Schweitzer Fachinformationen
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Es scheint mir höchste Zeit zu sein, dass wir bildenden Künstler uns wieder selbstbewusst, sinnlich, widersprüchlich und hingebungsvoll um unsere Welt kümmern, und dies mit den Mitteln der bildenden Kunst, nicht als Hobbysoziologen oder Psychotherapeuten. Dass wir erstarrte Seh- und Denkgewohnheiten hinterfragen, um diese in eine ästhetische und formale Sprache umsetzen, die es uns ermöglicht, Kunst als Modell für unsere Welt zu verstehen, ohne sich für diese Anmaßung permanent zu entschuldigen.
Urs Lüthi
Dieses Statement des Schweizer Künstlers Urs Lüthi ist jetzt über 25 Jahre her und mehr als damals aktuell. Er hat es verfasst mit Blick auf seine Studentinnen und Studenten an der Kunsthochschule Kassel, aber auch auf das damalige Kunstgeschehen und die Diskussion um Kunst und Politik. Geschrieben hat er es für das Werkbuch zur Ausstellung seiner Klasse im Kasseler Kunstverein, 1998. Das Buch und die Ausstellung hatten den Titel: DAS VERSCHWINDEN DER KUNST WIRD AUS GESELLSCHAFTLICHEN GRÜNDEN AUF UN-BESTIMMTE ZEIT VERSCHOBEN. Auch dieser Satz bleibt hoffentlich aktuell.
Diese Behauptung und Forderung ist eine politische. Sie rekurriert auf die im Grundgesetzt der Bundesrepublik festgeschriebene "Freiheit der Kunst" als unverzichtbarer Wert einer funktionierenden und sich selbst bewussten demokratischen Gesellschaft. Sie fordert diese Freiheit, ohne die Definition eines Kunstbegriffs und ist damit ein Auftrag an die Kunst und diejenigen, die sich der Kunst bedienen, sich selbst zu definieren. Das betrifft die gesellschaftliche Öffentlichkeit wie die Künstlerinnen und Künstler, und auch diejenigen, die Ausstellungen verantworten.
Was sind "gesellschaftliche Gründe"? Es sind, ganz allgemein formuliert, die Fragen und Antworten, Strukturen und Verhältnisse, die Gesellschaft ausmachen und fortdauernd beschäftigen. Diese Auseinandersetzung wahrzunehmen, zu beobachten und einzuschätzen, schließlich künstlerisch zu formulieren, d.h. in eine sichtbare Form zu bringen, ist der künstlerische Auftrag. Damit kann und soll Kunst sich einmischen und mitreden, ohne ihre Autonomie in Frage zu stellen.
Auch wenn Caspar David Friedrich viele seiner Bilder zurückgezogen im Atelier gemalt hat, so ist er vorher "draußen" gewesen, hat sich Notizen gemacht, Studien geführt, aus dem Wahrgenommenen ein "Bild" gemacht als eine Vision über das Verhältnis von Mensch und Natur, von Kultur und Gesellschaft, die mehr ist als der dargestellte Gegenstand.
Die Themenfelder, die sich als Genres im Laufe der Geschichte der Kunst herausgebildet haben, wie die Erzählungen vom Leben der Götter, das Wirken Christi und der Heiligen der Kirchen, die Darstellungen von Feldzügen und Schlachten, das Porträt, der Akt, das Interieur, das Stillleben, die Landschaft, sie wurden immer durch den Blick auf das was ist, wie es geworden ist und warum, was sein könnte oder sollte bestimmt. Und so wie die Naturwissenschaften in Verhältnisse vorgedrungen sind, die nicht mehr sinnlich wahrnehmbar sind, die nur über Modelle beschrieben werden können, deren Richtigkeit, Wirkung und Bedeutung aber feststellbar ist, hat sich die Kunst früh vom boßen Abbilden gelöst.
Es geht um emotionale und geistige Formulierungen, um die Befragung von Verhältnissen, Bezugssystemen, um Zusammenhänge und Unzusammenhängendes, um Kraft- und Machtverhältnisse, Widersprüche und Zufälle. Über das Faktische hinaus geht es um das Dazwischen, geht es um Wirkungszusammenhänge und Energien. Nicht nur die Knoten in einem solchen Netz machen dessen Haltbarkeit aus, sondern auch die Qualität der Fäden, der Verbindungen und der Halterungen und nicht zuletzt die Fischer, die die Netze knüpfen und die Pflöcke, an denen sie festgemacht sind. Der Fang ist dann ertragreich und vertretbar, wenn er über den Nahrungsbedarf hinaus das Gleichgewicht der Kräfte in Natur und Kultur einhält und so neben dem persönlichen auch einen gesellschaftlichen Mehrwert schafft.
Welche Komplexität und welche Bedeutung auf diese Weise entstehen, wird z.B. anschaulich, wenn man sich die Korrespondenzen der Gebrüder Grimm anschaut, zu sehen in der Grimmwelt, Kassel. Sie bilden ein erstaunliches, in viele geografische, politische und kulturelle Richtungen gehendes Netz, eine Ressource, aus dem heraus die Gebrüder Grimm ihre Energie, ihre Arbeit und ihr Werk gestaltet haben - weit vor der Erfindung des www.
In seinen künstlerischen Bewegungen muss eine Künstlerin, ein Künstler für sich ein Thema gefunden haben, das sie oder ihn umtreibt. Es löst sich aus und macht sich fest an einem Gegenstand, einem Phänomen, einem Erleben oder einem Ereignis. Die subjektive Wahrnehmung, das Leben in einer Umgebung stellt die Bezüge her, aus denen heraus die Energie für eine Fragestellung und ein Untersuchungsinteresse entsteht, das für diese Person nicht anders als durch künstlerische Mittel und Wege formuliert werden kann. Diese persönliche Bezugnahme enthält bereits Methoden des Zugriffs, die auf eine Haltung verweisen, die nicht nur körperlich und biografisch ist, sondern ebenso systemische und ideologische Momente enthält.
Die gestalterischen und auch die handwerklichen, technischen und medialen Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich am besten unter diesem Zugriff aneignen. Denn aus den darin enthaltenen Fragestellungen und Energien, schließlich den Vorstellungen von einem Ergebnis der Auseinandersetzung haben sie Kriterien für ihre Angemessenheit, Richtigkeit und Effizienz.
Es sind also nicht nur die Gegenstände, die Inhalte und Aussagen, die den Gehalt einer künstlerischen Arbeit ausmachen, sondern implizit auch die Methode der künstlerischen Arbeit. Nicht nur das im Kunstwerk liegende inhaltliche Faktum und die handwerkliche Machart, sondern erst die Wahrnehmung, das Wissen und Denken, das Wollen des Künstlers, der Künstlerin bilden die Energie, die im Kunstwerk eine Form finden will - oft eine, die Medium und Werkzeug neu beutzt.
Seit der Renaissance ist es für unsere Kultur wesentlich die Handschrift, die den Autor ausmacht, die von einer höheren (göttlichen) Macht geführte Hand. Wie sehr sie nicht nur eine technische, gestaltende und persönliche war und ist, zeigt, dass man bis in die Moderne hinein von einer Stilgeschichte der Kunst spricht, die deren ideologische Begrifflichkeiten und Hintergründe zusammenfasst. Die Widersprüche in der Bildsprache, die z.B. im 19. Jhdt. zwischen Romantik, Klassizismus und Realismus innerhalb einer Epoche sichtbar werden, sind dann keine mehr nur der Form und des Stils, sondern der grundsätzlich ideologisch begründeten Unterschiede in Auffassung und Haltung, die auf die beginnende Spaltung der Gesellschaft zurückzuführen sind.
Künstlerinnen und Künstler haben gezeigt, dass es in ihren Bildern nicht nur um den "Blick aus dem Fenster", nicht nur um bildhafte Illusionen geht, sondern auch darum, nachvollziehbar werden zu lassen, dass alle Werke "Gewerke" sind, d.h. einen Autor haben und als "Bilder" gemacht sind. Selbst eine perfekte Illsionistische Täuschung muss ja als solche entdeckt werden, um wirksam zu sein.
Wie diese "Bilder" zu Bildern im Kopf der Betrachterinnen und Betrachter werden, war - neben der inhaltlichen Argumentation, immer gleichzeitiges Thema - und Streitpunkt 8n der Kunst. Das gilt für Michelangelo oder Caravaggio, für Karl Bantzer und Ludwig Emil Grimm in Willingshausen, für Adolf Menzel bis hin zum Abstrakten Expressionismus eines De Kooning und die Pop Art von Andy Aarhol.
Die Diskussion um den angemessenen "Stil" eines Werkes , einer Kunst war nicht eine, die nur in den Ateliers geführt wurde, sie war immer auch öffentlich. d.h. eine der Auftraggeber, des Publikums und der Medien. Schließlich sollten die Bilder spezifische Sichtweisen vorschlagen und in den Betrachtenden Wirkung zeigen.
In der Moderne ist das unübersehbar, wenn impressionistische Bilder wahrnehmbar aus Farbmaterial auf der Leinwand bestehen, das sich erst im Auge zu einem "Eindruck" verwandelt, oder wenn expressionistische Künstlerinnen und Künstler Linie, Fläche und Farbe als eigenständig aufgetragene Gestalt zeigen, die ihre Gegenständlichkeit als "Ausdruck" erst durch die Aneignung des Betrachtenden "realisieren". Die Verwendung von vorhandenem Bildmaterial aus den Massenmedien, das Zitieren von realen Gegenständen im Bild wie sie dann im Kubismus, Surrealismus und Dadaismus eingeführt werden, schließlich die Collage und Montage forden als Methoden von Bildproduktion ein radikal neues Wahrnehmen und Denken von Wirklichkeit und deren strukturaler Zusammenhänge.
Die Nachkriegsmoderne der 60-/70-ger Jahre hat den Stellenwert von Materialität und Idee bis an deren Grenzen ausgelotet. Abstraktion und Konkrete Kunst, konzeptuelle Kunst, Happening und Aktionskunst haben Betrachterinnen und Betrachter, die Adressaten also, als Teilnehmende in extremer Weise autorisiert, in der Kunst mitzugehen und aufzugehen.
Die Energie und der Mehrwert an Emotionalität...
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