Schweitzer Fachinformationen
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Am nächsten Tag legte ich meinen Entwurf bei der Druckerei Porten vor und bat um ein Angebot für tausend Exemplare.
«Normal machen wir kein Sofortangebot. Aber für die Kirche und ein einfaches Wickelfalz-Prospektblatt, da mache ich eine Ausnahme. Ich rechne Ihnen den Preis jetzt aus», sagte der Mann in der Auftragsannahme. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb etliche Zahlen auf ein Blatt Papier. Nach ein paar Minuten kam er zurück.
«Die ersten tausend Prospekte kosten zweihundert Mark. Weil der Hauptteil des Satzes bei den Veranstaltungen stehenbleibt, werden es danach nur circa hundertachtzig Mark pro Ausgabe», erklärte er mir.
«Bei vierhundertfünfzig Mark Anzeigenerlös, abzüglich Druckkosten, würde das Blatt rund zweihundertfünfzig Mark Profit pro Monat bringen», rechnete ich mir auf der Straße laut vor und ging zur St. Bonifatius-Kirche rüber.
Im Pfarrhaus, neben der Kirche, fragte ich die Haushälterin nach dem Herrn Pfarrer.
«Der ist im Moment in der Sakristei … drüben, durch den Seiteneingang. Gehen Sie ruhig zu ihm. Er hat bestimmt ein paar Minuten für Sie», sagte sie freundlich.
Ich ging rüber, klopfte, und der Pfarrer, ein aufgeschlossener älterer Herr, hörte mir aufmerksam zu, als ich ihm den Entwurf präsentierte.
«Kostet bestimmt viel Geld», meinte er.
«Nein. Für Sie kostenlos. Ich finanziere den Druck und mein Honorar aus den Anzeigen», erklärte ich.
Mit einem amüsierten Lächeln stimmte er zu.
«Gut. Ich probiere es. Das erste Exemplar schicke ich dann meinem Bischof.»
Ich bat ihn um ein Empfehlungsschreiben und eine Liste der Geschäftsleute unter seinen Gemeindemitgliedern. Mit diesen wertvollen Dokumenten in der Tasche bin ich dann fröhlich pfeifend nach Hause gegangen, um Mutter die gute Nachricht mitzuteilen.
Mit Entwurf und Pfarrerbrief klapperte ich die nächsten Tage die aufgeführten Firmen ab. Jedem verkaufte ich zwölf Anzeigen, mit zehn Prozent Jahresrabatt. Sie genierten sich, nein zu sagen, weil ich von der Kirche kam. Das erste Blatt stand dann. Finanziell war das Erscheinen im Nu gesichert. Für ein volles Jahr. Sagenhaft!
Am Monatsanfang holte ich das Manuskript vom Pfarrer und brachte ihm zwei Tage später seine Blätter. Ich hatte als Titel «St. Bonifatius-Nachrichten» in gotischer Schrift setzen lassen. Das gefiel ihm besonders.
«Peter, das hast du gut gemacht. Die St. Bonifatius-Gemeinde hat bestimmt das beste Mitteilungsblatt in ganz Norddeutschland», lobte er mich.
Als nächstes besuchte ich den Pfarrer der Nachbargemeinde. Ihm konnte ich nun bereits ein fertiges Blatt zeigen. Der war richtig neidisch auf den anderen Pfarrer. Als er hörte, daß es nichts kostete, machte er sofort mit. Ich hatte einen Goldesel. Einen, der in alle Ewigkeit Geld schiß!
Weil ich noch minderjährig war, meldete meine Mutter das Gewerbe an. Unser Wohnzimmer wurde zum Büro. Ich kaufte mir eine gebrauchte Schreibmaschine und druckte mir Firmenbogen. Ich schuftete Tag und Nacht. Nach vier Monaten waren vierzehn Gemeinden bei uns Kunde. Das brachte jeden Monat vierzehn mal zweihundertfünfzig Mark, also rund dreitausendfünfhundert Mark. Ein Wahnsinnsgeld! Aus der Zeitung wußte ich, daß der Direktor der örtlichen Sparkasse nur fünfzehnhundert Mark im Monat verdiente.
Ich kam mir vor wie ein kleiner Midas.
Nach bestandener Fahrprüfung kaufte ich auf Raten ein weißes VW-Cabrio. Ich war kurz vor dem Aushaken, als ich bei der ersten Fahrt mit geöffnetem Verdeck beim Bermuda-Dreieck vorfuhr.
Danach sahen mich Edwin und die Stammgäste mit ganz anderen Augen. Ich verteilte meine Visitenkarten, mit «Peter Reynolds, Verleger» drauf. Das machte natürlich Eindruck. Statt Groschen-Peter nannten sie mich nun den Verleger Reynolds.
Der Höhepunkt aber war mein erster Ausflug mit dem offenen Cabrio nach Birkum. Es war ein kühler Frühlingstag. Also fuhr ich mit geschlossenem Verdeck bis an den Stadtrand. Dort klappte ich das Verdeck runter und schaltete den AFN-Sender des Radios auf volle Lautstärke. Dann fuhr ich langsam die Hauptstraße rauf und runter. Immer wieder begrüßte ich Bekannte. Ich fror mir fast die Ohren ab und schaltete die Heizung ein. Aber das tat mir nichts. Es wurde eine Triumphfahrt!
Ich paßte den Schulschluß am Gymnasium ab und fuhr lässig vorbei. Gerade als Krawitz, Ott und etliche mir bekannte Lehrer rauskamen. Alle erkannten mich und waren starr vor Staunen. Das war schon ein geiler Moment. Richtige Gänsehaut bekam ich dabei.
Meinem Freund Ott gab ich ein Zeichen.
«Ich bring dich nach Haus, Junge», rief ich, und er sprang zu mir in den Wagen.
«Mensch, Peter, wie kommst du zu dem starken Schlitten? Und dann noch ein Cabrio! Das ist ja der Hammer», sagte er beeindruckt.
Ich reichte Ott meine Visitenkarte und zwei Kirchenblätter.
«Ich hab’ diesen Verlag gegründet. Das ist inzwischen der größte Kirchenzeitungsverlag in Norddeutschland», sagte ich großspurig.
Das warf ihn endgültig um.
«Alle dachten, du bist fertig, im Arsch … statt dessen bist du ein erfolgreicher Geschäftsmann, der King», sagte er und schüttelte den Kopf.
Wir bogen in die Aue-Allee. Im Radio sang Elvis «Baby, don’t step on my blue suede shoes».
Als wir langsam zwei Mädchen überholten, erkannte ich Meta. Wir sahen uns ein paar Sekunden an. Ich lächelte. Sie lächelte verdutzt zurück. Ich gab Gas …
«Die geht jetzt mit Krawitz. Ist ’ne feste Sache», meinte Ott.
War mir doch egal. Ich genoß ihn, den größten Triumph meines Lebens!
Ich stürzte mich in den Außendienst und arbeitete bis zum Umfallen. Nach einem Jahr brachte ich fünfundzwanzig Kirchenzeitungen heraus. Plötzlich war ich immer flüssig und konnte meinem Hobby frönen, der Malerei.
Ich besuchte die Bremer Kunsthalle, Galerien und Antiquitätengeschäfte. Vervollständigte meine Kunst-Bibliothek und konzentrierte mich immer mehr auf die Malerei vor 1900.
An einem Wochenende entdeckte ich dann im Verkaufsteil die erste vielversprechende Anzeige. Ein als «altes Schiffsbild» angebotenes Gemälde, das ich für hundertzwanzig Mark erwarb, entpuppte sich als wertvolles Kapitänsbild, frühes 19. Jahrhundert. Ich hängte das wertvolle Stück in meinem Zimmer auf. Welch eine Freude!
Ins Bermuda-Dreieck ging ich nicht mehr. Das konnte ich mir als erfolgreicher Geschäftsmann nicht mehr erlauben; mit den Losern dort. Ich verkehrte jetzt in der eleganten «Strandlust», Bremerhavens führendem Nobelrestaurant, mit Bar und großer Weserterrasse. Da konnte man gepflegt speisen und dabei ein- und auslaufende Ozeanriesen und elegante Yachten beobachten.
Ich sparte systematisch mein Geld.
Ich werde eine große Segelyacht kaufen, sagte ich mir. Dann segle ich rund um die Welt, zu sonnigen Küsten unter immergrünen Palmen. Eine hübsche Alte nehme ich mit, eine wie Meta … Meta? Mit Krawitz geht sie jetzt. Da kann ich sie vergessen. Der ist auf Draht und läßt keinen mehr an sie heran.
Ich war inzwischen zwanzig Jahre alt. Jung und erfolgreich. Zog achtundzwanzig Kirchenzeitungen pro Monat durch. Ein sehr lukratives Geschäft!
Dann kam der verdammte Brief vom Büro des Bischofs, der mir wieder den Boden unter den Füßen wegriß … wo er mir neunzehn Blätter seiner Kirche kündigte.
Ein überregionaler Großverlag aus Süddeutschland offerierte ihm vierzig Prozent des Anzeigenerlöses und bekam über Nacht den Zuschlag. Ein Gegenangebot von meiner Seite war nicht drin, weil der Großverlag die Blatter selber druckte und auch daran zusätzlich verdiente. Sechs Wochen später wurden die restlichen Kirchenblätter ebenfalls pauschal vom Großverlag übernommen. Ich hatte keine schriftlichen Verträge mit den Gemeinden gemacht und ging somit leer aus. Es war das Ende.
Allerdings standen mir noch Anzeigenerlöse von rund dreißigtausend Mark zu, von bereits vorhandenen Verträgen, die auf volle zwölf Monate abgeschlossen waren. Der Großverlag war kulant und sicherte mir meine monatliche Provision bis zum Auslauf der Verträge.
Das gab mir genug Zeit, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Erstmal wollte ich nun meinen ewig erträumten Urlaub machen …
Es war Frühsommer, und ich fuhr täglich in die Bremerhavener City, um einen guten Kaffee zu trinken. Meistens saß ich draußen im populären Treff «Café Brema», das mitten im Kaufhausviertel lag und dennoch eine Oase der Ruhe war. Nebenan am...
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