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Rätselhafte Morde und berühmte bretonische Chocolatiers
Noch nie war Kommissar Dupin so froh, einen neuen Fall zu haben, wie an diesem Frühsommertag. Mit einem Bein steht er bereits auf einem bedrohlich schwankenden Boot, um unter der Anleitung eines Coaches seine Angst vor dem Meer zu überwinden, als ihn der Anruf erreicht: Eine Frau ist ertrunken. Allerdings nicht im Atlantik, sondern in einem Bottich aus Schokolade.
Was kurios anmutet, entpuppt sich als kaltblütiger Mord an der Inhaberin einer alteingesessenen Confiserie in Concarneau. Wer hatte es auf die mutige Unternehmerin abgesehen? Sind weitere Menschen in Gefahr?
Um den dunklen Geheimnissen der Schokoladenwelt auf den Grund zu gehen, begeben sich Kommissar Dupin und Nolwenn, seine unersetzliche Mitarbeiterin, auf einen rasanten Roadtrip quer durch die Bretagne und bis ins Baskenland.
Die Krimi-Bestseller aus der Bretagne sind in folgender Reihenfolge erschienen:
Die Bücher erzählen eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Es war kurz vor vier, sie waren gut durchgekommen. Zwei weitere intensive Kaffeestopps und einmal tanken, mehr Pausen waren nicht drin gewesen.
Die Nacht war sternenklar, die ganze Küste hinab - La Rochelle, Saintes, Bordeaux - hatte sich nicht ein einziges Wölkchen gezeigt, dafür ein fast voller Mond, der die ewigen Meerespinien rechts und links der Autobahn in ein fahles Licht getaucht hatte. Eben hatte Claire angerufen, sie war um 2 Uhr 40 zu Hause gewesen. Und hatte brav mitten in der Nacht noch einen Teller Pot-au-feu gegessen. Hélène war wach geblieben, sie hatte »auf das Kind gewartet«. Dupin war seiner Schwiegermutter ehrlich dankbar gewesen, Claire hatte völlig erschöpft gewirkt, auch wenn alles gut gegangen war. »Der Patient lebt. Wir haben ihn gerettet.« Ein Satz, den Dupin selbst nach erfolgreich getaner Arbeit nie sagen konnte. Aber »Wir haben den Täter« war auch nicht schlecht.
»Die Manufaktur liegt mitten im Zentrum. Allées Marines. Neben dem kleinen Jardin Léon Bonnat. Direkt am Adour. - Kennen Sie Bayonne?«
»Ein wenig.«
Dupin war ein einziges Mal hier gewesen, und das auch nur für einen Tag. Mit Véro, einer Verflossenen, es war lange her, vierzehn, fünfzehn Jahre bestimmt. Sie hatten eine Woche in Bidart verbracht, einem kleinen Badeort direkt im Süden von Biarritz. Oberhalb eines unberührten grellgrünen Tals, das in einer atemberaubenden Bucht mündete. La Plage d'Erretegia. Eingerahmt von imposanten Felsen schaukelte das Meer dort fröhlich hin und her. Durch die Strömungen kam der weiße Sand nie zur Ruhe, jede Welle trug ihn mit sich, was die verrücktesten Farbschattierungen im Türkis und Azurblau des Meeres erzeugte. Von dort aus hatten sie einen Ausflug nach Bayonne gemacht. Dupin hatte die Stadt sehr gemocht. Überall Wasser, gleich mehrere Flüsse, der stattliche Adour, der das Meer bis in die Stadt führte und einen atlantisch-salzigen Geruch verströmte. Und genau dort, entlang der Ufer, spielte sich das heitere Stadtleben ab. Dutzende Cafés, eins neben dem anderen, man lebte draußen. Eine prachtvolle Altstadt mit kleinen Gässchen, aber nicht strahlend-protzig renoviert, sondern von der Patina vieler Jahrzehnte gezeichnet. Eine ganz und gar authentische Stadt. So wie Dupin es mochte.
»Hier rechts über die Brücke«, instruierte ihn Nolwenn. »Wir müssen auf die andere Seite des Adour.«
Nolwenn hatte beinahe die gesamte Fahrt über das Notebook auf dem Schoß gehabt, diverse Recherchen erledigt und Dupin mit Informationen versorgt. Zeitungsartikel über die Familie Mazago. »Les Mazagos«. Sud Ouest, La République des Pyrénées, Ouest-France. Hier »unten« waren sie anscheinend so etwas wie ein Mythos. Etwas Relevantes hatten Nolwenns Recherchen leider nicht ergeben. Womit sie allerdings Erfolg gehabt hatte: Dupin mit Bemerkungen über das Klopfgeräusch nervös zu machen. Dass es stetig an Lautstärke zunehme. Was - dummerweise - stimmte. Er musste wirklich dringend zur Werkstatt.
Abgesehen von einem heftigen Müdigkeitsanfall um kurz vor eins war Dupins Zustand bemerkenswert stabil geblieben. Die letzte Cola, das letzte Sandwich sowie die hochprozentige Schokolade - eine ganze Tafel - hatten geholfen. Vor allem, musste Dupin zugeben, Letzteres.
Der Adour schimmerte fahl im Mondlicht, bald hatten sie das andere Ufer erreicht.
»Jetzt wieder rechts. Immer am Fluss entlang.«
Ein paar Minuten später fuhren sie auf den Besucherparkplatz der Schokoladenfabrik. Ein wunderschönes altes Industriegebäude, vermutlich vom Anfang des 19. Jahrhunderts, ganz aus Backstein, ein wenig verschachtelt, aufwendig modernisiert. Eine echte Willy-Wonka-Fabrik, dachte Dupin.
Er hatte den Motor gerade abgestellt, als ein Gesicht vor dem Fenster der Fahrerseite erschien. Er zuckte zusammen.
»Nahia Mazago«, sagte Nolwenn.
Dupin öffnete die Tür und stieg aus.
»Ich bin froh, dass Sie da sind, Monsieur le Commissaire. Sehr froh.«
»Bonjour, Madame.«
»Bonjour, Madame Brijantez«, wandte sich Nahia Mazago an Nolwenn, die ebenfalls ausgestiegen war und zu ihnen trat.
Nahia Mazago war das Alter nicht anzusehen, Dupin hätte sie auf Anfang vierzig geschätzt, dabei war sie Anfang fünfzig, wusste er. Braun-rötliche Haare, auf elegant nachlässige Weise zum Pferdeschwanz gebunden, einzelne Strähnen fielen ihr trotzig ins Gesicht. Ein breiter Mund, ein warmes Lächeln. Sie trug einen schlichten schwarzen Pullover und eine schwarze Hose. Schwarze Espadrilles mit Absätzen. Im Baskenland war es mit den Espadrilles so wie mit den Streifenpullis in der Bretagne: Die Menschen trugen sie tatsächlich, nur für Unkundige waren sie Klischees.
»Ich hoffe, die Fahrt war okay?«
»Was wollen Sie uns zeigen, Madame?«
Es war nicht der Moment für Plaudereien.
»Kommen Sie.«
Umgehend marschierte sie los, ganz so, als hätte sie nur auf das Signal gewartet.
Sie liefen zu einem großen, offen stehenden Tor mit einer betonierten Rampe.
»Hier wird alles angeliefert. Vorgestern Abend kam die neue Ladung Kakaobohnen. Sie werden mit den beiden Segelschiffen direkt von unseren Plantagen in Venezuela nach .«
»Wir sind im Bilde«, kürzte Dupin die Sache ab.
Nahia Mazago - Dupin und Nolwenn dicht hinter ihr - war die Stufen an der Seite der Rampe hochgeeilt und betrat das Gebäude. Auch innen hatte man die Backsteine der alten Industriearchitektur bewahrt und mit starken Deckenstrahlern perfekt in Szene gesetzt.
»Hier befindet sich unser Lager«, erklärte Mazago.
»Die Schatzkammer«, bemerkte Nolwenn.
»Genau.«
Nahia Mazago lächelte. Ein schwaches Lächeln.
An der hinteren Wand standen Holzpaletten, auf denen große naturfarbene Leinensäcke gestapelt waren. Genau wie im Lager in Concarneau.
Auf dem Boden lagen drei Säcke, sie waren fast über die gesamte Länge in der Mitte aufgeschnitten, Kakaobohnen verteilten sich über die Fliesen und verströmten ihren intensiv-verrückten Duft. Auf einem Lastenwagen lag ein weiterer Sack, auch er war aufgeschnitten.
Nahia Mazago schritt auf den Wagen zu.
»Ich habe vorgestern Abend Proben genommen.«
Sie deutete auf einen Handschöpfer, der auf dem Boden lag. Daneben zwei Messer.
»Und dabei habe ich dies hier entdeckt.«
Nolwenn und Dupin hatten sich direkt neben sie gestellt.
Nahia Mazago fischte ein flaches, längliches Paket aus dem Sack. In grüne Folie eingewickelt.
»Wir experimentieren gerade damit, die Kakaobohnen noch vor Ort, auf der Plantage in Venezuela, zu Kakaomasse zu verarbeiten. Bislang werden die Bohnen in unseren Fabriken gemahlen. Für den Transport würden wir die Paste dann zu Blöcken in dieser Form und Größe pressen und einschweißen.« Sie deutete mit dem Kinn auf das Paket in ihrer Hand. »Aber wir sind in der Testphase. Noch machen wir das gar nicht. Unsere Chocolatiers wollen erst einmal herausfinden, ob man wirklich keine Aromen einbüßt, wenn zwischen den Arbeitsschritten zwei, drei Wochen liegen.«
»Was heißt das?«
Dupin hatte keine Ahnung, was Nahia Mazago ihnen sagen wollte.
»Und warum befindet sich jetzt schon ein solcher Block in dem Sack?«, fragte Nolwenn.
»Eben. Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt. Und ihn mir genau angesehen.«
Nahia Mazago zeigte auf das Paket.
»Schauen Sie!«
Die Ecke der Folie war abgeschnitten.
»Die Größe, die Form, das Gewicht - alles mehr oder weniger so, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber«, sie steckte den Finger in die Öffnung, »das ist keine Schokolade.«
Vorsichtig zog Nahia Mazago den Finger wieder heraus. Weißes Pulver rieselte aus dem Paket. Die Fingerspitze sah aus wie mehlbestäubt.
Eine Weile herrschte Stille.
»Kokain«, durchbrach Nolwenn sie schließlich. »Das ist Kokain, habe ich recht?«
Ihre Stimme vibrierte hörbar.
»Ja.«
»Darf ich?«
Dupin griff nach dem Block.
»Selbstverständlich.«
Dupin steckte selbst einen Finger in das Pulver und führte ihn zum Mund.
»Glauben Sie es mir«, Nahia Mazago presste die Sätze leise hervor, »es ist Kokain. Sehr reines Kokain. - Ich habe in unserem Labor in Bordeaux eine Probe analysieren lassen.«
»Wahnsinn«, brach es aus Nolwenn hervor.
»Das darf nicht wahr sein«, entfuhr es Dupin.
»Jetzt ist klar, worum es hier geht«, konstatierte Nolwenn, die grünblauen Augen weit aufgerissen. »In den Kakaosäcken wird Kokain geschmuggelt. Von Südamerika nach Frankreich.« Nach einem kurzen Innehalten fuhr sie fort: »Kokain in Kakao oder Kaffee zu verstecken, ist eine der effektivsten Methoden. Hunde oder elektronisch-chemische Detektoren haben fast keine Chance. Und was könnte unverdächtiger sein? Segelboote einer noblen bretonischen Öko-Schokoladenfirma. Da gibt es höchstens ab und zu ein paar Stichproben - und das war's.«
Dupin hatte begonnen, in der Schatzkammer auf und ab zu laufen, während er sich die Haare raufte. Was Nolwenn da ausformulierte, war ein plausibles Szenario, natürlich. Der Drogenschmuggel nahm Jahr für Jahr zu, und längst hatten die Drogenhändler entdeckt, dass es viel ungefährlicher war, über kleinere Häfen zu operieren als über die ganz großen. Sie fanden die fantasievollsten Wege, Drogenfahnder auszutricksen und den Stoff zu verstecken. Dupin hatte in Concarneau noch nicht damit zu tun gehabt, aber er las die polizeilichen Bulletins,...
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