Schweitzer Fachinformationen
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Frank und Klara standen ratlos im Frühstücksraum. Von Frau Steenken keine Spur. Waren die Tische hier reserviert oder durften sie sich einen aussuchen?
Klara hatte selten einen Raum gesehen, der einen wohnlicheren Eindruck machte. Helle Rattansessel standen um die Tische, die mit blauen Decken und blau-weißen Sets geschmückt waren. In den Fenstern standen maritime Dekoartikel, die in Klaras Augen schon fast Kunstwerke waren, denn sie hatten keinerlei Ähnlichkeit mit den üblichen Holzmöwen und Leuchttürmen, die allerorts zu finden waren. Auch das Frühstücksgeschirr passte in seiner schlichten Fröhlichkeit zu der guten Laune, die dieser Raum ausstrahlte.
»Dieser Tisch ist frei.« Eine braun gebrannte und sehr blonde Frau winkte zu Klara und Frank hinüber. »Müllers sind gestern gefahren, und die haben immer hier gesessen. Frau Steenken kommt sofort wieder. Sie holt Kakao für unsere Jungs.«
»Kakao, Kakao«, schallten wie ein Echo zwei Kinderstimmen hinterher.
»Kevin, Mark. Ruhe im Karton. Toben könnt ihr nachher am Strand.«
Aha, die Mutter. Aber dass Toben am Strand eine realistische Idee war, wagte Klara zu bezweifeln. Es regnete in Strömen. Schon am Abend, als Frank und sie zum Essen gegangen - nein, gelaufen - waren, hatte es wie aus Kübeln geschüttet. Als sie dann auf ihr Essen gewartet hatten, waren Blitz und Donner einander rasch gefolgt. Manchmal hatte es so geknallt, dass sie ihr eigenes Wort nicht verstehen konnten. Trotzdem war es sehr gemütlich gewesen. Sie hatte sich gut mit ihrem Kollegen unterhalten. Bis sie wieder in ihrer Wohnung angekommen waren. Da hatte sie ein Machtwort sprechen müssen.
Frank hatte mit einem wütenden Schnauben akzeptiert, dass der Abend an dieser Stelle beendet war. Doch dann hatte er ihr sogar das Schlafzimmer überlassen. Als sie morgens aufgestanden war, hatte er bereits fix und fertig angezogen auf dem Sofa vor dem Fernseher gesessen und das Morgenmagazin geschaut. Genauer gesagt ihren Lieblingsmoderator fürs Metereologische, Ben Wettervogel. Schon vor dem Frühstück bekam sie bei diesem Namen manchmal einen hysterischen Lachanfall. Wie kann man sich nur freiwillig solch einen Namen zulegen?, dachte sie jedes Mal und überlegte, ob es für ihren Berufszweig nicht etwas Ähnliches gäbe. Etwa wie: Micki Immobiber, Ela Bauuntermite oder so. Sie würde darüber weiter nachdenken.
Es dauerte nicht lange, da kam ihre Vermieterin mit zwei Bechern dampfenden Kakaos in den Frühstücksraum. Heißer Kakao mitten im Sommer? Klara konnte es nicht glauben. Aber die beiden Jungs griffen sofort danach. Selbst ein »Vorsicht, heiß!« seitens der Mutter konnte sie nicht bremsen. Also hatte wohl alles so seine Richtigkeit. Eigentlich ging es sie auch gar nichts an.
»Guten Morgen, Frau Ufken, guten Morgen, Herr Visser. Was darf ich Ihnen bringen?«, begrüßte Frau Steenken sie freundlich und zeigte ihnen den für sie reservierten Tisch. Tatsächlich war es der, an dem Müllers immer gesessen hatten.
Nachdem sie ihre Getränkewünsche genannt hatten, begutachteten sie das Buffet. Alle Achtung. Ob Wurst, Käse, Butter oder Brot - alles in Bioqualität. Zumindest wenn man dem Hinweis glauben durfte, der neben dem Brotkorb stand. Klara war glücklich. So was fand man heutzutage viel zu selten. So konnte sie unbeschwert ihr Frühstück genießen. Sie würde gleich danach Sonja davon erzählen.
Ihre Freundin hatte sie erst auf den Bio-Trip gebracht. Früher war es Klara völlig egal gewesen, was sie in sich hineingeschaufelt hatte. Jetzt achteten beide sehr darauf, sich ausgewogen und gesund zu ernähren. Seitdem fühlte Klara sich viel fitter als vorher. Der kleine Bioladen in der Nähe ihrer Wohnung war ihnen ein beliebtes Anlaufziel geworden. Dort wurde man persönlich bedient, mit Namen angesprochen. Zu den Produkten gab es oft hilfreiche Erklärungen über die Anbaugebiete der verschiedenen Obst- und Gemüsesorten und Rezepte für leckere vegetarische Gerichte. Auch an der Fleischtheke hatte sie stets das Gefühl, dass die Mitarbeiterinnen mit besonderer Ehrfurcht vor den Lebensmitteln ihre Ware anpriesen.
»Um diesen Bio-Kram wird viel zu viel Heckmeck gemacht«, hörte sie Franks Stimme leise an ihrem Ohr, als sie sich gerade eine Scheibe Kochschinken neben ihr Rührei legte.
»Ich finde es wunderbar und genieße es einfach«, erwiderte sie. »Glaube mir: Früher oder später kommt jeder darauf.«
»Klar, du musst es nur bezahlen können. Bioprodukte sind doch immer so verdammt teuer.«
Klara schaute Frank prüfend an. »Du mit deinem Gehalt bei Wybrands wirst dir das gerade noch erlauben können, oder?«
»Womit wir wieder bei unserem Hauptthema wären. Herr Wybrands und sein Projekt. Werde mich gleich mal ein wenig mit der Chefin hier unterhalten«, flüsterte er ihr zu. Dann setzte er seinen Teller, übervoll mit allem, was das Buffet zu bieten hatte, vor sich auf den Frühstückstisch.
Klara schauderte. Hatte der noch nie gehört, dass man ein zweites Mal gehen konnte? Unglaublich! Aber vielleicht war das nur der Anfang und er würde tatsächlich noch weitere Male das Buffet abräumen. Sie schaute auf die Uhr. Zwei Stunden Zeit bis zum Termin beim Bürgermeister. Das konnte sich hinziehen.
Inzwischen hatte Frau Steenken alle Hände voll zu tun. Kevin, Mark und ihre Eltern hatten das Frühstück inzwischen weitgehend beendet, doch neue Gäste hatten an den anderen Tischen Platz genommen. So blieb es erst einmal bei dem Wunsch, Frau Steenken in ein Gespräch zu verwickeln.
Klara konnte es kaum ertragen zu sehen, wie Frank sich über das Essen hermachte. Rührei, Marmeladenbrötchen, dann eine Lage Lachs. Noch ein Körnerbrötchen, bevor er sich ein Spiegelei bestellte. Dazu hatte er sich bereits die fünfte Tasse Kaffee eingegossen. Seine Laune, die gestern nach der Abfuhr von ihr nicht die beste gewesen war, hob sich mit jedem Bissen. Wenigstens das. Wie leicht Männer doch zufriedenzustellen sind, dachte sie säuerlich.
Dann hielt Klara es nicht mehr aus. »Ich gehe schon mal und mache mich startklar«, sagte sie und schob energisch ihren Stuhl zur Seite.
Frank schaute sie erstaunt an. »Was soll das denn jetzt? Wir wollten doch .«
»Das erledigst du, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich mache mich schick für den Bürgermeister.« Fast fluchtartig verließ sie den Frühstücksraum, der von den Stimmen der Gäste und von der wieder hereinströmenden feuchten Wärme nur so brodelte.
*
Nachdem Frank Visser sein ausgedehntes Frühstück beendet hatte, blieb er noch sitzen. Er hoffte, dass Frau Steenken wieder auftauchte. Sie hatte sich schon ein paar Minuten nicht blicken lassen.
Er nahm sich den Ostfriesischen Kurier, den die Vermieterin neben das Buffet gelegt hatte, und blätterte ihn durch. Sein Blick blieb auf einer Schlagzeile hängen: Bauunternehmer wegen dubioser Geschäfte demnächst vor Gericht. Ein Bauunternehmer aus Aurich wird beschuldigt, staatliche Gelder für Sanierungen denkmalgeschützter Häuser kassiert zu haben, die gar nicht unter .
Sein Interesse ließ nach. Die Firma seines Vaters hatte zwar ihren Sitz in Aurich, aber sein Vater sanierte nicht, er riss ab und baute neu. Meistens jedenfalls. Trotzdem, das war ein Ding! Er würde seinen Vater demnächst fragen, um welchen Mitbewerber es sich dabei handelte.
Langsam wurde Frank Visser unruhig. Er faltete die Zeitung zusammen und überlegte, wo Frau Steenken stecken konnte. In der Küche wahrscheinlich. Er hatte zwar keine Ahnung, wo in diesem Haus die Küche war, und was er seiner Vermieterin als Grund für sein Auftauchen verkaufen sollte, aber er musste sich etwas einfallen lassen. Der Plan sah vor, dass sie erst mit der Frau und dann mit dem Bürgermeister sprachen. Und dass der Plan eingehalten würde, dafür würde er sorgen. Mochte sich seine Kollegin doch stylen. Für das Gespräch mit dem Bürgermeister vielleicht gar nicht schlecht. Er selbst würde davon vermutlich während ihres Aufenthaltes nicht profitieren. Das hatte sie ihm am Abend zuvor deutlich klargemacht. Was war er sauer gewesen! Noch immer nagte an ihm, dass Klara eine Frau ihm vorzog. Eigentlich unglaublich! Aber er hatte sich nichts anmerken lassen, und er würde sicher nicht aufgeben. Neuer Abend, neues Glück.
»Hallo, ist hier jemand?« Vorsichtig öffnete er die Tür, hinter der er die Küche vermutete. Volltreffer. »Frau Steenken?«
Er machte einen Schritt in den Raum, und da war sie wieder. Sein Engel von der Liege. Sie stand vor der offenen Spülmaschine und blickte aus dem Fenster. Dann drehte sie sich langsam um und lächelte ihn an.
»Hallo, wir kennen uns von gestern«, sagte er beinahe behutsam. »Möchten Sie mir nicht sagen, wie Sie heißen?« Er erhielt keine Antwort. Warum sprach sie nicht mit ihm? Was hatte das zu bedeuten? Jeder Mensch sagte doch was, wenn er freundlich angesprochen wurde. Er war doch freundlich gewesen!
»Kann ich Ihnen helfen?«
Frank zuckte zusammen.
»Herr Visser, was kann ich für Sie tun?« Margot Steenken hatte sich an ihm vorbei in die Küche geschoben, schaute zuerst ihre Tochter an, die selig lächelte, dann schickte sie einen unruhigen Blick zu ihm.
Er war gespannt. Jetzt würde sie bestimmt erklären, wer die stumme, wunderhübsche Frau war, die langsam Tasse für Tasse in die Spülmaschine stellte.
Aber nichts! Frau Steenken stellte sie nicht vor, und er wagte nicht zu fragen. Er durfte die Vermieterin keinesfalls schon verärgern, bevor das Gespräch überhaupt angefangen hatte. Frank hatte wichtige Dinge mit...
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