Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
In der Hotelküche war Henning schon damit beschäftigt, Brot, Aufschnitt und Käse zu schneiden. Einen deftigen Heringssalat hatte er vorhin bereits zubereitet, und eine Gulaschsuppe köchelte auf dem Herd.
»War das ein Nachmittag!« Birgit ließ sich auf einen Küchenstuhl plumpsen und atmete tief aus. »Ich hoffe, Tante Grete benimmt sich den beiden gegenüber einigermaßen gesittet. Schließlich ist es ihr Sohn, und nur garstig kann man doch nicht durchs Leben gehen.«
Henning schaute sie an. »Ich weiß auch nicht, warum alte Menschen manchmal so verbittert werden. Natürlich steckt oft Krankheit dahinter, ein nicht erfüllter Lebenstraum oder finanzielle Not. Aber das Leben sollte sie eigentlich gelehrt haben, dass sich vieles mit ein bisschen Humor und Gelassenheit wesentlich leichter ertragen lässt. Gut, Tante Grete hat mit ihrer Gicht zu kämpfen, aber sie kann sich zum großen Teil noch selber versorgen, und Geldsorgen hat sie auch keine, soweit ich weiß. Ihr Mann hat ihr doch eine vernünftige Rente hinterlassen, sie wohnt im eigenen Häuschen, und anspruchsvoll ist sie auch nicht. Wer weiß, was in ihrem Kopf herumspukt.« Henning rührte gedankenverloren den Heringssalat um und schmeckte ihn noch einmal ab. »Probier mal.« Er schob Birgit einen Löffel voll in den Mund.
»Mhhh, lecker, da werden sich unsere Gäste wieder alle Finger nach lecken.«
»Ich decke mal eben schnell die Tische ein, die Herrschaften werden bestimmt gleich auf der Matte stehen.«
Einige wenige Gäste waren auch außerhalb der Saison meistens im Haus - Handwerker, die auf der Insel zu tun hatten und während der Woche blieben, Vertreter, die von Haus zu Haus gingen, und hin und wieder auch mal ein Gast, der Baltrum im Winter kennen lernen wollte. Mittagessen gab es für sie in der Gaststätte Zum Seehund, und wenn der Seehund Ruhetag hatte oder winterfrei machen wollte, erklärte sich meist ein anderer Gastronom bereit, sein Restaurant zu öffnen. Meistens .
So mancher, der sich im Winter unangemeldet auf die Insel gewagt hatte, völlig zu Recht in der Annahme, dass fast alle Häuser und damit auch alle Betten leer standen, hatte sich schon verwundert erklären lassen, warum dann trotzdem kaum ein Insulaner bereit war, sein Haus für Gäste zu öffnen. »Sie wissen ja, die Heizkosten .!«
Falls denn der arme Gast bei seinem Irrweg auf Zimmersuche überhaupt jemanden fand, der ihm irgendwelche Tatsachen erklärte. Oft konnten sich diese armen Menschen nur glücklich schätzen in dem Glauben, dass abends eine Fähre Richtung Neßmersiel ablegte. Allerdings war das bei der tidenabhängigen Fährverbindung nicht immer der Fall.
Zum Glück gab es aber einige Insulaner, die in der Winterzeit ihre Türen öffneten. Dazu gehörten Birgit und Henning Ahlers.
Birgit ging in den kleinen Raum, der für Frühstück und Abendessen genutzt wurde. Es dauerte nicht lange, da stand Hans Ottovordemgentschenfeld in der Tür, Wurstfabrikant in der dritten Generation und ein Meter fünfundsechzig geballte Lebensfreude. Er hieß wirklich so. Viele Ostwestfalen hießen so oder so ähnlich. Besonders in seiner Heimatstadt Verl.
Sein Werbeslogan lautete: Es gibt die beste Wurst der Welt bei Ottovordemgentschenfeld! Er belieferte die Insulaner mit Portionsware für das Frühstück und hatte nicht nur Wurst-, sondern auch Butter-, Marmeladen-, Honig- und Schwarzbrotportionen im Programm. Nebenbei lieferte er für fast alle insularen Feste die leckere Bratwurst, die als Spezialität seiner Firma galt.
Schon sein Vater war jedes Jahr im Winter aus dem kleinen Ort bei Gütersloh, dem Stammsitz seiner Wurstfabrik, auf die Insel gereist, hatte sich bei Birgits Eltern einquartiert und mit den Insulanern Geschäfte gemacht. Damals hatten die Vermieter noch Warenmengen für eine ganze Saison bestellt.
In den Sechzigern und Anfang der siebziger Jahre war das Festland wesentlicher umständlicher zu erreichen gewesen als jetzt. Die Fährverbindung nach Norddeich hatte eindreiviertel Stunden gedauert. So war an den meisten Tagen nur eine Fahrt möglich gewesen; wer damals an Land einkaufen wollte, musste eine Übernachtung einplanen. Die wenigsten Insulaner hatten zu dieser Zeit schon Führerschein und Auto, und so war die nächste Hürde das Fortkommen von Norddeich. Da war es kein Wunder, dass sich zu Beginn jeder Saison viele Vertreter auf den Weg nach Baltrum gemacht hatten, um den Insulanern alles anzubieten, was diese für sich und ihre Gäste brauchen würden.
Heutzutage lief das alles anders. Die Überfahrt war kurz, die Insulaner mobil und kaum noch einer legte große Vorräte an.
»Guten Abend, Birgit - ich sehe, mein wohlverdientes Abendessen nach solch einem kalten Tag steht schon auf dem Tisch. Hoffentlich kommen die anderen Gäste auch bald, damit wir nicht mehr so lange warten müssen.« Hans rieb sich die Hände. »Wie wär's mit einem lütten Aufwärmer, um die Zeit zu verkürzen?«
Ehe Birgit antworten konnte, ging die Tür wieder auf und Wilfried Stark, Vertreter für Bett- und Tischwäsche, Hand- und Badetücher, Vorleger und so weiter füllte mit seinen 130 Kilo den Raum. Der Mitarbeiter der Firma Wäsche Meier kam ebenfalls seit vielen Jahren auf die Insel und kannte jeden Alteingesessenen.
»Na, hast du die Insel schon mit Bettvorlegern eingehüllt?«, begrüßte Hans seinen Kollegen.
»Wenn's man so wäre! Alle bitten mich herein, bieten mir Tee und Kuchen an, wollen die Neuigkeiten hören, die ich beim vorherigen Kunden erfahren habe, und dann ist der Bauch voll, aber das Auftragsbuch ziemlich leer. Es gibt halt so viele Möglichkeiten inzwischen, den Bedarf zu decken. Versandhäuser, Internet . Aber wem sag ich das.« Stark wuchtete seine Leibesfülle an den Abendbrottisch. »Wir gehören mit unserer Ansicht, dass gute Qualität und fachkundige Beratung so manches Sonderangebot ersetzen können, wohl zu einer aussterbenden Spezies.«
»Genau so sieht es aus! Meine Bratwurst ist ein Spitzenprodukt, hat natürlich ihren Preis, und was sagen mir die Leute? >Im Großmarkt in Aurich kostet die Bratwurst zwanzig Cent weniger das Stück. Schmeckt auch! Und für Gäste langt die allemal .< Da kannst du doch nur hilflos mit den Schultern zucken. Ich muss mir wirklich überlegen, ob ich nächstes Jahr wiederkomme. Aber Spaß macht es ja auch, die alten Gesichter zu begrüßen.« Hans setzte sich zu Wilfried Stark an den Tisch. »So, Birgit, nun lassen Sie doch mal die Luft aus den Gläschen. Oh, heute noch zwei neue Gäste unter uns? Auch Kollegen?« Neugierig schaute er zum ebenfalls eingedeckten Nachbartisch.
»Nein, der Sohn von unserer Nachbarin übernachtet mit seiner Lebensgefährtin bei uns.« Birgit nahm die Schnapsflasche aus dem Tiefkühlschrank und schenkte den Vertretern ein. »Prost, meine Herren, der geht aufs Haus. Zu einem Teller Gulaschsuppe wird auch keiner von Ihnen Nein sagen, oder?« Bevor sie in die Küche ging, zapfte sie noch schnell zwei Pils an, denn die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass damit oft ein gemütlicher Abend begann.
Die alte Standuhr mit dem geschnitzten Segelschiff im Hotelfoyer schlug gerade sieben, als Sabine Heller und Peter Peters eintrafen.
Birgit kam gerade mit zwei Tellern dampfender Suppe aus der Küche. »Ich bringe das hier nur kurz weg, dann zeige ich euch das Zimmer. Ihr könnt natürlich auch zwei Einzelzimmer haben.« Sie grinste über das ganze Gesicht.
Peter grinste zurück. »Bei dieser Kälte ist gegenseitiges Wärmen umweltfreundlicher und preisgünstiger. Gib uns man das Doppelzimmer.«
Birgit trug die Suppe in den Gastraum.
»Das ist ja echt nett, dass die uns hier so freundlich aufnehmen«, hörte sie Sabine sagen.
»Birgit und ich kennen uns schon seit der Kindheit«, erklärte Peter. »Außerdem ist dies nun mal ein meteorologischer Notfall, da hilft man eben aus.«
Birgit servierte den beiden Vertretern ihre Suppe. Dann zeigte sie Sabine und Peter das Zimmer sechs. »Aber erst könnt ihr gleich wieder mit runterkommen«, sagte sie. »Das Abendessen steht schon auf dem Tisch. - Na, wie ist es euch denn in der letzten Stunde ergangen? Hat Tante Grete sich einigermaßen benommen?«
»Davon kann überhaupt keine Rede sein«, sagte Peter, während sie die Treppe wieder hinuntergingen. »Sie wollte uns partout von der Bösartigkeit der gesamten Menschheit überzeugen. Ihre Fallbeispiele nahmen kein Ende und machten auch vor uns nicht halt. Meine Mutter weiß von Sabine nur, dass sie Ende dreißig, unverheiratet und berufstätig ist, aber schon ist sie sicher, dass Sabine keine Kinder gebären kann - und das, wo uns der Staat heute angeblich alles hinterherwerfen würde. Darüber schien sie besonders sauer zu sein. Sie hätte vor fünfundvierzig Jahren schließlich nichts gekriegt und mich trotzdem bekommen, sagt sie, trotz aller finanzieller Not. Vater hätte doch nichts nach Hause gebracht und sie den Buckel krumm gehabt vom Bettenmachen und Putzen bei anderen Leuten.«
»Vielleicht mag sie mich einfach nicht leiden«, wandte Sabine ein.
»Das glaube ich nicht«, sagte Birgit. »Ich denke, sie hätte jede andere Frau an deiner Stelle genauso behandelt. Mütter befinden sich immer im Liebeskonkurrenzkampf mit den Gattinnen, Lebensgefährtinnen und Freundinnen ihrer Söhne.«
»Ich glaube nicht, dass es daran liegt«, widersprach Peter. »Und allein mit dem Alter kann das bei ihr auch nichts zu tun haben. Ich bin echt verblüfft, wie sich ein Mensch in kurzer Zeit so verändern kann. Als ich Weihnachten hier...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.