Schweitzer Fachinformationen
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Die Mathematik ist eine der größten zivilisatorischen Leistungen des Menschen. Im Lauf der Geschichte hat die Mathematik die technischen Revolutionen der Menschheit überhaupt erst möglich gemacht, und große Mathematiker haben sie begleitet und vorangetrieben.
Unsere heutige Lebensweise stützt sich auf ausgefeilte technische Entwicklungen, die auf den Ingenieurwissenschaften beruhen. Das reicht von unseren technischen Geräten bis hin zu den großen technischen Infrastrukturen wie Energieversorgung, Kommunikationssysteme und Verkehrswesen. Den Ingenieurwissenschaften liegen ihrerseits die Naturwissenschaften zugrunde. Beide Wissenschaften verwenden hoch entwickelte Zweige der Mathematik, um zahlenmäßige Beziehungen - mathematische Gesetzmäßigkeiten - zwischen den verschiedenen messbaren Größen des jeweiligen Feldes zu formulieren. Diese Gesetzmäßigkeiten werden sowohl durch Experimente wie auch durch Bewährung in der Praxis erhärtet. All das hätte ohne Mathematik nicht gefunden, erfunden und entwickelt, ja nicht einmal formuliert werden können.
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tritt neben diese theoretische Mathematik der Formeln und Gesetzmäßigkeiten eine praktische Mathematik in Form eines großtechnischen Einsatzes von Computersystemen für numerische und statistische Berechnungen aller Art, eine weitere technische Revolution. Unter dem Stichwort Big Data hat im 21. Jahrhundert die Auswertung riesiger Datenmengen mit Hilfe von mathematischen Algorithmen eine neue Qualität und Bedeutung für unser soziales Leben gewonnen.
Das gilt auch für die Artificial Intelligence, deutsch Künstliche Intelligenz, kurz als AI oder KI bezeichnet, nämlich die Entwicklung von lernfähigen Computersystemen zur Verarbeitung von logischen Schlüssen oder zur Erkennung von Mustern, die im 21. Jahrhundert durch leistungsfähige Prozessoren, kostengünstige Speichersysteme und die Auswertung der riesigen Datenmengen von Big Data erst richtig in Fahrt kommt. Auf der Grundlage regelbasierter Entscheidungen und mit Hilfe von Maschinellem Lernen und industrieller Regelungstechnik soll künftig autonomes Fahren von Fahrzeugen im Straßenverkehr nicht nur möglich, sondern die Regel werden. Viele Tätigkeiten in Handel und Industrie, viele halb automatisierte Produktionsschritte werden künftig von lernfähigen Robotern übernommen. Exoskelette können gelähmten Menschen das Laufen ermöglichen, aber auch Hilfstätigkeiten in der Alten- und Krankenpflege wie das Heben und Umdrehen von Patienten sowie Hilfstätigkeiten im Haushalt können von Robotern übernommen werden, wenn wir das wollen. Diese neuen Möglichkeiten werden unsere Arbeits- und Lebenswelt innerhalb der kommenden Jahre drastisch verändern.
Doch in unserer Kultur gibt es einen Riss zwischen Kunst und Geisteswissenschaften auf der einen und Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften auf der anderen Seite. Fragt man einen Geisteswissenschaftler nach Mathematik, so erhält man oft die Antwort: "Damit habe ich schon an der Schule nichts anfangen können. Ein Albtraum! Völlig unbegabt wie ich nun mal bin."
In seiner Ansprache auf dem 5th International Congress of Mathematicians in Berlin im August 1998 hat der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger unter dem Titel Zugbrücke außer Betrieb den stillschweigenden Konsens angeprangert, mit dem die Mathematik heute aus der Sphäre der Kultur ausgeschlossen und zum Gebiet von - bestenfalls - Experten oder Sonderlingen erklärt wird. Eine Mehrheit von Intellektuellen verzichtet aus freien Stücken darauf, sich ein kulturelles Kapital von immenser Bedeutung und von größtem Reiz anzueignen. Das kommt einer Art von intellektueller Kastration gleich. Noch nie hat es eine Zivilisation gegeben, die bis in den Alltag hinein derart von mathematischen Methoden durchdrungen und derart von ihnen abhängig ist, wie die unsrige. So weit Hans Magnus Enzensberger. Das Problem liegt sicher auf beiden Seiten. Die Zugbrücke um zusammen zu kommen, ist außer Betrieb.
Das Buch will die Zugbrücke bei einigen Themen weit herunterlassen. Es stellt Grundkonzepte der Mathematik, insbesondere die Zahlen, in ihrem zivilisatorischen, technischen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld vor und bietet ein spannendes Stück Technikgeschichte - mit der Behandlung des Unendlichen auch ein faszinierendes Stück Geistesgeschichte. Es erklärt, warum die Mathematiker eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der technischen Probleme ihrer Zeit, ja zu einigen Zeiten sogar auch derer der Kunst gespielt haben. Dabei soll es für NichtMathematiker verständlich bleiben. Es ist kein Mathematikbuch, mit dem man Mathematik lernen könnte.
Es richtet sich an Naturwissenschaftler und Ingenieure, ebenso Sozialwissenschaftler, von denen viele zu Beginn ihres Studiums die Mathematik als lästiges Nebenfach erlebt haben, das man so rasch wie möglich hinter sich bringen und abhaken musste. Ein Nebenfach, das man auch später bis auf ein bisschen Statistik kaum noch brauchen würde. Sie könnten sich fragen, was davon auf Dauer relevant ist. Es richtet sich aber auch an Geisteswissenschaftler, die - losgelöst von schulischem Druck - noch einmal verstehen wollen, welche Bedeutung dieses Feld für die Geistesgeschichte hat und warum es andere so fasziniert. Natürlich hat sich das Buch auch zum Ziel gesetzt, dass die Leserinnen und Leser die Mathematik und die Mathematiker mit anderen Augen sehen und die Innovationen verstehen, die sie jeweils eingebracht haben haben - ohne gleich die ganzen mathematischen Theorien verstehen zu müssen. Ob das gelingt, muss sich im Einzelnen zeigen. Jedenfalls soll es auch Vergnügen bereiten beim Lesen.
Als Mittel der Wahl nutzt es den lange vergessenen induktiven Zugang zu den Zahlen samt einer technischen Begründung, die in dieser Form neu sein dürfte. Beides ist für Nicht-Mathematiker einfacher nachzuvollziehen. So oder so ähnlich hätte der große Mathematiker Carl Friedrich Gauß um die Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen, sowie darauf aufbauend die reellen Zahlen einführen können. Die von Platon und Aristoteles angestoßene Debatte über das aktual und potenziell Unendllche hat über 2000 Jahre lang die Mathematik geprägt und ist heute vergessen. Dafür hat im 20. Jahrhundert der Begriff des Algorithmus große Bedeutung gewonnen. Hier wird das Konzept des potenziell Unendlichen, das Aristoteles schon um 350 v. Chr. formuliert hat, systematisch verwendet zusammen mit einer Orientierung an der technischen Praxis.
Der Mathematiker und Philosoph Paul Lorenzen hat seiner Wissenschaftstheorie die Einsicht zugrunde gelegt, dass alle Wissenschaften und Theorien nur aufgrund von vorheriger - zumindest teilweise - gelungener Praxis sinnvoll sind. Alle Theorien sind Redeinstrumente zur Stützung schon begonnener Praxis. Dieses Konzept ist allgemein anerkannt in der Wissenschaftstheorie. Es unterstreicht die grundlegende Bedeutung der technischen Praxis für Mathematik und Naturwissenschaften.
Die Darstellung erhebt weder den Anspruch, historisch im Sinn der Mathematikgeschichte zu sein, noch systematisch im Sinn der mathematischen Theorien. Sie soll durch Anekdoten und Historien die Problemstellung verdeutlichen und eine Bewertung der technischen Lösungen erlauben, die durch die Mathematiker und ihre Theorien ermöglicht wurden. Die Mathematiker verstehen die Mathematik heute als geschlossenes deduktives Gebäude, wo aus wenigen ersten Sätzen weitere Lehrsätze mit mathematischer Strenge gefolgert werden. Große Teile der Physik verstehen sich ebenso. Die Sprache ist rein mathematisch und für Nicht-Mathematiker kaum zugänglich. Die Populärwissenschaft hat einen schweren Stand damit. Anschauliche Darstellungen erfordern viel Phantasie - bis an den Rand der Märchenstunde.
Zu den einzelnen Teilen der Mathematik gibt es auch einen induktiven Zugang. Sehr oft ist das der Weg, den die historische Entwicklung genommen hat. Die ursprüngliche Fragestellung, die erste Lösung sind oft anschaulicher als das stromlinienförmige Gebäude, das die Entwicklung krönt - und dessen Schönheit sich nur noch dem Fachmann erschließt. Der Fokus auf den induktiven Zugang und die Bindung an die Technik sollen hier eine anschauliche und - zumindest in den Anekdoten und Historien - spannende Darstellung ermöglichen, die zur Märchenstunde Abstand wahren kann. Eine besondere Rolle spielt dabei die konstruktive Definition der Zahlen durch Abstraktion, wie auch in den Geisteswissenschaften Begriffe definiert werden.
Den roten Faden für das technische Engagement der Mathematiker stellen die Vermessung der Erde und die Bestimmung der geographischen Länge auf See dar, die über 2000 Jahre lang zwei der wichtigsten technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme blieben. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. gab es nahezu gleichzeitig zwei Lösungen für das Längenproblem: Das Schiffschronometer von 1759 beruhte auf einer...
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