Schweitzer Fachinformationen
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Heute
Bereits mit siebzehn zählte das effiziente Knacken von Türschlössern zu meinen Spezialitäten. Dass mich nie jemand dabei erwischt hat, zähle ich ebenso zu meinen Talenten. Wäre es anders, hätten sie mich nicht für die Ausbildung zur Polizistin ausgewählt oder mich meinen Abschluss machen lassen. Dementsprechend wurmt es mich, dass ich bereits über eine geschlagene Minute in dem Schloss vor mir picke und sich nichts tut. Es lässt mich wie ein Amateur aussehen. Zugegeben, meine kleinkriminelle Vergangenheit habe ich bereits einige Jahre hinter mir gelassen, aber das ist keine Entschuldigung. So ein Können verlernt man nicht. Es ist wie Fahrrad fahren. Das hämische Grinsen meines Partners zeichnet sich deutlich vor meinem inneren Auge ab. Aber zum Glück hat weder Vincent noch sonst jemand eine Ahnung von dem, was ich hier treibe.
Dass ich überhaupt so weit vorgedrungen bin, ohne von ihm, von Jonas, erwischt zu werden oder eine seiner Fallen auszulösen, ist ein Wunder. Dafür müssen umso schärfere Sicherheitssysteme hinter dieser Tür auf mich warten. Alles, was ich übers Hacken und über digitale Spionage weiß, habe ich von ihm gelernt - und ich bin überzeugt davon, dass er noch viel mehr Wissen in sich trägt. Ich begehe also Kamikaze, indem ich genau bei diesem Mann versuche einzubrechen.
Mein technisches Wissen ist dank ihm enorm, aber es reicht noch immer nicht aus, um ein Loch in seiner Firewall zu finden. Also muss ich es auf die herkömmliche Art machen und ihm einen Besuch abstatten, damit er mit mir redet. Was eine Ex-Kleinkriminelle, die sonst kein Leben außerhalb ihres Jobs hat, in einer Freitagnacht halt so macht. Wäre mein Kollege erfolgreicher in seinem Undercovereinsatz, müsste ich das jetzt nicht machen. Insgeheim hoffe ich, dass Jonas gar nicht da ist und ich mich in Ruhe in seiner Wohnung umsehen kann. Vielleicht lässt sich etwas finden, das ihm keine andere Option gibt, als mir zu helfen. Ich fürchte, ohne Erpressung wird er sich kaum mit uns zusammentun.
Das ersehnte Klicken ertönt und ich atme erleichtert auf, als die Tür nachgibt und sich einen Spalt öffnet. Im Inneren führe ich einen Freudentanz auf, doch äußerlich zuckt kein Muskel von mir. Über eine geschlagene Minute verharre ich in meiner Position. Kein schriller Alarm ertönt, der meine Ohren zum Klingeln bringt. Kein verräterisches Piepsen. Keine blutrünstigen Rottweiler, die auf mich zu preschen. Bei Jonas kann man nie vorsichtig genug sein. Dieser Kerl ist kreativ.
Das ist viel zu einfach, denke ich, als ich vorsichtig und umsichtig den Spalt so weit erweitere, dass ich gerade so hindurchschlüpfen kann. Die Tür fällt leise hinter mir ins Schloss. Auch jetzt löse ich kein Überwachungssystem aus. Entweder fühlt Jonas sich zu sicher oder ich habe ihn maßlos überschätzt. Welche Variante mir lieber ist, kann ich nicht sagen.
Ich sehe mich in der dunklen, fremden Wohnung um. Es ist keine Wohnung im klassischen Sinne. Er wohnt in einem Loft. Jonas wohnt nicht mehr mit seinem Freund und dessen Nichte zusammen. Es war meinen Kollegen spürbar peinlich, wie lange sie gebraucht haben, um seine neue Anschrift zu ermitteln. Aber es hatte keine hohe Priorität, ihn zu finden. Als wir damals die kriminelle Bande der Adler hochgenommen haben, war von Anfang an klar, dass die Rebellen irgendwann ebenfalls beseitigt werden müssen. Die Adler waren zu jenem Zeitpunkt geschwächt, weil sie sich nach einem Verrat aus den eigenen Reihen im Wiederaufbau befanden. Als ich die Akten studiert und mich auf meine Undercovertätigkeit vorbereitet habe, konnte ich zu Beginn nicht glauben, dass Roxy Adler, die Schwester von Hector Adler, dem Boss der Bande, so detailliert alles gestanden hat. Noch weniger konnte ich glauben, dass meinen Kollegen der Zugriff nicht ausreichend gelang und die Adler sich neu organisieren konnten. Die Zahl der Mitglieder war um einiges geschrumpft, aber dennoch blieben sie gefährlich. Nachdem ich Hector kennengelernt hatte, konnte ich nachvollziehen, warum Roxy Adler diesen Schritt gegangen war. Der Typ war verrückt. Anders ließ er sich kaum beschreiben. Sein Irrsinn brach ihm am Ende das Genick. Ich kann nur beten, dass diese Aktion hier genauso endet. Entweder mit Hugo Niro, dem Boss der Rebellen, im Gefängnis oder mit einer Kugel in seinem Kopf.
Meine Kollegen aus den anderen Abteilungen wissen noch nicht, dass das Vorhaben, die Rebellen zu Fall zu bringen, bereits angelaufen ist. Mein Chef lässt mich und meinen Partner erst einmal das Wasser testen. Je nachdem, was vonnöten ist, werden nach und nach mehr Kollegen mit einbezogen. Wenn es nach mir geht, bleiben so wenig wie möglich involviert. Als wir die Adler sprengen wollten, habe ich bereits mit illoyalen Kollegen Erfahrungen sammeln dürfen. Ich möchte das ungern wiederholen.
Jonas, der ehemalige Rebell, haust nicht mehr mitten im Geschehen, aber auch nicht zu weit ab vom Schuss. Am Ende habe ich seinen Aufenthalt selbst herausgefunden. Wie die Ironie es will, dank Tricks, die Jonas mir selbst beigebracht hat. Er beherrscht es jedoch wie kein anderer, seine Spuren zu verwischen. Demnach wollte er gefunden werden. Ich bezweifle, dass er dabei auf mich gehofft hat.
Meine Beine haben sich noch immer nicht in Bewegung gesetzt. Ich gebe meinen Augen Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dass ich ohne jegliche Rückendeckung dastehe, beruhigt meine Nerven kein Stück. Vielleicht hätte ich Vincent doch Bescheid geben sollen. Aber mit Anhang würde Jonas erst recht kein Wort mit mir wechseln. Bei ihm einzubrechen ist nicht die feine englische Art, aber soweit ich weiß, fließt kein britisches Blut durch meine Adern.
Langsam und mit allen Sinne aufs Schärfste angespannt bewege ich mich durch den Eingangsbereich. Gegenüber dem Eingang befindet sich eine Wand, die nicht bis ganz zur Decke gezogen und auch nur etwas über zwei Meter lang ist. Sie dient als Garderobe. Ordnung hat Jonas schon mal nicht in der Kinderstube gelernt. Die Schuhe liegen überall unsortiert und durcheinander verteilt. Bei genauerer Betrachtung sehen sie selbst in der Dunkelheit ziemlich mitgenommen aus. Als ob man mit ihnen Tennis gespielt und sie anschließend durch den Reißwolf gedreht hätte. Ich rümpfe meine Nase, als etwas darin zu kitzeln beginnt und mein Hals sich plötzlich zuzieht. Ich schiebe es auf die angespannte Situation, aber es fühlt sich sehr nach einer allergischen Reaktion an. Es gibt nur eine Sache, gegen die ich allergisch bin, und Jonas kennt sie. Vielleicht ist das seine Abwehrsicherung speziell gegen mich.
Das Loft ist offen und übersichtlich, aber es ist viel zu dunkel, als dass ich etwas Brauchbares in unmittelbarer Nähe erkennen könnte. Auf der Hälfte des Raumes führt eine Treppe zu einer Zwischenebene. Keine richtige Etage, eher eine Galerie. Sie bietet etwas mehr Platz, als für ein Doppelbett benötigt wird. Doch sein unordentliches Bett kann ich genau darunter ausmachen, was die Frage aufwirft, was er dort oben versteckt hält. Umso weiter ich mich in die Wohnung vorarbeite, umso beklemmender wird das Gefühl in meinem Hals, und der Reiz in meiner Nase wird stärker. Meine Augen beginnen zu brennen und zu wässern. Ich würde am liebsten den Rückzug antreten, aber dann wäre die ganze Aktion für die Katz und Vincent würde sich auf Lebzeiten über mich lustig machen.
Ein Geräusch.
Ein leises Scharren. Es kommt von der anderen Seite des Raumes. Noch immer kann ich niemanden erkennen. Da ich meine Dienstwaffe außer Dienst nicht tragen kann, müssen Pfefferspray und ein Taser reichen. Alles, was eine Frau heutzutage so bei sich tragen sollte. Ich ziehe den Taser aus meiner Gesäßtasche und entsichere ihn zur Vorsicht. Zu dem Scharren gesellt sich ein Knurren, und ich kann ein sich bewegendes Häufchen auf dem Fußboden kurz vor der Küchenzeile ausmachen. Ich presse meine Nase gegen meinen Oberarm, ohne den Blick abzuwenden. Es kribbelt und kratzt und schließlich kann ich trotz gesammelter Willensstärke ein Niesen nicht unterdrücken. Mir bleibt nicht einmal Zeit, die Hand vor den Mund zu halten. Das Hatschi ist noch nicht verklungen, als ich schnelle Schritte hinter mir höre. Ein weiteres Niesen verklärt mir die Sicht auf meinen nahenden Angreifer. Ich zucke zusammen, als ich am Handgelenk gepackt werde. Der Taser fällt zu Boden. Das elektrisierte Kribbeln meiner Haut verrät mir sofort, mit wem ich es zu tun habe.
Jonas.
Dabei war ich mir inzwischen so sicher, dass er nicht zu Hause ist. Sonst hätte ich nie so weit in seine Wohnung vordringen können.
Er verdreht meinen Arm und presst ihn gegen meinen Rücken. Ich stolpere vorwärts und mein Oberkörper kollidiert ungebremst mit der kalten Steinmauer vor mir. Bröckelnder Putz reibt gegen meine Wange und meinen Ausschnitt. Jonas drückt mich so fest gegen die Wand, dass die kleinen Steine feine Kratzer in meine Haut arbeiten. Er presst seinen ganzen Körper mitsamt Gewicht gegen mich und erschwert mir das ohnehin stoßweise Atmen. Vor Schmerz wimmere ich auf. Nicht, weil er meine Muskeln und Sehnen in ungewohnte Richtungen zwingt. Sein feuchter und ungepflegter Bart kratzt in meinem Nacken und setzt Erinnerung frei, die ich bis eben tief in mir vergraben und vergessen glaubte.
Er atmet tief an der Kuhle zwischen meinem Hals und meiner Schulter ein. Das hat er schon früher geliebt. Ich rieche sein Duschbad an ihm. Ein Tropfen fällt aus seinem feuchten Haar auf mein Dekolleté und verschwindet in meinem Ausschnitt. Aus dem verklärten Augenwinkel sehe ich, dass seine vollen Lippen sich zu einem gemeinen Grinsen formen. Kann das sein? Ich war davon...
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