werbeversprechen auf der Website der Dating-Agentur bereits durchgelesen und war ohnehin schon halb entschlossen gewesen, sich anzumelden. Aber das musste sie Laura ja nicht auf die Nase binden. Nach so viel Überzeugungsarbeit hatte ihre Freundin es verdient, den Sieg zu genießen.
Laura klickte auf Mehr Informationen und gelangte auf eine weitere Seite:
12-mal vor Weihnachten die Chance
auf ein Leben in Liebe und Harmonie
Ihrer Freundin zuliebe beugte Kate sich vor und las sich das Angebot nochmals durch. Laura hatte letzten November über ihre Arbeit davon erfahren. Die Marketingabteilung von Lightning Strikes war an sie herangetreten, weil einige Dating-Veranstaltungen der Agentur auf Blexford Manor stattfinden sollten; dort war Laura so etwas wie die Stabschefin - ein anderes Wort für Marketing- und Vertriebsleiterin, persönliche Assistentin von Lady Blexford und Mädchen für alles in Personalunion.
Lightning Strikes war Marktführer im Bereich Dating-Apps und verfolgte offenbar einen ganzheitlichen Ansatz in der Partnervermittlung. Fairerweise - falls man den Foren glauben konnte - musste man zugeben, dass die Agentur eine ziemlich gute Erfolgsquote hatte.
Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Lightning Strikes vor einem knappen Jahr redete Laura nun schon auf Kate ein, sie solle sich anmelden. Kate hatte sich gesträubt. Doch je näher der Anmeldeschluss für die Weihnachtsdates gerückt war, desto hartnäckiger hatte Laura sie in die Zange genommen. Jetzt blieben nur noch zwei Tage, und Laura war in fieberhafter Aufregung.
»Zwölf Dates vor Weihnachten« war ein Pauschalangebot: zwölf Termine an zwölf verschiedenen Locations zwischen dem ersten und dem dreiundzwanzigsten Dezember. Das Ganze war alles andere als preiswert - deutlich teurer als ein Wellnesswochenende, und das würde Kate, da war sie sich sicher, sehr viel mehr genießen. Das Angebot wurde exklusiv vermarktet, die Teilnehmerzahl war begrenzt. Aber wenn man sich einmal angemeldet hatte, waren alle Leistungen rund um die Dates im Preis inbegriffen, und einige, musste Kate widerwillig zugeben, klangen wirklich spannend. Laura hatte ihre Kontakte genutzt, um Kate einen Platz freizuhalten.
Die Zwölf Dates waren ein vollkommen neues Marketingprodukt, das die Agentur in einem kleinen Teil des Londoner Einzugsgebiets testete, hauptsächlich in Kent und anderen Gegenden mit Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsbahnnetz. Falls es gut lief, würde es auch im Rest von England angeboten werden. Falls. Kate hatte da so ihre Zweifel. Das Testgebiet war riesig, und die Aufgabe, einhundertfünfzig Liebeshungrige mit digitalen Mitteln an den richtigen Ort zu den ihnen zugeteilten Partnern zu lotsen, schien ihr gewaltig.
Seit Laura das Thema zum ersten Mal angeschnitten hatte, damals, als sie noch schwanger mit dem Baby war, das jetzt oben neben ihrer Tochter schlief, äußerte Kate ihre Vorbehalte. »Ich weiß nicht, ob ich das Versuchskaninchen für eine Partnerbörse spielen will.«
»Aber es ist ideal, um deinen Männerhorizont zu erweitern«, hatte Laura erwidert und sich den basketballgroßen Bauch gerieben. »Willst du ernsthaft behaupten, dass du nicht ein klitzekleines bisschen neugierig bist?«
»Nicht so neugierig wie du. Was ist, wenn die zumachen, und mein Geld ist weg?«
»Das geht nicht«, behauptete Laura. »Solche Unternehmen sind gegen so was versichert. Was ist das Schlimmste, was passieren könnte?«
»Dass ich einen Psychopathen kennenlerne?«
»Vergiss nicht, ich war mit dir an der Uni. Ich habe ein paar von den Typen kennengelernt, mit denen du zusammen warst. Keines dieser Dates kann so schlimm sein wie die Gestalten von damals, das garantiere ich dir. Ich habe Callie von dir erzählt; sie ist meine Ansprechpartnerin bei Lightning Strikes.«
»Oh, toll«, meinte Kate. »Du sprichst mit fremden Menschen über mein trauriges Liebesleben.«
»Man muss erst mal ein Liebesleben haben, um es traurig nennen zu können«, versetzte Laura.
»Okay, Punkt für dich.«
»Jedenfalls hat Callie gesagt, sie hätten mit die besten Matching-Algorithmen der Branche. Und ein paar wirklich hochkarätige Kontakte für Dating-Locations.«
»Natürlich sagt sie das«, warf Kate ein.
»Du weißt, dass ich schwanger bin, ja? Weißt du auch, wie die Hormone gerade in mir toben? Hast du eine Ahnung, wie schnell ich von null auf hundert bin?«
»Erzähl weiter«, seufzte Kate. »Ich bin ja schon still.«
»Sie hat mir erklärt, wie es laufen wird: Bei jedem Date kann man zwischen drei Örtlichkeiten wählen, und dann teilen sie dir jemanden zu, der am besten zu deinem Profil passt.«
»Und was ist, wenn keiner der Männer in der Location, die ich mir ausgesucht habe, zu meinem Profil passt?«, fragte Kate. »Womöglich muss ich dann mit dem Vorlieb nehmen, der übrig bleibt.«
Sie sah Laura an. Lauras Wangen waren gerötet, sie hatte die Lippen gespitzt. Kate spürte förmlich, wie sich in ihrer Freundin ein Gefühlsausbruch zusammenbraute. Laura war kurz vorm Explodieren. Kate lächelte so beschwichtigend wie möglich.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie und nahm ihre verrückte schwangere Freundin in die Arme. »Ich verspreche, ich denke sehr gründlich drüber nach.«
Das war nun fast ein Jahr her, und Kate dachte noch immer darüber nach. Unterdessen hatte sich Laura mit der Logistik der auf Blexford Manor stattfindenden Dates befasst, und ihre Begeisterung für die Idee, dass Kate an dem Programm teilnahm, war exponentiell gewachsen.
Kates Bedenkzeit war nun vorüber. Dieser verregnete Oktobertag war der Tag, an dem sie entscheiden musste, ob sie einen Großteil des Dezembers - eh schon eine hektische Zeit - darauf verwenden wollte, sich mit (wenn man den Worten der Dating-Agentur glauben durfte) perfekt zu ihr passenden Fremden zu treffen.
Normalerweise hätte Kate an so etwas keinen Gedanken verschwendet; sie war keine Frau, die einen Mann brauchte. Gleichzeitig vermutete sie, dass es ihr gefallen könnte, einen zu haben. Ihre letzte längere Beziehung hatte sich vor einiger Zeit totgelaufen, seither hatte sie sich hauptsächlich aus Faulheit mit kaum jemandem verabredet.
Natürlich könnte sie Leute kennenlernen, wenn sie in London war,...
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