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Im Jahr 2255 war es von allen fühlenden Wesen in ihrem Universum ausgerechnet eine Frau namens Salma, die als Erste das Objekt mit der Bezeichnung Planet Neun vollständig sehen konnte. Sie sah es mit ihren eigenen Augen, auch wenn ihr Blick durch die Instrumente ihres Schiffes leicht verzerrt war. Und sie erkannte nicht, was es war. Noch nicht.
Auch nicht, dass das Objekt ein Planet oder das »neunte« in irgendeiner Reihe war.
Aber als sie die verblüffenden Ergebnisse ihrer ersten Analyse der Strahlung betrachtete, die von Neun ausging, veränderte sich Salmas Universum für immer, auch wenn ihr das erst später klar werden sollte.
Im Grunde war sie die erste Person, zu der Neun sprach.
Nach diesen Beobachtungen und der Analyse, der die ersten zaghaft formulierten Schlüsse folgten, wartete Salma eine Weile, bevor sie es dem Rest der Besatzung mitteilte.
Auch Hild Kanigel, die als Kapitänin der kleinen Besatzung diente, seit die Schatten vor fünfunddreißig Jahren gestartet war, erfuhr es noch nicht, genauso wenig wie Meriel Breen, die Ärztin und Herrin der Hydrokulturen an Bord, die für Salma seit dem Tod ihrer Mutter so etwas wie eine Tante ehrenhalber geworden war. Diese beiden waren von den sechs Besatzungsmitgliedern der Schatten die beiden Menschen, die Salma am nächsten standen. Sie musste sicher sein, dass es nicht bloß eine falsche Berechnung war. Das gebot ihr Stolz.
Sie war zufällig darauf gestoßen. Dies hätte auch jedem anderen passieren können. Aber um ehrlich zu sein, war es sehr wahrscheinlich gewesen, dass Salma die wesentliche Beobachtung machte, denn sie erklärte sich oft freiwillig bereit, ihre Zeit auf dem Wissenschaftsdeck zu verbringen.
Salma war das Ergebnis der einzigen Geburt an Bord der Schatten. Sie war die ganze Zeit hindurch das einzige heranwachsende Kind auf dem gewaltigen, langsamen Schiff gewesen. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sie die Stunden, die sie allein auf diesem Deck verbrachte, so sehr liebte. Die Arbeit füllte ihre Tage aus.
Hier steckte man in einer großen Kugel aus gehärtetem Glas, das aus Materialien der Oortschen Wolke erschaffen war - aus Kometenmaterial, wie der größte Teil der Schatten. Diese Kugel war weit entfernt vom Schiffskörper und mit diesem durch eine Transitröhre verbunden. Das Glas war fast vollkommen durchsichtig; der Blick nach draußen wurde nur durch die eigene geisterhafte Widerspiegelung gestört, die von einem schwachen Notlicht hervorgerufen wurde, und weiterhin durch die Monitore unterhalb der Befestigung der Kugel mit dem Schiff.
Man saß umgeben von Glas mitten im tiefsten Weltraum. Wenn man allein sein wollte, war dies der richtige Ort dafür.
Was für eine Aussicht! Man war allein am Rand des Sonnensystems mit den fernen Sternen.
Am Rand des Sonnensystems . Sie befand sich etwa siebenhundert astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Das war die siebenhundertfache Entfernung der Erde vom Zentralstern. Die Erde - das war ein Ort, den sie nur aus den Bordbüchern kannte.
Sie waren zwanzigmal weiter von der Sonne entfernt als Neptun, der äußerste größere Planet, und etwa fünfzehnmal weiter als der äußere Rand der uralten Schuttwolke hinter den Planeten, die Kuipergürtel genannt wurde. Salma war sechs- oder siebenmal so weit von der Sonne entfernt wie die Grenze der Heliosphäre, wo der Wind von der Sonne, ein Strom rasend schneller aufgeladener Partikel, schließlich im kühleren interstellaren Raum verwehte.
Wenn sie dorthin zurückschaute, sah sie das innere Sonnensystem nur als verschwommenen Lichtfleck - das Licht eines eng begrenzten Raumes, angefüllt mit Planeten, Monden, Asteroiden und dem Schutt von Planetenbildungen. Es war nicht leicht, die Sonne auszumachen, obwohl sie noch immer knapp der hellste Stern im Himmel war. Ihr Licht benötigte fast vier Tage, bis es die Schatten erreichte. Aber dieses diffuse Sonnenlicht war noch stark genug, das gewaltige Sonnensegel der Schatten zu speisen.
Und alle lebenden Menschen, jene wimmelnden Milliarden, auch diejenigen weit entfernt auf der Erde selbst, und jene an Bord der Industrieschiffe des Konsortiums, die im Weltraum unterwegs waren, und alle in den anderen Kolonien und Schiffen der Bewahrer, die um den inneren Rand der Oortschen Wolke verteilt waren - sie alle befanden sich innerhalb jenes Lichtflecks.
Alle außer den sechs Personen an Bord der Schatten.
Während sie als einziges auf dem Schiff geborenes Kind herangewachsen war, das keine Gefühlsbeziehung zu den Planeten und ihren Menschenmassen besaß, hatte Salma lieber den Blick in die andere Richtung genossen. Sie wusste, wo sie inmitten des gleißenden Lichts der Sternenwolken nach dem Mittelpunkt der Galaxie mit dem supermassereichen Schwarzen Loch zu suchen hatte. Dieser Mittelpunkt war hinter dem Schleier der relativ nahen Sterne zu finden, die das spektakuläre Sternbild des Schützen bildeten.
Tatsächlich war dieses gigantische Schwarze Loch ein großer Bruder dessen, was einige Theoretiker hinter »Planet Neun« vermuteten, lange bevor die erste Besatzung eines Schiffes hierhergekommen war. Zum Ärger anderer Wissenschaftler handelte es sich nämlich gar nicht um einen Planeten.
Sondern um ein Schwarzes Loch am Rande des Sonnensystems.
Und nun hatte es die Schatten nach all den Theorien und Argumenten und heroischen Leistungen der Ingenieure bis hierher geschafft, und da war Neun. Es handelte sich in der Tat um ein Schwarzes Loch, was schon sein Schwerkraftprofil bewies. Für das menschliche Auge war es wegen des Sturms aus schimmernden Gasen, von denen es umgeben war, nicht sichtbar gewesen.
Aber nun war es durch kurze Lücken in dem Lichtsturm - jenem glimmenden Nebelfleck, den es selbst geschaffen hatte - hin und wieder zu erkennen. So wie ihre Instrumente es vorhergesagt hatten, sah Salma es schließlich.
Es war eine vollkommene schwarze Kugel.
Salma beugte sich wieder über die Daten.
Das Schwarze Loch - das Neun zu sein schien - war gleichzeitig sehr klein und sehr groß. Das war nach der herrschenden Theorie zu erwarten gewesen.
In menschlichen Dimensionen gerechnet war es klein, denn sein Umfang entsprach ungefähr dem eines Menschenkopfs. Aber was seine Masse anging - und, was entscheidend war, auch sein Gravitationsfeld -, so war es größer als die meisten Planeten; seine Masse war etwa zehnmal größer als die Masse der Erde.
Und während Neun seiner zwanzigtausend Jahre dauernden Umlaufbahn um die Sonne gefolgt war, hatte seine stets hungrige Gravitation, die größer als die eines durchschnittlichen Planeten war, alles in sich eingesaugt, was die Natur bereitstellte. Hier draußen gab es natürlich nicht viel in jedem Kubikmeter - verstreutes Eis und Staub sowie die Überreste uralter Kometen aus dem Inneren des Sonnensystems und Schutt aus weit entfernten Katastrophen. Aber mit der Zeit war Neun durch eine gewaltige Anzahl von Kubikmetern geflogen, und durch seine tiefe und starke Gravitationsquelle hatte er mit der Zeit eine unregelmäßige Wolke um sich gebildet.
Es war eine Wolke, an dem die Magnetfelder des sich drehenden Lochs beharrlich arbeiteten. Materie, die durch die Schwerkraft im Inneren verschwand, wurde ionisiert, gepackt und umhergeschleudert »wie das Cape eines Matadors«, wie es Hild einmal zu Salmas Verblüffung ausgedrückt hatte. Das Ergebnis war eine Wolke, die sich andauernd veränderte. Sie war asymmetrisch und angesichts der reinen Geometrie des Objekts in ihrem Innern erstaunlich unordentlich. »Ein verdammtes Feuerwerk«, hatte der mürrische alte Boyd gesagt, was Salma ebenfalls verwirrt hatte.
Wenn man Planet Neun mit eigenen Augen sehen wollte, musste man diese Wolke - dieses »Feuerwerk« - durchdringen. Genau das tat die Schatten nun schon seit mehr als einem Jahr, und zwar immer vorsichtiger, bis das Schiff fast zum Stillstand gekommen war. Es war in die innere Wolke eingedrungen und versuchte, den heftigeren Ausbrüchen dieses Sturms auszuweichen, was nicht leicht war, da die Schatten nur durch ein etwa vierzig Kilometer breites Sonnensegel angetrieben wurde.
Näher und näher kamen sie an den Dämon in seinem Käfig aus Licht heran.
Und als der erste klare, ungetrübte Blick möglich wurde, war es zufällig Salma, die auf dem Wissenschaftsdeck Dienst tat und Neun im Auge behielt, wie Hild es ihr befohlen hatte. Salma war es, die das in der Wolke verborgene Objekt als Erste wirklich sah. Salma war da, als der Sturm vor dem Schiff plötzlich und auf wundersame Weise kurz abflaute. Eine zufällige Berichtigung der Flugbahn, eine unerwartete Lücke in der leuchtenden Schuttwolke .
Es war, als hätte sich ein Lichtkorridor geöffnet. Und da, endlich .
Salma arbeitete fiebrig. Sie beobachtete, zeichnete auf, studierte die Daten, die ausgespuckt wurden.
Insbesondere die visuellen Aufzeichnungen.
Es war eine vollkommene Kugel, wie die Theorie es angenommen hatte - eine Kugel, um die man die Arme hätte schlingen können, deren Gravitation aber das gesamte äußere Reich der Sonne und der kalten Himmelskörper darin beeinflusste. Dies war vermutlich das exotischste Objekt, das sie in ihrem ganzen Leben sehen würde, dachte Salma, und doch war es für das Auge ein völlig gewöhnlicher Anblick: im Profil gesehen nichts als ein dunkler Kreis. Während sie darüber nachdachte, zupfte etwas an ihr. Es war eine Art von . Wiedererkennen.
Sie berührte das Medaillon, das sie an einer Kordel um den Hals...
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