Schweitzer Fachinformationen
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Terminal B, das Transportdeck, ist ein einziges Chaos aus Farben und Geräuschen. An der Decke flackern versagende Lichtröhren in kränklichem Gelb und stumpfem Graublau. Dutzende von Stimmen überlagern sich in ebenso vielen Sprachen und konkurrieren mit den Flugkapitänen, die die letzten Passagiere aufrufen. Essensverkäufer buhlen um Aufmerksamkeit für ihre heißen und (theoretisch) frischen Waren. All dies immer wieder unterbrochen von den monotonen Abflugs- und Ankunftsansagen aus dem Stationscomm, was alles zusammengenommen einen Lärm erzeugt, dass sich die Luft um mich herum anfühlt, als müsste sie eigentlich fest sein.
Ich senke den Kopf und halte so unauffällig wie möglich nach UV-Agenten Ausschau. Den von der Bar habe ich nicht mehr gesehen. Aber jetzt, wo ich hier bin, so kurz vor der Flucht, erscheint es mir geradezu unausweichlich, dass sie zu Dutzenden in den Schatten lauern und nur darauf warten, mich zu ergreifen.
Ich presse den losen Kragen meines Sweaters über meine Nase, um den Geruch abzuhalten. Hier oben stinkt es, trotz der höheren Ebene. Über dem Duft der am Spieß rotierenden Sojawürstchen mit Speckgeschmack, der süß-salzigen Teriyaki-Nudeln vom Stand ein Stück weiter weg und des Kuchen-Frittieröls irgendwo hinter mir liegt ein starker Geruch nach faulen Eiern und altem Fisch. Ich muss fast würgen und presse den Stoff noch fester auf meinen Mund, als würde das helfen, die Atemluft zu filtern. Aber diesem Geruch kann man nicht entkommen, nicht hier. Das ist die Lake.
Riesige Fässer davon werden zu den verschiedenen Transportschiffen gekarrt, die sie zu nahe gelegenen Stationen fliegen. Die meisten aber gehen zu größeren Depots, die sie an teilweise weit entfernte Orte bringen. Sogar bis zur Erde.
Auch Trinkwasser rollt auf rumpelnden Wagen vorbei. Die Fässer sind groß und durchsichtig, um die Qualität des Produkts zu unterstreichen. Auf allen prangt das EnExx17-Emblem - genauso wie auf den Uniformen der gut bewaffneten Sicherheitsleute, die jede Ladung begleiten.
Nicht, dass sich hier irgendjemand dafür interessieren würde. Sauberes Wasser ist auf dieser Station kein Thema. Es ist der Grund, warum die meisten der Arbeiter den Job angenommen haben. Es ist eine Art Zusatzleistung zum normalen Lohn. Auch wenn es die Leute auf andere Art teuer genug zu stehen kommt.
Erschöpft aussehende Salzer unterhalten sich in kleinen Gruppen, während sie darauf warten, zu einer anderen EnExx-Station geflogen zu werden. Einige haben ihre Familien dabei, auch Kinder sind darunter. Sie tragen anständige Kleidung vom Tauschmarkt, aber sie sind zu leise, zu dünn. Ihre aschfahle Haut zeugt von zu viel Zeit in den unteren Etagen, ohne Zugang zum begrenzten Sonnenschein oder gar den Sonnenlichtern in den simulierten Außenbereichen, die angeblich für alle da sind. Ihre knubbeligen Gelenke zeichnen sich deutlich unter der Kleidung ab, was bedeutet, dass sie nicht genug Nährstoffe über echtes Essen bekommen und stattdessen auf VitaPlex angewiesen sind. Entweder wird keines geliefert, oder die höheren Führungskräfte teilen es nicht. Und niemand von den Verantwortlichen kümmert es.
Oder sie werden dafür bezahlt, nicht hinzusehen.
Eines der Kinder, ein Junge von etwa acht Jahren, zeigt auf den Kuchenverkäufer hinter mir. Der Vater drückt die Hand des Jungen wieder nach unten und sagt leise etwas zu ihm.
Ich kann die Worte zwar nicht hören, aber das muss ich auch nicht.
Meine Augen brennen, und ich muss den Blick abwenden. In meiner Tasche, die ich fest unter den Arm geklemmt halte, sind nur ein paar Kleidungsstücke und Toilettenartikel, nichts von Wert. Wenn ich das Geld hätte, würde ich dem Jungen und seinen Schwestern Kuchen kaufen. Das würde mich zwar nicht annähernd von meiner Verantwortung reinwaschen, aber ich habe das Geld so oder so nicht. Nachdem ich meine Bezahlung für die Nächte, die ich nun nicht mehr im Hostel verbringen werde, von der feindseligen Managerin zurückgefordert hatte - sie behauptete irgendetwas von einer Kaution und wollte die Credits behalten, bis ich auf mein ramponiertes Gesicht deutete und ihr sagte, dass ich gerne publik machen könnte, welche Art Etablissement sie hier betreibt (was ich natürlich nicht konnte, aber das wusste sie ja nicht) -, reichte es gerade für ein Ticket von hier weg.
Ich greife in meine Hosentasche und schließe die Hand um den abgenutzten blauen Plastikchip, in den die Kennung meines Transporters geritzt ist. Denn ich habe keinen VK-Ausweis mehr, auf den ich das Ticket laden könnte. Eine weitere Erinnerung an meinen derzeitigen Status: den einer Nicht-Person.
Es war die beste Wahl, die ich hatte. Die einzige Wahl, die mir noch blieb.
Wenn du dich zusammengerissen hättest und geblieben wärst, mitgespielt hättest wie ein anständiges Teammitglied .
Schuldgefühle überrollen mich, und ich wende mich ab, suche nach irgendetwas anderem, mit dem ich mich ablenken kann. Ein ramponiertes Display, auf dem weiße Linien über die Transporternummern und Abflugzeiten flimmern, hängt schief an der gegenüberliegenden Wand.
Es ist fast unmöglich, die Anzeige zu lesen, aber das spielt keine Rolle. Hauptsache, sie bietet meinen Augen für den Moment Zuflucht.
Bis eine Liste von Namen darauf erscheint, jeder davon mit dem Zusatz VERMISST.
Grigory Eachairn
Julia Jordan
Caspian Ahmad
Shikoba Ludwig
Johannes Salvi
Trinity Boothe Hopkins
Astra Sandberg
Giannina Ngo
Und jedes Bild wird von dem Refrain begleitet: Bitte melden Sie jede Sichtung! Hohe Belohnung! Wir wollen, dass unsere Kinder/Eltern wieder nach Hause kommen!
Familien auf der Suche nach geliebten Mitgliedern, die auf EnExx17 verschwunden sind. Sie müssen wirklich sehr verzweifelt sein, wenn sie sich auf diesem Weg an die Leute wenden.
Manche davon sind wahrscheinlich Ausreißer. Eine Handvoll könnte auch Opfer von Menschenhändlern geworden sein, wenn man die Zahl der Transporter bedenkt, die hier stündlich ablegen. Aber aufgrund meiner bisherigen Erfahrung auf EnExx17 würde ich wetten, dass ein guter Prozentsatz im Daze-Rausch in die unteren Ebenen hinabgestiegen und nie wieder aufgetaucht ist. Irgendwann werden sie für tot erklärt und manchmal viele Monate - oder Jahre - später als muffig riechender Knochenhaufen in einem vermeintlich versiegelten Tunnel gefunden.
Ich kann den Blick nicht mehr von dem Display abwenden. Während ich die Gesichter über mir flackern sehe, denkt sich ein Teil meines Gehirns automatisch mögliche Programme und Initiativen aus, mit denen sich das Problem lösen ließe. Von der Einführung einer Reha-Einrichtung auf der Station (natürlich VK-finanziert), bis hin zu strengeren Auflagen für Frachtunternehmen, die versucht sein könnten, mit Menschen als Ware noch ein bisschen Extravermögen zu verdienen.
Bis mein eigenes Gesicht erscheint. Genau dort, auf dem Display über mir.
Meine Lunge krampft, und ich kann mich nicht mehr bewegen. Der Lärm des Terminals verschwindet, zurück bleibt nur ein hohes Summen in meinen Ohren.
Wer . Wie haben sie .
Es dauert einen Moment, bis mein stotterndes Gehirn wieder in der Lage ist, Informationen zu verarbeiten, doch schließlich sickern mehr Details durch. Der Name neben dem Gesicht. Der letzte bekannte Aufenthaltsort, hier auf EnExx17, irgendwo auf SL-19. Die Kontaktdaten ihres Bruders.
Ich blase mit einem leisen Rauschen meinen angehaltenen Atem aus. Das bin nicht ich. Ich habe nicht mal einen Bruder.
Dieses Mädchen, Sarai, ist einige Jahre jünger und sieht meinem früheren Ich mit den blonden Haaren und den blauen Augen nur oberflächlich ähnlich. Mein paranoider, übermüdeter Verstand hat die Lücken lediglich falsch gefüllt.
Außerdem würde dein Gesicht nicht auf diesem Display für panische Familien erscheinen. Sondern auf dem Holocomm jedes Sicherheitsbeamten und UV-Agenten auf der gesamten verfluchten Station.
Jesu, ich muss schleunigst hier weg.
»Hey, Kleine, bewegst du dich auch mal?«, schreit ein Mann hinter mir auf Russisch.
Die Schärfe seines Tonfalls schafft es tatsächlich, den Lärm um mich herum und in meinem Kopf zu übertönen. Ich drehe mich um.
Der Erste Maat, bei dem ich mein Ticket gekauft habe, ein breiter Kerl mit Glatze und beeindruckendem Bart, steht wild gestikulierend da. Seine weit ausholenden Bewegungen sind in jeder Sprache verständlich. Die kleine Gruppe wartender Passagiere, darunter auch der Vater mit seinen Kindern, ist verschwunden. Vermutlich bereits an Bord gegangen.
»Immer mit der Ruhe, Väterchen, ich komme ja schon!«, schreie ich ohne Nachdenken auf Russisch zurück.
Seine Augenbrauen heben sich.
Ich ignoriere seinen überraschten Gesichtsausdruck und gehe mit laut über den verdreckten Boden knirschenden Stiefeln an ihm vorbei die Laderampe hinauf.
»Alles klar, Dewotschka«, murmelt er hinter mir.
Das Innere des Schiffs sieht genauso aus wie bei jedem anderen Transporter, mit dem ich bisher gereist bin. Das heißt, genauso wie bei dem, mit dem ich hergekommen bin. Ein ehemaliger Frachtraum, der zu einem Passagierbereich umgebaut wurde, weil niedrigere Lizenzgebühren die Beförderung von Menschen profitabler als die von Waren gemacht...
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