Schweitzer Fachinformationen
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Begriffe und ihre jeweilige Bestimmung dienen als Anker für den Aufbau eines fundierten Verständnisses eines Fachgebiets. Mit der Klärung von Kerngedanken lassen sich hinzukommendes Wissen ebenso wie kontextbezogene Erfahrungen einordnen. Damit trägt die Auseinandersetzung mit Begriffen zum weiteren Auf- bzw. Ausbau von Denkstrukturen bei. Auch für den fachlichen Austausch ist die Klärung von gemeinsam geteilten Begrifflichkeiten bedeutsam. Dies gilt insbesondere mit Blick auf komplexe Zusammenhänge sozialer Realitäten, wie im hier vorliegenden Fall: dem (sport-)pädagogischen Handlungsfeld. Begriffe sind, anders als naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten, immer angewiesen auf eine kontinuierliche Vergewisserung ihres Bedeutungsgehalts, da dieser - im Sinne einer sozial-kulturellen Vereinbarung - einer normativen Setzung entspricht. Ein Begriff kann im Zeitverlauf durchaus auch anders gedeutet werden. Damit bildet eine Auseinandersetzung auch die Chance auf eine Selbstvergewisserung innerhalb eines Fachgebiets. In diesem ersten Kapitel des Buches werden entsprechend grundlegende Begriffe der Sportpädagogik anhand exemplarischer Deutungen geklärt.
Meinberg (1996) beginnt sein Einführungswerk Hauptprobleme der Sportpädagogik mit einer Standortbestimmung. Er beschreibt die Sportpädagogik als
»diejenige Teildisziplin der Erziehungs- und Sportwissenschaft, die das sportliche und spielerische Bewegungshandeln in seinen institutionalisierten und nichtinstitutionalisierten Formen vorrangig unter den Motiven Bildung, Erziehung, Sozialisation und Lernen mit Hilfe verschiedenartiger Forschungsmethoden untersucht« (ebd., S. 17).
Im Sportwissenschaftlichen Lexikon (Röthig et al., 2003), das erstmals 1972 den Versuch unternahm, die wissenschaftliche Fachsprache zu klären, verweisen Grupe und Kurz (2003) bei ihrer Definition der Sportpädagogik auf unterschiedliche Auffassungen zu inhaltlichen Bezügen.
»Sportpädagogik ist seit 1970 die übliche Bezeichnung für jenes Teilgebiet der Sportwissenschaft, in dem Sport im Zusammenhang von Bildung und Erziehung untersucht wird. Sportpädagogik ist wissenschaftssystematisch zugleich als Teilgebiet der Allgemeinen Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft anzusehen. In der Praxis kann pädagogische Verantwortung als eine Haltung beschrieben werden, die darauf gerichtet ist, insbes. heranwachsenden Menschen eine optimale Entwicklung und ein gutes Leben zu ermöglichen. In welcher Weise Sport dazu beitragen kann, ist daher die zentrale Frage der Sportpädagogik« (ebd., S. 527).
Auch Prohl (2010) eröffnet seinen Grundriss der Sportpädagogik mit der Frage Was ist Sportpädagogik? und orientiert sich dabei an der Definition aus dem Sportwissenschaftlichen Lexikon. Er betont ebenso den historischen Kontext der Disziplin plädiert aber für den Begriff der Bewegungskultur an Stelle des enger gefassten Begriffs Sport, um die zunehmende Vielfalt der Bewegungs-, Spiel- und Sportaktivitäten als Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklungen angemessener abzubilden.
»Als historisch geprägter Begriff wird unter Sportpädagogik [.] die Wissenschaft der Bildung und Erziehung im Rahmen der Bewegungskultur verstanden, in der sich problemgeschichtliche und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln« (ebd., S. 10).
Der Begriff der Bewegungskultur verweist auf die inhaltsbezogene Offenheit des Gegenstandsfeldes der Sportpädagogik. Der Sport, als festgelegter Bestand, existiert nicht. Maßgeblich sind neben objektiven Beschreibungen von Aktivitäten immer auch subjektive Sichtweisen was unter Sport verstanden wird. Zudem wird der gesellschaftlich-kulturelle Bezug deutlich: Bewegungskultur, d. h. gesellschaftliche Ausprägungsformen von Bewegung, Spiel und Sport, entsteht in konjunktiven (gemeinschaftlich erlebten und gestalteten) Erfahrungsräumen, die einem Kulturkreis eigen sind. Die Betrachtung kann sich dabei sowohl auf Bewegung als anthropologisches Phänomen (unter Berücksichtigung der Subjekt-Perspektive des Sich-Bewegenden), als auch auf die gesellschaftlichen Erscheinungsformen von Bewegung, Spiel und Sport (u. a. regelgeleiteter Sport, Sportarten) richten (Oesterhelt et al., 2020; Scheid & Prohl, 2017).
Hinsichtlich der Einbettung in benachbarte Bezugsdisziplinen entfaltet Prohl (2010, S. 13-19) die Sportpädagogik als eine Integrationswissenschaft, die sich im philosophischen Denken begründet und an pädagogischen Theorien orientiert, empirisch mit Hilfe sozialwissenschaftlicher Methoden Tatsachen prüft und gegenüber der Sportdidaktik Beratungsleistungen erbringt.
In der Zusammenschau der berücksichtigten Definitionsansätze ergeben sich Kerngedanken zur Beschreibung der Sportpädagogik als sportwissenschaftliche Disziplin. Zentral sind
die Zielsetzungen bzw. Prozesse der Erziehung und Bildung,
die mit Prozessen der Entwicklung, des Lernens und der Sozialisation in Bezug stehen und
als Gegenstand nicht nur eng auf den Sport, sondern umfassend auf Bewegung, Spiel und Sport im Rahmen der Bewegungskultur gerichtet sind.
Vor diesem Hintergrund fokussieren die weiteren Ausführungen des Beitrags zunächst die beiden zentralen Grundbegriffe Erziehung und Bildung ( Kap. 1.2), gefolgt von einer näheren Bestimmung der weiteren Grundbegriffe Entwicklung, Lernen und Sozialisation ( Kap. 1.3), ehe abschließend die Bezüge der Sportpädagogik zum Teilgebiet der Sportdidaktik geklärt werden ( Kap. 1.4).
Erziehung und Bildung gelten als klassische Begriffe der Pädagogik wie auch der Sportpädagogik (Grupe & Krüger, 2007; Prohl, 2010; Neuber et al., 2013). Ihr zentraler Stellenwert lässt sich zurückführen auf anthropologische Voraussetzungen sowie die Bildsamkeit des Menschen (Scheid & Prohl, 2017).
Der Begriff der Bildsamkeit ist eng mit darauf basierenden Fragen der Erziehung und Bildung verknüpft und findet sich im historischen Bezug bereits seit der Antike in der Diskussion. Nach Franke (2018, S. 259) bezeichnet Bildsamkeit
»[.] ein Prinzip, das nicht einen genetischen Zustand, sondern einen möglichen Prozess des Menschen als Gattungswesen sichtbar macht, bei dem es erfährt, welche Bedeutung Lernen, Wissen und ein sich dessen Bewusstwerden haben können.«
Mit Blick auf den Bildungswert körperlicher Erfahrungen stellt Franke (2015, S. 225) dabei zwei Fragen:
»1. Was berechtigt uns zu der Vorstellung, dass der Mensch auf die körperlichen Herausforderungen seiner Umwelt nicht nur reagiert, nicht nur durch sie lernt, sondern sich dadurch auch bildet? D. h. ist es berechtigt, von einer allgemeinen Bildsamkeit des Körpers zu sprechen?
2. Was berechtigt uns zu der Vorstellung, dass aus dem Verhältnis von Wahrnehmung, Erfahrung und Erkenntnis von Bewegungsbedingungen eine nicht-verbale Bildungskompetenz entwickelt werden kann? [.]«.
Franke weist damit auf die Notwendigkeit hin, Erziehungsziele nicht nur rein normativ auszuweisen, sondern die unterstellten pädagogischen Annahmen immer auch kulturanthropologisch zu begründen, im Sinne der »Nichthintergehbarkeit der kulturellen Existenz des Menschen« (Bietz, 2005, S. 89). Damit kommt zum Ausdruck, dass alles Tun und Sein eingebettet ist in den sozialen Kontext des Kulturkreises, in dem wir leben. Erziehung und Bildung im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport sind damit verwiesen auf zugrundeliegende Fragen der Bildsamkeit im Wechselspiel der subjektiv-anthropologischen und gesellschaftlich-institutionellen Dimension.
Ihren Status als zentrale Begriffe erhalten Erziehung und Bildung zudem durch den gesetzlich verankerten Kernauftrag der Institution Schule bzw. des Schulsports. Und auch in den außerschulischen Feldern des Sports wird der Blick zunehmend auf Bildungspotenziale gerichtet (Neuber, 2011). Beide Begriffe bilden somit einen grundlegenden Dreh- und Angelpunkt in Überlegungen zu sportpädagogischen Handlungsfeldern.
Erziehung beschreibt in der Regel eine zielgerichtete Einflussnahme auf einen anderen Menschen, der als Educand, d. h. als Zu-Erziehender...
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