Schweitzer Fachinformationen
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Einführung
Verabreden sich ein tibetischer Lama und eine Umweltaktivistin zu einem Zoom-Meeting .
Klingt wie der Anfang zu einem Witz, ist es aber nicht. Der tibetische Lama war kein anderer als der Dalai Lama, und bei der Umweltaktivistin handelte es sich um Greta Thunberg. Dieses Gespräch hat tatsächlich stattgefunden. Der Anlass für diese Online-Diskussion - die Klimakrise, die wir gegenwärtig erleben - hätte ernster kaum sein können. Doch wie immer, wenn der Dalai Lama beteiligt ist, verlief auch dieses Gespräch nicht todernst. Es waren trotz allem ein Feuer und eine Leichtigkeit zu spüren, ungeachtet des Themas und der - für Greta, die in Schweden saß - sehr frühen Stunde, wobei »mitten in der Nacht« es eher träfe. In Charlottesville, Virginia, wo ich arbeite, war es auch schon reichlich spät, nämlich 22.30 Uhr. Aber ich bin ohnehin eine Nachteule; und egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit dieses Gespräch stattgefunden hätte, ich wäre ebenso wach gewesen und froh, dabei zu sein.
10. Januar 2021, 9.00 Uhr früh im indischen Dharamsala. Der Dalai Lama und Greta Thunberg trafen sich zum ersten Mal. Etwa eine Million Menschen hatten sich dem Livestream zugeschaltet, um zu hören, was die beiden Leitgestalten sich zum Thema »Klimakrise« zu sagen hätten. Meine Aufgabe war es, die einleitenden Worte zu diesem Ereignis zu sprechen, da es von der Organisation, für die ich arbeite, dem Mind & Life Institute, gehostet wurde. Ich hatte Greta schon eine Stunde vor dem Event kontaktiert (in Schweden war es da 3.45 Uhr früh, wie ich anerkennend erwähnen möchte), um zu kontrollieren, ob mit der Bild- und Tonübertragung alles funktionierte. Zuerst war sie verständlicherweise noch ein bisschen verschlafen. Doch irgendwer - ich denke mal, es war ihr Vater - brachte ihr dann Tee und Toast, und schnell wurde sie zu der jungen, geradezu unheimlich gefassten Erwachsenen mit den klaren Augen, die ich aus dem Internet kannte. Sie saß mit nach hinten gebundenen Haaren und schwarzem Hoodie im elterlichen Wohnzimmer, der Hintergrund erfrischend unaufgeräumt. Auf dem Sofa eine verwurschtelte Decke. Auf - ja was: einem Hutständer, einer Lampe? - saß eine überständige Weihnachtsmütze, obwohl Weihnachten schon ein paar Wochen zurücklag. Greta zeigte sich ohne Allüren, nur mit ihrer zum Markenzeichen gewordenen Ernsthaftigkeit, was den Zustand unseres Planeten angeht. Hinter ihr konnte ich sehen, wie der tiefste schwedische Winter pechschwarz zum Fenster hereinsah.
Der Dalai Lama lächelte und winkte uns aus einem bequemen Stuhl hinter einem kleinen Holztisch zu, auf dem eine Uhr stand. Er saß in einem sonnenhellen Raum voll tiefroter und gelber Blumen, welche die Farben seiner traditionellen Mönchsrobe aufnahmen. Er hatte sich schon seit vielen Jahrzehnten für Umweltthemen starkgemacht, lange vor Gretas Geburt und zu einer Zeit, als das Ozonloch in den Köpfen präsenter war als die Bedrohung, die der Mensch für das Weltklima darstellt. Aber erst im Jahr zuvor hatte der Dalai Lama Greta einen Brief geschrieben. Darin hieß es: »Auch mir ist der Umweltschutz ein Herzensanliegen. Wir Menschen sind die einzige Spezies, die die Macht hat, die Erde, so wie wir sie kennen, zu zerstören. Doch wie wir die Fähigkeit haben, die Erde zu zerstören, so haben wir auch die Fähigkeit, sie zu beschützen. Es ist ermutigend zu sehen, wie du der Welt die Augen geöffnet hast für die Notwendigkeit, unseren Planeten, unser einziges Zuhause, zu schützen. Und gleichzeitig hast du so viele junge Brüder und Schwestern inspiriert, Teil dieser Bewegung zu werden.«
Nun, an Greta direkt gewandt, bringt der Dalai Lama noch einmal seine Bewunderung und seinen Optimismus zum Ausdruck, die ihn diesen Brief schreiben ließen. Und dass er sehr gespannt sei auf das, was sie zu sagen habe. »Die jüngeren Mitglieder der Menschheitsfamilie zeigen sich aufrichtig besorgt um unsere Zukunft, um unseren Planeten, und das ist ein sehr, sehr hoffnungsvolles Zeichen.« Gretas Antwort und ihre ersten direkten Worte an den Dalai Lama zeigen, dass diese Wertschätzung gegenseitig ist: »Ich kann sagen, dass wir als jüngere Generation ewig dankbar dafür sind, dass Sie für uns eintreten, und nicht nur für uns, sondern für die gesamte Menschheit und den ganzen Planeten.«
Doch wie Greta so oft und zu Recht betont, ist es weder fair noch zielführend, unsere gesamte Hoffnung auf die junge Generation zu setzen und die Rettung des Planeten ihr zu überlassen. Denn bis sie und ihre Altersgenossen alt genug sind, um als Umweltwissenschaftler, Klimajournalisten, gewählte Mandatsträger oder Ingenieure für grüne Energie aktiv zu werden, haben wir das kritische Zeitfenster verpasst, in dem sich die Katastrophen, die mit einer globalen Erwärmung über 1,5 bis 2 Grad Celsius hinaus verbunden sind, noch verhindern ließen. Natürlich findet Greta es, im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen, gut, dass der Dalai Lama während eines Großteils seines langen Lebens für die Belange des Planeten eingetreten ist. Schläft er auch jede Nacht geruhsame neun Stunden, das Thema »Umwelt« hat er darüber keinesfalls verschlafen.
Ebenso trifft zu, was der Dalai Lama sagt: Diese von jungen Menschen getragenen Bewegungen sind ein ermutigendes Zeichen; und wenn sich uns irgendwo Gelegenheit zur Hoffnung bietet, dann sollten wir diese Gelegenheit ergreifen. Während ich den beiden zuhöre, kommt mir ein Gedanke: Irgendwo in diesem Spektrum zwischen dem 85-jährigen Oberhaupt des tibetischen Buddhismus und der achtzehnjährigen Umweltaktivistin müssen auch wir aktiv werden.
Das ist unsere Aufgabe. Was den meisten Menschen auch mehr oder weniger bewusst ist, mag uns das Wissen um diese Notwendigkeit noch so neu sein. Vielleicht wurde es geweckt durch die Schlagzeilen der Zeitungen, durch Dokumentarfilme, oder konkreter und unmittelbarer durch Hitzewellen, Waldbrände, Flutkatastrophen oder Wasserknappheit. Die meisten von uns kennen die schlechten Nachrichten zum Klimawandel, und die meisten hegen daran keinen Zweifel, ob wir uns mit diesem Thema nun beschäftigen oder nicht. In diesen Tagen hören wir wieder und wieder von den Problemen. Und viele Menschen auf dieser Welt erleben sie ganz unmittelbar. Was aber bei Greta und dem Dalai Lama so anders ist: Wie diese beiden das Gespräch aufziehen, bekommt es etwas durchaus Einladendes. Was einen Umschwung in der bisherigen Herangehensweise bewirken kann. Zumindest war das bei mir der Fall.
Vielleicht möchten wir über diese Dinge lieber nicht reden, doch die jüngsten Ereignisse haben uns gezwungen, unsere Scheuklappen abzulegen, die uns vor der Erkenntnis bewahrten, dass unserem Planeten etwas droht, was gefährlicher ist als alles, was die Menschheit je gesehen, erlebt oder in ihren Annalen festgehalten hat. Extreme Wetterereignisse sind nichts Neues, doch die zunehmende Häufigkeit und ihre Schwere sind alarmierend. Nachrichten über Unwetterkatastrophen erreichen uns so häufig, dass ich sie mittlerweile jede Woche, wenn nicht jeden Tag, aus irgendeinem Winkel der Welt erwarte. Das beständige Tröpfeln erschreckender Schlagzeilen fühlt sich fast schon normal an. Es stumpft uns ab. Ich schaue mir die Nachrichten an, »sehe« sie aber nicht wirklich. Ich höre von einer Schlammlawine oder einem Waldbrand und schüttele den Kopf, doch dieses Leid fühlt sich zu heftig an, um es auszuhalten, also wende ich den Blick ab. Nicht, weil mir alles egal ist, sondern weil ich mich hilflos fühle. Oder genauer: fühlte. Bis mir die Menschen, die Sie in diesem Buch kennenlernen werden, zu der Erkenntnis verhalfen, dass ich in Wirklichkeit mit allem und jedem verbunden bin und dass es Menschen gibt, die gegen diese Entwicklungen bereits etwas tun. Und dass ich mich ihnen anschließen kann.
Vielleicht empfinden manche die Klimakrise als etwas, was - irgendwo weit weg - andere Menschen betrifft. Vielleicht scheint sie manchen als etwas, was weit in der Zukunft eintreten wird und uns genügend Zeit zum Gegensteuern lässt. Vielleicht fürchten wir auch, dass wir, lassen wir das Leid der Welt an uns heran, in Verzweiflung oder Lähmung versinken. Wie sollen wir morgens noch aus dem Bett kommen, wenn wir tatsächlich die Verluste und den Schaden nachempfinden, den wir unseren Mitmenschen, zahllosen nichtmenschlichen Lebewesen und unserem Planeten wider besseres Wissen zufügen? Vielleicht denken oder beten wir, dass jemand anders sich um diese Probleme kümmern möge, in letzter Sekunde sozusagen, mit einer technischen Wunderwaffe ausgerüstet. Oder dass eine Heilsgestalt auf einem weißen Pferd heransprengt und alle sich plötzlich der guten Sache anschließen. Charismatische Führungsgestalten und technologische Innovationen können uns zwar helfen, aber sie allein werden uns nicht retten.
Zwar tun viele in Sachen Umwelt, was sie als Einzelperson tun können: Müll trennen, recyceln, Politiker wählen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, unterstützen, Solaranlagen installieren oder ein E-Auto kaufen (wenn sie sich das leisten können). Aber dann hören wir von wohlmeinenden Menschen, solche individuellen Bemühungen würden nichts bringen. Dann recyceln wir zwar weiter unseren Müll und verwenden keine Trinkhalme aus Plastik, aber die Fakten über die Klimakrise sitzen uns wie düstere Schatten im Nacken. Wir kommen uns vor wie kleine Würstchen angesichts steigender Meeresspiegel und schmelzender Polkappen. Doch auch wenn unsere individuellen Bemühungen nicht ausreichen, ist die stille Resignation doch keineswegs die beste Alternative. Selbst wenn es uns überhaupt nicht passt: Wir müssen lernen, miteinander über die Klimakrise zu reden.
Wie Greta...
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