Schweitzer Fachinformationen
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Rosslyn rief an, um mich zu fragen, was ich gern zum fünfundfünfzigsten Geburtstag hätte. Einer ihrer vielen Vorzüge ist es, dass sie sich Geburtstage merken kann. Ich überlegte kurz. Ich wusste, was ich wollte: Ich wollte eine billige Akustikgitarre. Bei Best Buy kriegt man welche schon für rund siebzig Dollar. Sie sind in einem tollen Pappkarton. Als ich das letzte Mal dort war, habe ich zwei Kartons gesehen, die an der Wand lehnten und warteten. Fast hätte ich gesagt, dass ich gern so eine hätte - ich war schon gefährlich nah dran -, aber dann habe ich es doch nicht gesagt, denn man kann seine ehemalige Freundin wohl schlecht um eine Gitarre bitten, auch nicht um eine billige. Es ist ein zu bedeutsames Geschenk. Es setzt zu viel voraus. Es bringt sie in eine heikle Lage. Und «Am liebsten hätte ich dich wieder» kann man natürlich auch nicht sagen.
Stattdessen sagte ich also: «Ich glaube, am liebsten hätte ich ein Eiersalatsandwich.» Rosslyn macht einen ganz besonderen Eiersalat - sie tut eine seltene Paprikasorte und Estragon oder sonst ein abseitiges Gewürz dazu, das ich nicht kenne. «Wir könnten uns am Fort McClary treffen», sagte ich. «Wenn du die Eiersalatsandwiches machst, bringe ich den Picknickkorb und die geschnittenen Möhren mit.»
Früher waren wir manchmal beim Fort McClary, um den Seetang zu riechen und uns die Boote anzuschauen. Ich glaube, dort hat der Unabhängigkeitskrieg angefangen, aber genau weiß ich es nicht. Im Gras liegen riesige behauene, Stonehenge-artige Steine herum, die mal Teil eines Verteidigungswalls werden sollten, der aber nie gebaut wurde. Ich glaube, Paul Revere ritt mit seinem armen, schnaubenden Pferd den ganzen Weg bis Fort McClary, um Bescheid zu sagen, dass die Briten kommen, was der Beginn eines sinnlosen Handelskriegs war, der gar nicht hätte sein müssen.
Rosslyn schwieg einen Augenblick.
«Oder», sagte ich, «falls ein Picknick zu aufwendig ist, könnten wir einfach im Friendly Toast zu Mittag essen.»
«Nein, nein, ich kann dir auf jeden Fall ein Eiersalatsandwich machen», sagte sie. Ich hörte regelrecht, wie sie nachsichtig lächelte, wie eine, die jemanden mal vor langer Zeit geliebt hat.
Wir vereinbarten, uns am Fort McClary zu treffen und ein Geburtstagspicknick zu machen.
Heute Morgen hatte ich einen literarischen Traum. Rosslyn lebte noch mit mir zusammen, und ich sollte ein Buch mit militärischen Rezepten namens Gulaschkanone: Tolle Gerichte aus Armeeküchen besprechen. Rosslyn und ich testeten eines der Rezepte, und zwar für Tintenfisch-Walnuss-Muffins. Rosslyn zog das Blech mit den Muffins aus dem Backofen, und ich biss in einen hinein. «Wie schmeckt er?», fragte sie.
«Nicht besonders», sagte ich.
«Das überrascht mich nicht», sagte sie. Wir überlegten kopfschüttelnd, wie ich was Nettes über das Kochbuch sagen könnte.
«Vielleicht kannst du ja die Walnüsse loben?», sagte Rosslyn.
Da wachte ich auf.
Ich parke in der Inigo Road, meiner absoluten Lieblingsstraße. Ich wünschte, ich könnte etwas über die Wendung «glückliche Wendung» schreiben, aber dafür ist keine Zeit. Sehr bald werde ich fünfundfuckingfünfzig. Die fünf Fs. Vor zehn Jahren gab's mal drei f-Laute, aber diesmal ist es definitiv schlimmer. Wenn man nicht gerade Yeats oder Merwin heißt, ist man als Dichter mit fünfundfünfzig weg vom Fenster. Mit fünfundfünfzig war Dylan Thomas schon sechzehn Jahre unter der Erde. Keats war mit, wie viel?, sechsundzwanzig?, tot. Ritt durch die Gegend und hustete sich das Blut aus seinen traurigen Lungen. Und Wilfred Owen erst.
Als ich zum ersten Mal Keats Sonett «Wenn Angst mich fasst» las, aß ich gerade ein Thunfisch-Jumbo. Ich studierte angewandte Musik mit Schwerpunkt Fagott. Ich hatte das Gedicht in der Norton Anthology of Poetry gefunden - die kürzere schwarze Ausgabe mit dem Blake-Aquarell eines Greifs auf dem Umschlag. Ich hielt die Norton mit meinem braunen Plastiktablett aufgeschlagen und fing an zu lesen, wobei ich das Thunfisch-Baguette aß und ab und zu einen Schluck V8-Gemüsesaft aus einer kleinen Dose trank.
Keats sagt: «Wenn Angst mich fasst, ich hörte auf zu sein». Er sagte nicht: «Wenn ich Angst habe, ich könnte», hm, «tot umfallen» oder «mein Leben aushauchen» - nein, es heißt: «hörte auf zu sein». Ich hörte auf zu kauen. Mich packte die Leere und Unfassbarkeit in dieser Wendung. Und dann kam die nächste Zeile, und ich machte ein kleines, verblüfftes Hm. «Wenn Angst mich fasst, ich hörte auf zu sein», sagt Keats, «Bevor die Feder noch hat eingebracht / Die Ernte meines Geists .».
Ich möchte ja nicht behaupten, dass die Cafeteria sich drehte. Sie regte sich nicht. Ich hörte das mahlende Geräusch der druckenden Registrierkasse. Aber ich dachte sehr angestrengt nach. Ich dachte an einen großen Schildkrötenpanzer, den mir jemand geschenkt hatte, als ich noch klein war. Auf der Innenseite war eine Art mittig verschmolzene Wirbelsäule. Dieser Knochengrat stank fürchterlich, wenn man aus der Nähe daran roch, auf normale Entfernung war er allerdings geruchlos. Ich stellte mir den Schildkrötenpanzer als ein menschliches Schädeldach vor und auch, wie Keats' Feder Bröckchen Gedankenfleisch daraus einbrachte.
Die Feder ist ja das einzige Werkzeug, das scharf genug ist, um die Arbeit des Ernteeinbringens ordentlich zu erledigen. Keats wusste das. Er hatte eine medizinische Ausbildung. Er sollte Arzt werden. Er mochte das Medizinstudium nicht besonders, aber er assistierte bei Operationen. Die Vorstellung des Kopfinneren als eines Gegenstandes mit Spalten und Verstecken - dass es dort etwas einzubringen gab -, das kannte er aus erster Hand. Und er wusste auch, denn er war ein kranker Mann, dass seine Ängste begründet waren. Seine Mutter starb an Schwindsucht. Er war ein vierzehnjähriger Junge, als er nachts aufblieb und ihr zusah, wie sie starb. Er wusste, was es bedeutete, wenn das Dasein eines komplizierten, sanften Menschen einfach so aufhörte zu sein. Und sein Gehirn war übervoll von der Ungeschriebenheit dessen, was er zu sagen hatte. Er musste sich beeilen. Das alles wusste er.
Der Rest des Gedichts ist nicht annähernd so gut, aber es endet mit einem Knaller: «Bis Ruhm und Liebe in ein Nichts zerfällt.»
Ich habe die Liste mit den Dingen, über die ich heute schreiben wollte, nicht dabei. Manchmal notiere ich mir Dinge, über die ich schreiben will, auf ein gefaltetes Blatt Papier, aber das habe ich im Bett liegen lassen. Es ist ein leeres Bett. Es wird wohl einer meiner Leeres-Bett-Geburtstage. Davon hatte ich so einige.
Aber ein Geburtstag im Sommer ist was Gutes. Auf dem Ast bei meinem Auto, auf jedem Zweig, der nicht tot ist, tut sich eine Menge. In den Bäumen steht der Saft, und den Blättern bleibt gar keine andere Wahl, als auszutreiben. Milliarden Knospen an jedem Baum, die Blätter entfalten sich zitternd, dängen nach draußen. Eine Zwangsmigration. Der Saft steht unter Druck, und die Blätter müssen von den Enden der Zweige nach draußen fliehen. Damit entsteht über der ganzen Inigo Road ein grüner Dunst.
Ich habe einfach auf den Sommer gewartet, gewartet und ihn gewollt, und nun ist er da. Gestern war es sogar heiß, und heute habe ich in die Ecke meines Computerbildschirms einen Post-it-Zettel geklebt: KEINEN YUKON JACK, BIS DU FERTIG BIST. I need a new drug. Das hat Huey Lewis gesungen und war dann so dumm, Ray Parker Jr. zu verklagen, weil der die Bassline für den Titelsong von Ghostbusters geklaut haben soll.
Ich überlege hin und her, ob ich mir eine Dose Skoal rauchlosen Tabak kaufen soll.
Drei schnelle Abschiedsgläschen Yukon Jack. O Gott verdammt. Jetzt tief durchatmen. Hallo, meine wunderlichen Hirngespinste, ich bin Paul Chowder. Ich bin hier und ihr auch. Wir sind im selben Minkowski-Raum, der die Form eines Sattels hat. Ihr seid im Sattel, ich bin im Sattel, und wir fallen auch nicht von Reveres Pferd, weil es das gar nicht gibt.
Meine Knie lachen. Ist das erlaubt?
Hier mein Tipp zur Nacht. Nicken. Manchmal lohnt es sich zu nicken. Einfach heftig nicken. So geht das also? Okay, nicken, ja. Nicken üben.
Vor fünfunddreißig Jahren, da war ich zwanzig, habe ich mein Heckel-Fagott verkauft. Das war's dann. Jetzt soll ich einen neuen Gedichtband schreiben, den ich Kummermütze nenne. Ich will nicht daran arbeiten. Heute habe ich zur Anregung in ein extrem langes Gedicht von Samuel Rogers namens Human Life reingeschaut, weil mir der Titel gefiel. Es hat mir nicht besonders viel gebracht, aber mir ist wieder eingefallen, dass Samuel Rogers mit Tennyson und Coleridge befreundet war, und deswegen habe ich dann auch meine alte Tennyson-Ausgabe hervorgeholt und mir sein extrem langes Gedicht Maud angesehen, erzählt von einem weitschweifigen Gestörten. Tennyson war, als er Maud schrieb, sehr krank, wenn nicht klinisch verrückt, und einiges davon ist unlesbar. Aber eine sehr hübsche, hochfliegende Stelle gibt es, an die erinnert sich jeder. Sie beginnt so: «Komm in den Garten, Maud, / denn Nacht, die schwarze Fledermaus, ist los.» Da hat Tennyson uns erwischt. Die Nacht ist eine schwarze Fledermaus. Wie aufregend und unviktorianisch ist das denn? In derselben Passage ist die Rede von einer ungewöhnlichen Kammermusikgruppe, die anscheinend die ganze Nacht den Rosen ein Ständchen gebracht hat - eine Flöte, eine Geige und ein...
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