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Es gibt keine eisernen Gesetze
Mit meinen fast 50 Jahren Erfahrung an der Wall Street habe ich festgestellt, dass ich immer weniger weiß, was an der Börse geschehen wird, dass ich aber immer mehr darüber weiß, was die Anleger tun sollten - und das ist eine ziemlich wichtige Einstellungsänderung.
Benjamin Graham
In 200 Jahren wird sich niemand an den Kreuzzug von Bill Ackman gegen Herbalife erinnern. John Paulsons Wette gegen die Immobilienblase wird längst vergessen sein. Die Kommentare und Zitate von Charlie Munger (»Charlies Mungerisms«) werden im Papierkorb des 21. Jahrhunderts gelandet sein. Große Investoren kommen und gehen, und mit den meisten der in diesem Buch erwähnten Anleger werden zukünftige Generationen nichts mehr anfangen können. Doch wenn ich auf einen Anleger, der den Test der Zeit bestehen wird, mein Geld setzen müsste, dann wäre es Benjamin Graham.
Der Dekan der Wall Street, wie er genannt wurde, wird nie in Vergessenheit geraten, weil seine Lehre zeitlos ist. Seine Lektionen, die er in seinem grundlegenden Werk Security Analysis1 darlegte, sind heute noch genauso gültig wie im Jahr 1934 und werden es auch in 200 Jahren noch sein. Die menschliche Natur ändert sich im Verlauf der Zeit nicht. Unverändert bleibt auch die Tatsache, dass »wir bei der Anwendung der Analyse auf den Bereich der Wertpapiere auf das ernste Hindernis stoßen, dass das Anlegen seinem Wesen nach keine exakte Wissenschaft ist«.2 So begabt er auch in Mathematik war, verstand Graham doch, dass sich die Wertpapieranalyse nicht nach den Gesetzen der Physik richtet. Man kann nicht oft genug betonen, wie viele wichtige Entwicklungen von ihm ausgingen. Jason Zweig schrieb: »Vor Graham verhielten sich die Geldmanager fast wie eine mittelalterliche Gilde, die sich von Aberglauben, Mutmaßen und geheimen Ritualen leiten ließ.«3 Ben Graham ist für das Anlegen, was die Wright-Brüder für das Fliegen waren, und so wie deren Namen für immer mit dem Flugzeug in Verbindung gebracht werden, so wird Grahams Name für immer mit Finanzen in Verbindung gebracht werden.
Graham verstand, was zu seiner Zeit nur wenige verstanden: dass sich die in den Zeitungen angegebenen Aktienkurse und der zugrundeliegende Wert des Unternehmens nicht entsprechen. Graham führte das Beispiel der Wright-Brüder an und schrieb:
Im Beispiel Wright Aeronautical zeigt die frühere Situation eine Reihe von Tatsachen, die bewiesen, dass die Firma beträchtlich mehr als 8 Dollar pro Aktie wert war . Später im Jahr waren die Fakten ebenso schlüssig, dass der Wert von 280 Dollar pro Aktie dem Geschäft nicht angemessen war. . Für den Analysten wäre es schwierig gewesen zu bestimmen, ob Wright Aeronautical tatsächlich 20 Dollar oder 40 Dollar pro Aktie oder eigentlich 50 Dollar oder 80 Dollar wert war . Glücklicherweise war eine Entscheidung darüber aber nicht notwendig, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Aktie bei 8 Dollar attraktiv und bei 280 Dollar intrinsisch unattraktiv war.4
Security Analysis wurde für den Wall-Street-Profi geschrieben. The Intelligent Investor5 wird die Erinnerung an den Namen Graham für immer lebendig halten. Das war das erste Buch über Finanzen, das ich gelesen habe, und es hinterließ bei mir einen so starken Eindruck, dass ich meinen Blog The Irrelevant Investor nach ihm benannte. Im Gegensatz zu Security Analysis wurde The Intelligent Investor für Laien geschrieben und mit mehr als einer Million verkauften Exemplaren hat es sein Ziel erreicht. Warren Buffett sagte: »Ich habe die erste Auflage dieses Buches Anfang 1950 im Alter von 19 Jahren gelesen. Damals dachte ich, dass es bei Weitem das beste je geschriebene Buch über das Anlegen sei. Das denke ich immer noch.«6 So lange die Menschen über das Anlegen etwas lernen wollen, werden sie auf Graham zurückgreifen, der eine exotische Sprache mit Begriffen wie Net Working Capital und Return on Equity verständlich mit Wörtern wie Preis und Wert übersetzte.
Ben Graham erfand den Forschungsbereich der Finanzanalyse. Roger Lowenstein sagte: »Investieren ohne Graham wäre wie Kommunismus ohne Marx - diese Disziplin würde es kaum geben.«7 Er war ein Polymathematiker, den Charlie Munger »einen brillanten Mann« nannte und »seinerzeit der einzige Intellektuelle im Investmentgeschäft«.8 Als er gerade einmal 20 Jahre alt war, erhielt er in seinem Abschlusssemester an der Columbia Universität drei Einladungen von den Fakultäten für Englisch, für Mathematik und für Philosophie. Überwältigt von diesen Angeboten wandte er sich Rat suchend an den Dekan der Universität. Glücklicherweise besuchte gerade ein Mitglied der New York Stock Exchange zur selben Zeit den Dekan und bat ihn, ihm einen seiner besten Studenten zu empfehlen. Ohne zu zögern stellte er ihm Ben Graham vor.
Graham begann seine Karriere an der Wall Street im Jahr 1914, kurz bevor die New York Stock Exchange für vier Monate schloss - die längste Schließung ihrer Geschichte aufgrund der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg. Mit 20 Jahren und ohne an der Universität Ökonomiekurse belegt zu haben, begann er ganz unten auf der Karriereleiter und lieferte Wertpapiere und Schecks aus. Nach einem Monat wurde er zu einem Assistenten der Anleiheabteilung befördert und nur sechs Wochen später, als er den Markt besser verstand, schrieb Graham täglich einen Marktkommentar.
Ben Graham lehrte ab 1928 28 Jahre lang an der Columbia Business School und zur gleichen Zeit zehn Jahre lang an der Schule der New York Stock Exchange, die jetzt New York Institute of Finance heißt. Er zog Studenten wie zum Beispiel Walter Schloss, Irving Kahn und Bill Ruane an. Sein berühmtester Schüler aber war - natürlich - Warren Buffett, der der reichste Mann des Planeten wurde, indem er die Grundsätze anwandte, die Graham ihn gelehrt hatte.
Graham ist für Anleger das, was das Nationaldenkmal Mount Rushmore für Nordamerika ist, und obwohl er als Anleger und als Lehrer zukünftiger Generationen, die er unterrichtete, wie sie genau so erfolgreich sein können, enormen Erfolg hatte, hatte er in seiner Karriere, wie alle anderen auch, schwierige Zeiten. Die Lehrstunden, die Graham im Klassenzimmer erteilte und die er zu Büchern umsetzte, werden ewig fortbestehen. Aber wir können auch viel aus seinen Fehlschlägen lernen. Die wichtigste Lektion, die Anleger von dem Mann lernen sollten, der uns den Unterschied zwischen Wert und Preis beibrachte, ist, dass Value Investing kein Patentrezept ist. Billig kann noch billiger werden. Reich kann noch reicher werden. Sicherheitsmargen können falsch berechnet werden und Wert kann möglicherweise nicht zustandekommen.
Einige Anleger suchen nach Unternehmen, von denen sie annehmen, dass sie ihre Gewinne beträchtlich schneller als der Markt steigern werden. Andere suchen eher nach Unternehmen, deren zukünftige Aussichten nicht annähernd so schlecht sind wie ihr Aktienkurs. Ob sie sich nun als Wachstumsinvestor, als Value-Investor, als etwas dazwischen oder etwas ganz anderes sehen, Investoren wollen, dass Aktien mehr wert sind, als sie dafür bezahlen. Value Investing ist am effektivsten, um festzustellen, ob der Preis, den Sie für einen Anteil am Unternehmen zahlen, geringer ist als der tatsächliche Wert.
Als Security Analysis veröffentlicht wurde, stand der Dow Jones Industrial Average bei 100. Heute, 84 Jahre später und bei einem Stand von fast 22 000, hat er eine Wertentwicklung von 6,7 Prozent pro Jahr geliefert, die Dividenden nicht eingerechnet. Einige der bekanntesten Investoren, Anhänger des von Graham populär gemachten Value Investing, haben weit höhere Renditen erzielt, indem sie einige einfache Regeln befolgten. Diese Regeln laufen auf das hinaus, was Graham »Sicherheitsmarge« (»Margin of Safety«) nannte. Graham definierte diese als »den Abschlag, zu dem die Aktie unter ihrem intrinsischen Mindestwert gehandelt wird«.9 Ja, für die Berechnung dieses Werts werden auch Formeln verwendet, die aber nicht kompliziert sein mussten. Graham mochte Aktien, die für ein Drittel unter dem Wert ihres Nettoumlaufvermögens (»Net Working Capital«) gehandelt wurden. Einmal wies er darauf hin, dass »seit 1933 einige außergewöhnliche Ergebnisse hätten erzielt werden können, wenn man jedes Jahr die sechs im Dow Jones Industrial Average enthaltenen Aktien gekauft hätte, die zum niedrigsten Vielfachen ihrer letzten Gewinne gehandelt wurden«.10
Graham wurde nicht wegen seiner Berechnungen zur Bestimmung des intrinsischen Werts ein so brillanter Anleger, sondern weil er begriff, dass die Bestimmung exakter Werte sowohl unmöglich als auch keine Bedingung für Erfolg ist. »Es ist gut möglich zu entscheiden, ob eine Frau alt genug ist, um zu wählen, ohne zu wissen, wie alt sie ist, indem man sie sich einfach anschaut, oder dass ein Mann schwerer ist als er sein sollte, ohne sein genaues Gewicht zu kennen.«11
Graham war seiner Zeit weit voraus, als er...
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