Schweitzer Fachinformationen
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»Hör zu, Hannes! Ich finde, es ist keine gute Idee, dass du mitkommst.«
»Ich halte es sogar für eine ausgezeichnete Idee!«
Die Frau ging nervös im Zimmer auf und ab. Sie hatte ihre Jacke anbehalten und rauchte in hastigen Zügen eine Zigarette. »Wir leben getrennt. Wir haben uns nichts mehr zu sagen«, führte sie ins Treffen. »Wir sind froh, wenn wir einander nicht sehen. Warum um alles in der Welt möchtest du da unbedingt zu Erikas Geburtstagsfeier mitkommen?«
»Wer hat die Einladung bekommen?«, fragte Hannes grinsend.
»Mach dich nicht lächerlich«, reagierte die Frau verärgert. »Es ist klar, dass sie bei dir gelandet ist. Dein Domizil war früher unsere gemeinsame Adresse.«
»Und was steht drauf? An Ingeborg Förster und Hannes Auer in großer Schrift, ganz deutlich zu lesen. Wir sind beide eingeladen, also gehen wir auch beide hin. Es sei denn, du willst daheim bleiben.«
»Ich denke nicht daran«, protestierte Ingeborg, ihre Zigarette ausdämpfend. »Warum willst du überhaupt hin? Erika ist schließlich meine Schulkollegin.«
»Du wirst es nicht glauben: Ich habe sogar mit ihr telefoniert«, klärte Auer seine frühere Lebensgefährtin auf. »Erika freut sich auf uns. Und ich freue mich darauf, etliche Leute wiederzusehen. Es verspricht, ein vergnüglicher Abend zu werden.«
Ingeborg lachte kurz höhnisch auf. »Läuft etwa in Erikas Freundeskreis auch eine von deinen Weibergeschichten?«, erkundigte sie sich sarkastisch.
»Wenn, dann würde es dich nichts angehen«, lächelte Hannes spöttisch zurück. »Aber ich kann dich beruhigen, dem ist nicht so. Ich will mich schlicht und einfach gut unterhalten und sehe nicht ein, warum ich mir das von dir verbieten lassen soll.«
Ingeborg setzte sich nun doch auf das Sofa, das noch vor ein paar Wochen ihr Lieblingsmöbel gewesen war. Es erinnerte sie nur mehr an den Scherbenhaufen ihrer Beziehung. Sie und Hannes, zwei Egoisten, jeder stets mit dem Kopf durch die Wand. Eigentlich war es, nachträglich betrachtet, ein Wunder, dass ihre Lebensgemeinschaft stolze acht Jahre gehalten hatte. Niemand hätte das gedacht, und es war beinahe ein Kompliment, dass Erika Haller annahm, sie seien beide weiterhin zusammen.
»Und ich sehe nicht ein, warum du Erika, wenn du mit ihr telefonierst, nicht über unsere Trennung informiert hast«, reagierte Ingeborg Förster scharf. »Sie hat ein Doppelzimmer für uns reserviert.«
Hannes Auer zuckte mit den Schultern. »Das stört doch nicht. Diese eine Nacht wirst du es schon mit mir aushalten.«
»Ich werde es nicht mit dir aushalten, auf keinen Fall! Glaubst du, ich kann das, was zwischen uns geschehen ist, vergessen? Mir vorstellen, dass alles ist wie früher? Das kannst du dir abschminken! Wir werden auf zwei Einzelzimmer umbuchen!«
»So etwas ist normalerweise einen Tag vor der Ankunft nicht leicht möglich. Außerdem würde das alles unnötig verkomplizieren.«
»Dann wechsle ich eben in ein anderes Hotel!«
»Glaubst du, dass Erika dir dafür dankbar sein wird?«, redete Hannes auf Ingeborg ein. »Sie hat das Ganze arrangiert, bezahlt uns die Übernachtung. Und dann kommst du und bringst alles durcheinander. Warum lassen wir es nicht, wie es ist? Vor gar nicht langer Zeit haben wir uns auf unsere gemeinsamen Nächte gefreut!«
Ingeborg Förster zündete sich die nächste Zigarette an. Sie schwankte. Genau genommen war es wirklich egal, ob sie diese paar Stunden zusammen in einem Zimmer verbrachten oder nicht. Sie würden ohnehin beide viel trinken und dabei eine Bettschwere bekommen, die jeden die Anwesenheit des anderen vergessen ließ. Machte es Sinn, sich deswegen zu streiten? Es war wirklich spät, in die Planung einzugreifen. Und außerdem ging es niemanden von den anderen Gästen etwas an, dass sie und Hannes nicht mehr beisammen waren.
Aber sollte sie ihm recht geben? War die Art, wie er die Angelegenheit handhabte, nicht die reinste Provokation? Warum ließ sie sich ständig von Hannes aus der Ruhe bringen? »Wie stellst du dir das Wochenende also vor?«, fragte sie.
»Ganz einfach: Wir tun, als wäre alles beim Alten«, schlug er vor. »Ich reiße mich am Riemen, das verspreche ich dir. Mir liegt nichts ferner, als an diesen zwei Tagen dauernd meine Nerven zu strapazieren.«
»Wenn du Blödsinn machst, kratze ich dir die Augen aus«, warnte sie ihn kühl.
»Und wenn du dich unnötig aufregst, werfe ich dich mitsamt deinem Gewand unter die Dusche und begieße dich so lange mit eiskaltem Wasser, bis du Ruhe gibst«, konterte er.
»Na schön, dann können wir es ja wagen«, beendete Ingeborg daraufhin die Debatte.
Es sah nach einem Kompromiss aus, mit dem beide leben konnten. Man würde sich zusammenreißen, um für ein halbwegs erträgliches Klima zu sorgen. Was allerdings geschehen würde, wenn einer von ihnen unter Alkoholeinfluss die Kontrolle über sich verlor, daran wagten weder Ingeborg Förster noch Hannes Auer im Augenblick zu denken.
*
»Ist es nicht herrlich, dass man seinen Geburtstag groß feiern kann, wann man will, und sich nicht von irgendwelchen Zahlen terrorisieren lassen muss?«, redete Erika Haller voller Vorfreude auf ihr großes Fest auf Leopold ein. »Wer weiß, ob ich zu meinem Fünfziger Lust dazu habe und wie ich beisammen bin. Vielleicht liege ich mit Fieber im Bett und bin sterbenskrank! Aber jetzt habe ich das unwiderstehliche Bedürfnis, meine alten Freunde und Bekannten wiederzusehen.«
Leopold konnte dieser Begeisterung nicht allzu viel abgewinnen. »Es wird ein Riesenwirbel werden«, seufzte er.
»So soll es sein, dann kommt endlich Stimmung in die Bude«, schwärmte Erika. »Ich bin mit der Gästezahl ohnehin im Rahmen geblieben, Schnucki. In Mexiko wurden zu einer Geburtstagsfeier unlängst 1,3 Millionen Menschen per Facebook eingeladen.«
»60 Leute reichen vollkommen! Die meisten hast du schon lange nicht gesehen. Wer weiß, wie sich die alle entwickelt haben, ganz abgesehen davon, dass es fraglich ist, wie gut sie sich miteinander verstehen«, gab Leopold zu bedenken.
»Das ist typisch«, beanstandete Erika. »Ständig meckerst du herum! Bevor du dir dein Hirn über meine Freunde zermarterst, solltest du dir über dein Umfeld Gedanken machen. Deine Spezln vom Kaffeehaus sind bisweilen äußerst zwielichtige Gestalten. Zu meinem Geburtstag hingegen kommen völlig normale Menschen, vor denen sich niemand zu fürchten braucht.«
Mit dieser Bemerkung hatte Erika eine Schwachstelle Leopolds getroffen. Manchmal, wenn er nachts einen unruhigen Schlaf hatte, stellte er sich nämlich die Frage, ob er wirkliche Freunde hatte, und wenn ja, wen er als solche bezeichnen konnte. Ernüchtert stellte er dann fest, dass der einzige Mensch, der ihm dabei einfiel, Thomas Korber war. Mit all seinen anderen Bekanntschaften hatte er beinahe ausschließlich durch seinen Beruf Kontakt oder, was beinahe schlimmer war, durch seine Verbrecherjagden. Normalerweise fiel ihm das gar nicht auf, aber in Situationen wie jetzt, wo Erika alles mobilisierte, was ihr lieb und wert war, spürte er eine große Leere in sich aufsteigen.
»So habe ich es nicht gemeint«, schwächte er ab. »Du kannst an deinem Ehrentag tun und lassen, was du willst. Und du brauchst keine Angst davor zu haben, dass ich als Revanche meinen Geburtstag mit 60 fragwürdigen Spezln feiere und dich um deine Anwesenheit bitte. Ich werde es nämlich mit meinen bisherigen Gepflogenheiten halten und meinen Geburtstag überhaupt nicht feiern!«
»Ach, sind wir wieder eingeschnappt?«
»Nein! Ich weiß bloß nicht, was es zu feiern gibt, wenn man ein Jahr älter wird. Genau genommen ist alles sowieso ein Schmäh, weil der Alterungsprozess ständig vor sich geht und sich Gott sei Dank keinen einzelnen Tag herauspickt, an dem man einen kräftigen Schub in Richtung Ableben bekommt.«
»Sollte ich einmal jemanden benötigen, der mich aus meiner Hochstimmung brutal zurück in die Wirklichkeit versetzt, suche ich mir garantiert dich aus«, klagte Erika. »Aber ganz vermiesen lasse ich mir mein Fest von dir nicht. Ein Geburtstag ist nämlich, Alterungsprozess hin oder her, genau das: ein guter Grund zum Feiern! Wusstest du, dass die meisten Geburtstage auf den 22. September fallen?«
Eine neue Marotte von Erika Haller bestand darin, aus Zeitschriften und dem Internet nutzloses Wissen und Rekorde aus allen Bereichen des Lebens zu sammeln und bei der erstbesten Gelegenheit in eine Unterhaltung einzustreuen. Leopold passte das gar nicht. Die Beliebigkeit dieser Fakten war ihm zutiefst zuwider. »Nein! Hat das eine besondere Bedeutung?«, lächelte er müde.
»Es ist, wenn man genauer darüber nachdenkt, völlig logisch«, erklärte Erika ihm. »Es hat mit den langen Winternächten zu tun, wo die Menschen trotz Computer und Fernsehen am liebsten miteinander kuscheln und sich auf die einfachste Art der Welt vergnügen. Vom 22. September neun Monate zurückgerechnet, das wäre mit dem 22. Dezember einer der kürzesten Tage des Jahres, außerdem knapp vor Weihnachten. Damit ist eindeutig widerlegt, dass es die angeblich romantischen lauen Sommernächte sind, in denen sich die Menschen besonders gerne paaren.«
»Das war außerordentlich lehrreich«, nörgelte Leopold herum.
»Und ob, Schnucki«, ließ sich Erika nicht beirren. »Du weißt gar nicht, wie viele interessante Dinge es rund um den Geburtstag zu entdecken gibt.«
»Dann werde ich dem eine statistische Tatsache hinzufügen, die mich äußerst bedenklich stimmt«, konterte Leopold....
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