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Seit dem Jahr 1996 herrschen in der Demokratischen Republik Kongo verschiedene Bürgerkriege. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen, die bis heute insbesondere im Osten des Landes anhalten, haben durch die Kampfhandlungen, vor allem aber auch durch eine gravierende Verschlechterung der medizinischen Versorgungslage und der Versorgung mit Lebensmitteln unzählige Menschenleben gefordert - so gelten die Kriege im Kongo zusammengenommen als der opferreichste Konflikt seit dem 2. Weltkrieg (vgl. Tull 2008: 77).1 In Europa und Nordamerika sind diese Kriege im Kongo nicht zuletzt dadurch in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, weil sich in ihnen unterschiedliche sub-staatliche Gewaltakteure wie beispielsweise Rebellengruppierungen, Warlords oder Milizen durch den Abbau und den Verkauf von Rohstoffen wie Gold, Zinn, Coltan oder Wolfram finanzieren. Dieser Aspekt der Finanzierung von Gewaltakteuren durch den Rohstoffhandel wurde dabei insbesondere durch unterschiedliche Non-Profit- und Nichtregierungsorganisationen am Beispiel des Rohstoffes Coltan, der Verwendung in der Produktion von Mobiltelefonen und Laptops findet, aber auch anhand anderer Rohstoffe wiederholt thematisiert.2 Mit solchen durch Rohstoffe generierten Revenuen erhalten die unterschiedlichen Gewaltakteure dabei häufig Einnahmen, ohne dass sie hierfür einen eigenen produktiven Beitrag leisten: So lassen sich verschiedene Rebellengruppen in der DR Kongo beispielsweise von Kleinschürfern eine Gebühr dafür bezahlen, dass letztere im entsprechenden Rebellengebiet Rohstoffe fördern dürfen. Bei den Einnahmen solcher Gewaltakteure handelt es sich daher um Renten.
An diesem Punkt soll diese Arbeit ansetzen: So wird untersucht, wie sich unterschiedliche sub-staatliche Gewaltakteure wie Rebellengruppen im Osten der DR Kongo in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu Renten aus Rohstoffen aneignen. Viele der von sub-staatlichen Gewaltakteuren kontrollierten sozialen Räume erinnern dabei an eine Art Mikro-Staat, weil hier ein Akteur wie beispielsweise eine lokale Rebellengruppe die Herrschaft über ein bestimmtes Territorium und die dort ansässige Bevölkerung ausübt und eine eigene Form der Verwaltung etabliert hat. Das zentrale Forschungsvorhaben dieser Arbeit ist daher, zu untersuchen, ob und inwieweit sich um die Aneignung von Renten durch sub-staatliche Gewaltakteure in der DR Kongo in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu eine staatsähnliche Herrschaft bildet, respektive wie sehr diese jeweilige Herrschaft einem Staat ähnelt. Diesbezüglich wird analysiert werden, wie sich unterschiedliche Gewaltakteure wie Rebellengruppen oder Milizen auf welche Art und Weise Rohstoffe - und damit Renten - aneignen und den Rentensektor zu zentralisieren versuchen und wie die jeweilige Herrschaft dieser Akteure strukturiert ist.
Um dies zu untersuchen, müssen zunächst einige Begriffe hergeleitet und definiert werden, um mit diesen als Analysekategorien arbeiten zu können. Daher wird im 2. Abschnitt dieser Arbeit zunächst die Rente als spezifische Revenueform analysiert. Diesbezüglich erfolgen zunächst eine Darstellung und Erläuterung der Grundrente als ein über den Produktionsfaktor Boden angeeignetes Einkommen. Daraufhin werden unter Bezugnahme auf die Theorien von David Ricardo und Karl Marx die Charakteristika der Differentialrente diskutiert. Die Frage, wie Rohstoffrenten durch sub-staatliche Gewaltakteure angeeignet werden und in welchem Verhältnis solche Gewaltakteure zu denjenigen, die die Rohstoffe abbauen - meist sind dies Kleinschürfer - stehen, wird dabei ebenfalls erörtert. Anschließend werden eine Operationalisierung und Definition der Rente vorgenommen, um im weiteren Verlauf der Arbeit mit dem Begriff der Rente als Analysekategorie arbeiten zu können. Zum Abschluss des Rentenkapitels werden dann Renten, die aus internationalen Austauschverhältnissen resultieren, sowie die Besonderheiten von Staaten, deren ökonomische Grundlage in erster Linie aus Renten besteht, erläutert. Dabei wird zudem analysiert, inwieweit diese Charakteristika von Rentenstaaten auch auf die Machtbereiche von sub-staatlichen Gewaltakteuren, die der Gegenstand dieser Untersuchung sind, zutreffen können.
Um analysieren zu können, ob sich um die Aneignung von Renten durch sub-staatliche Gewaltakteure eine sub-staatliche respektive staatsähnliche Herrschaft gründet, ist es darüber hinaus erforderlich, zunächst die Eigenschaften und Charakteristika eines Staates zu ermitteln. Diesbezüglich werden im 3. Kapitel zunächst unter Bezug auf den Staatsrechtler Georg Jellinek die Kernbestandteile eines Staates - das Staatsgebiet, das Staatsvolk sowie die Staatsgewalt - erläutert. Zudem wird in diesem Abschnitt diskutiert, ob und inwieweit die internationale Anerkennung durch andere Staaten ein konstitutives Merkmal eines Staates ist. Im Anschluss daran werden die Eigenheiten der Staatsgewalt genauer analysiert. Dabei erfolgt zunächst eine Bezugnahme auf die Terminologie von Max Weber, wobei zunächst Webers Begriffe von Macht und Herrschaft und anschließend die Verstetigung einer staatlichen Herrschaft in Form einer Institutionalisierung dieser Herrschaft diskutiert werden. Zudem wird Webers Definition des Staates als legitimer Inhaber des Gewaltmonopols einer kritischen Reflexion unterzogen. Darüber hinaus soll analysiert werden, inwieweit Webers Idealvorstellungen eines bürokratischen Staates auch auf postkoloniale Staaten im Allgemeinen und auf subsaharische Staaten wie die DR Kongo im Besonderen anwendbar sind. Nach dieser Darstellung der Theorien Webers wird erläutert, in welcher Form die zuvor erarbeiteten Merkmale und Erfordernisse der Institutionalisierung einer Herrschaft, um diese damit zu verstetigen und zu konsolidieren, grundsätzlich auch auf sub-staatliche Machtbereiche von Rebellen oder Milizen zutreffen. Um die Herrschaftsgebiete von sub-staatlichen Gewaltakteuren im Osten der DR Kongo in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu hinsichtlich ihres Grades der Formalisierung und Institutionalisierung vergleichen und differenzieren zu können, ist eine entsprechende Kategorisierung von sub-staatlichen Herrschaften notwendig. Daher wird in diesem zentralen Punkt - der Vergleichbarkeit sub-staatlicher Herrschaften von Gewaltakteuren - auf eine Klassifizierung von Jutta Bakonyi und Kirsti Stuvøy rekurriert: Hierbei können sub-staatliche Herrschaften nach dem Grad ihrer Institutionalisierung auf einem Kontinuum zwischen den Formen »Warlordfiguration«, die nur ein geringes Maß an Institutionalisierung aufweist, und »Quasi-Staat«, der durch ein hohes Maß an Zentralisierung und Institutionalisierung gekennzeichnet ist, verortet und damit voneinander abgegrenzt werden (Bakonyi/Stuvøy 2006: 40 ff.).
Im Anschluss an diese Darstellung über die Eigenschaften von (sub-)staatlicher Herrschaft wird dann die Entstehung von Staaten als Folge der Erhebung von Abgaben dargestellt. Dabei wird hier auf die Arbeiten von Charles Tilly Bezug genommen, wonach Staaten im Europa der Neuzeit dadurch entstanden sind, dass zeitgenössische Herrscher für die Kriegführung Ressourcen benötigten und von der Bevölkerung Abgaben erhoben, was zu einer Konsolidierung der Macht der Herrscher führte, wodurch sich zentralisierte, politische Organisationen - Staaten - herausbildeten, die zudem das Monopol über die Abgabenerhebung inne hatten. Dieser Erklärungsansatz soll daraufhin auf zeitgenössische afrikanische Staaten angewandt und dabei die Möglichkeit der Herausbildung von (neuen) Staaten durch die Monopolisierung der Erhebung von Abgaben wie beispielsweise von Rohstoffrenten erörtert werden. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte von Staaten soll anschließend in einem Exkurs das Phänomen des Staatszerfalls, welches in der zeitgenössischen Politikwissenschaft intensiv diskutiert wird, erörtert werden.
Die Aneignung von Renten durch Gewaltakteure im Osten der DR Kongo umfasst neben sub-staatlichen Akteuren wie Rebellengruppen auch verschiedene Einheiten der Armee, die weitgehend autonom agieren und die somit eine Mischform aus staatlichen und sub-staatlichen Akteuren darstellen. Um auch diese Hybridform theoretisch erfassen zu können, erfolgt als Erklärungsansatz eine Bezugnahme auf die von Douglass C. North, John Joseph Wallis und Barry Weingast erläuterte »dominante Koalition« in einem sogenannten natürlichen Staat (North et al. 2011). Dabei wird zunächst die Koalition von Akteuren und deren Möglichkeit der politischen Aneignung von...
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