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Der Lektor vorne am Altar während des katholischen Gottesdienstes sagt zum Volk, nachdem er einen Abschnitt aus dem Alten Testament oder aus einem Paulusbrief vorgelesen hat: "Wort des lebendigen Gottes." Das Volk antwortet gehorsam: "Dank sei Gott!"
Ich fühle mich dann immer verpflichtet, höheren Ortes um Entschuldigung zu bitten: "Lieber Gott, nimm es nicht persönlich, dass sie Dir all diese Texte in die Schuhe schieben. Der Lektor kann nichts dafür. Diese Formel ist für ihn Vorschrift."
Wie kann jemand, der die biblischen Schriften studiert hat, auf die Idee kommen, diese als "Wort Gottes" zu bezeichnen. Dieses unentwirrbare Gemisch antiker Vorstellungen bestehend aus Tatsachen, Legenden, Fehlern, späteren Einschüben oder Auslassungen und widersprüchlichen Aussagen.
Der jüdische Religionswissenschaftler Lapide bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Es gibt im Grunde nur zwei Arten des Umganges mit der Bibel: man kann sie wörtlich nehmen oder man nimmt sie ernst. Beides zusammen verträgt sich nur schlecht." 1
Wenn das Neue Testament, wie die Kirche lehrt, durch Eingebung des Heiligen Geistes zustande gekommen wäre, müsste dieser an Alzheimer gelitten haben, da jeder Evangelist und Briefautor eine mehr oder weniger unterschiedliche Version über Lehre und Handlungen Jesu schrieb.
Die Bibel überspannt einen weiten Bereich, sowohl zeitlich, als auch weltanschaulich. Sie handelt von jüdischer Gesetzgebung vor mehr als 3000 Jahren, in der im 5. Buch Mose JHWH den Israeliten bei den Eroberungszügen im gelobten Land befiehlt, in eroberten Städten, die sich nicht freiwillig ergeben und nicht im späteren Siedlungsgebiet liegen, alle männlichen Bewohner zu erschlagen. Jedoch sollen in erstürmten Städten, die innerhalb dieses Gebietes liegen, auch Frauen und Kinder umgebracht werden.2 Ich werde an späterer Stelle noch näher darauf eingehen, inwieweit diese Ausrottungsstrategie realistisch war oder nur eine Wunschvorstellung.
Jesus dagegen vergibt am Kreuz seinen Henkern mit den Worten: "Herr verzeih ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!" Die Spannbreite der Bibel geht über Psalmen, die Gott preisen bis hin zu Wutausbrüchen des Paulus über seine Gegner.
Nach unserer heutigen Gottesvorstellung ist es nicht mehr nachvollziehbar, dieser würde sich ein Volk erwählen, es allen anderen vorziehen und ihm nicht nur erlauben sondern sogar befehlen, andere Völker auszurotten. In den vorantiken, egozentrischen Vorstellungen von Stammesgottheiten waren diese jedoch nur für ihr eigenes Volk zuständig.
Wie wir noch sehen werden, waren es die Priester und weltlichen Anführer des Volkes, die dies schreiben ließen. Und wenn Paulus seinem Ärger über die konservativen Judenchristen Luft macht, die den Heidenchristen die jüdische Beschneidung vorschreiben wollten, und ihnen vorschlägt, sie sollten sich doch gleich selbst "kastrieren" lassen, sind dies auch nur sein Ärger und seine Worte.
Die Bibel, sei es Altes oder Neues Testament, ist von vorne bis hinten von Menschen geschrieben, genauso wie dieses Buch.
Wer war es dann, der die Texte der Bibel ersonnen hat? Was ist deren Inhalt?
Zu welchem Zweck ist sie geschrieben?
Wenden wir uns zunächst den jüdischen Schriften zu.
Die Grundlage der jüdischen Schriften oder des Alten Testamentes ist der hebräische Tanach - weiter unten näher erläutert. Er beinhaltet die Tora, auch Weisung oder das Gesetz - hauptsächlich in den fünf Büchern Mose dargelegt - die Prophetenbücher und sonstige Schriften wie beispielsweise die Psalmen oder das Hohelied oder das Buch der Sprichwörter.
Mündlich überlieferte Sagen einzelner Stämme aus vorantiker Zeit wurden später zusammengefasst, aufgezeichnet und zu einer Heilsgeschichte unter dem Stammesgott JHWH vereinigt. Abgesehen von der Schöpfungsgeschichte umfasst der Tanach einen Zeitraum von etwa 1300 Jahren.
Ein Teil der darin enthaltenen "Göttlichen Gebote", wie zum Beispiel die oben angeführte Vorschrift über das Vorgehen nach Erstürmung einer Stadt oder die Rechtsbeziehung eines Sklaven zu seinem Herrn, bezieht sich auf längst vergangene, vorantike Lebensverhältnisse. Solche Aussagen sind heute schwer verständlich und müssen vor dem Hintergrund der damaligen Zeit verstanden werden.
Wie wir noch sehen werden, wurde der Tanach von verschiedenen Autoren über die Jahrhunderte immer wieder überarbeitet und den geänderten Verhältnissen angepasst.
Wie ein roter Faden zieht sich dabei das Verhältnis Israels zu seinem Gott JHWH durch die Schriften. Manche Historiker gehen davon aus, dass JHWH ursprünglich eine Vulkan- oder Gewittergottheit der Midianiter war, ein Volk, das auf der arabischen Halbinsel lebte. Dessen Kult wurde von den Israeliten übernommen. Die umherziehenden Nomaden sahen Vulkane, die zu jener Zeit dort aktiv waren, als Sitz ihres Gottes an.
Bei der Einwanderung verschiedener Nomadenstämme in das Kulturland Kanaan, dem heutigen Palästina, brachte jeder Stamm seinen eigenen Sippengott mit. Diese wurden erst miteinander und dann mit den Glaubensvorstellungen der Hebräer, die aus Ägypten kamen, verschmolzen. Zum Teil wurden sie aber auch zusammen mit Gottheiten der Kanaanäer verehrt. Die kanaanäische Schöpfergottheit El etwa konnte problemlos mit JHWH identifiziert werden. Vom Volk wurden zeitweise auch Fruchtbarkeits- und Astralgötter wie Baal, Astarte, Marduk verehrt. Priesterschaft und Propheten unterbanden dies jedoch mit drastischen Mitteln, bis hin zur Todesstrafe.
Der Monotheismus setzte sich jedoch in Israel erst allmählich durch.
597 v. Chr. wurde ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung, vor allem der Oberschicht, nach der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar II nach Babylon verschleppt und dort angesiedelt. Erst nach der Eroberung Babylons durch die Perser (539 v. Chr.) durften sie zurückkehren. Nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil entstandene jüdische Schriften bezeichnen erstmals JHWH als Schöpfer des Himmels und der Erde. Zwar wurde er damit zum Gott der gesamten Menschheit; vorrangig war jedoch sein exklusiver Bund mit Israel.
Auch wurde in dieser Zeit das Aussprechen des Gottesnamens, aus Ehrfurcht vor dessen Heiligkeit, tabuisiert. Eine Rolle dürfte dabei auch gespielt haben, dass jemand, der den Namen versehentlich in negativer Weise aussprach, Gefahr lief, bestraft zu werden. "Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht." 3
Im Extremfall konnten "Gotteslästerer" zum Tode verurteilt werden.
Gottes Name existierte von da an nur noch schriftlich als JHWH. Das Wissen um die ursprüngliche Aussprache ging allmählich verloren, da es in der hebräischen Schrift keine Vokale gibt. Der Name könnte ursprünglich "Jahwe", "Jabe" oder "Jauwe" gelautet haben.
Im Folgenden benutzte man Umschreibungen, wenn man von oder zu Gott sprach; zum Beispiel Adonai, was eine sehr achtungsvolle Form von "mein Herr" darstellt. Ja oder auch nur Ha Schem, das bedeutet "Der Name", sind ebenfalls gebräuchliche Bezeichnungen.
Aus den hebräischen Schriften ergaben sich wesentliche Impulse, die das Leben der Menschen über das Judentum hinaus weltweit bis heute beeinflussen. So die Vorstellung, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist. Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; männlich und weiblich schuf er sie. 4 Hieraus ergibt sich die grundsätzliche Gleichheit der Menschen, die in allen modernen Verfassungen enthalten ist.
Die zehn Gebote sind einfach zu begreifende Normen, die noch heute für das Zusammenleben der Menschen von Bedeutung sind. Aus der Vorstellung, dass Gott nach Erschaffung der Welt am siebten Tage ruhte ergab sich die Einteilung der Woche in sieben Tage sowie der jüdische Sabbat und in dessen Gefolge unser heutiger Sonntag.
Das Wort Jude kommt übrigens von Jehuda, was Gott will ich loben bedeutet.
Wie sind nun diese jüdischen Schriften zustande gekommen? Im Folgenden wollen wir den Bibelwissenschaftlern ein wenig über die Schulter schauen.
Die Arbeitsweise der Bibelwissenschaft ist die Exegese. Dieses griechische Wort meint die Auslegung von Schriften des Alten und Neuen Testamentes. Exegese bemüht sich, den fachlich gebildeten, aber auch den laienhaften Lesern, die Aussagen und Inhalte sowie die historischen und textlichen Zusammenhänge der biblischen Texte zugänglich zu machen. Für die Forscher gilt es daher, herauszufinden, von wem, wann und wo die Texte geschrieben wurden.
Bis in das 18. Jahrhundert...
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