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Wer könnte schon Nein sagen, wenn er 135 Meter über London schwebt und dabei einen der spektakulärsten Ausblicke auf die Stadt genießt?
Ich kenne jetzt eine Frau, die das kann.
Jade Toogood.
Die Frau, die ich zwei Jahre lang meine Freundin genannt habe. Mit der ich bis vor ein paar Momenten den Rest meines Lebens verbringen wollte. Die Person, mit der ich nun 135 Meter über der Erde in einer gläsernen Gondel gefangen bin.
Die kann das.
Genauer gesagt: Die hat Nein gesagt.
Silvester. Im London Eye. Meine Traumfrau. Ein Ring. Eine gemeinsame Zukunft.
Was sollte da schon schiefgehen?
Ich hatte alles bis ins Detail geplant. Es sollte perfekt sein. Der krönende Abschluss dieses Jahres, der optimale Start ins neue. Monatelang hatte ich Websites, Magazine und Geschäfte durchforstet und Ringe begutachtet, hatte überlegt, wie genau ich die Frage der Fragen stellen sollte, und auf den richtigen Moment gewartet. Erst als Jade erwähnt hat, wie gern sie mal das London Eye besuchen würde, habe ich mich für diesen Ort entschieden. Er sollte der Schauplatz der Geschichte sein, die wir wieder und wieder unseren Freunden, der Familie und unseren künftigen Enkelkindern erzählen würden.
Die Hochglanzbroschüre, in der das Antrags-Paket beworben wurde, brachte es noch einmal auf den Punkt - wenn man von den immensen Kosten einmal absah, was könnte dann romantischer sein als die Buchung einer privaten Gondel? Die Seiten der Broschüre waren voll von glücklichen Paaren, die lächelten, lachten, sich küssten. Wunderschöne Menschen brachen in Freudentränen aus - keine Spur von Liebeskummer. Es gab hochaufgelöste Fotos des atemberaubenden Ausblicks. Das Wort >magisch< prangte in energischen, fetten Lettern auf der Seite. >Besonders<, hieß es noch. >Die perfekte romantische Kulisse<. Nirgends fand sich der Hinweis, dass es leider nicht immer perfekt lief. Es gab auch kein Kleingedrucktes, in dem man davor gewarnt wurde, dass sie auch Nein sagen könnte - oder eine Geld-Zurück-Garantie für diesen Fall. Denn wie der Slogan schon verdeutlichte, wer könnte bei all dem Nein sagen?
Wir sind noch nicht einmal hoch genug, um die Sicht auf die ikonische Skyline zu genießen, als es anfängt schiefzulaufen. Wir haben die Gondel eben erst betreten, unsere private Gondel, die die kommende halbe Stunde nur uns gehören wird. Dazu gibt es noch eine Schachtel feinster Pralinen und eine Flasche Champagner. Ich mag Champagner nicht mal. Aber da ich wahnsinnig nervös bin und total unter Druck stehe, habe ich das erste Glas schon hinuntergekippt, ehe die Fahrt überhaupt begonnen hat.
Ja, ich fange zu früh mit dem Champagner an, und mit dem Heiratsantrag auch.
Gäbe es ein Drehbuch für solche Anlässe hier im London Eye, dann stünde darin bestimmt, dass man auf die Knie gehen soll, sobald die Gondel den höchsten Punkt erreicht hat und somit der 360-Grad-Blick seine maximale Wirkung entfalten kann. Und auf keinen Fall, ehe man auch nur den Boden verlassen hat.
Aber ich warte nicht.
Vielleicht hätte sie Ja gesagt, wenn sie gerade den herrlichen Ausblick auf Big Ben, Wrens barocke Architektur und die Londoner City genossen hätte. Stattdessen stottere ich die schicksalsträchtigen Worte, als wir gerade auf Augenhöhe mit dem London Dungeon sind. Ich fürchte, die Frage jagt ihr weitaus größere Angst ein als die blutdurchtränkten Werbetafeln.
»Nein, Josh, nein.« Jade starrt mir dabei direkt in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck ist furchtbar leer. Sie sieht mich an wie einen Fremden, der ihr noch nie zuvor begegnet ist, und nicht wie den Mann, mit dem sie zusammenlebt. Der Mann, den sie eigentlich lieben sollte.
Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als wir beide im selben Hotel zu arbeiten begonnen haben. Im The Bristol Hotel in Bristol. Ich habe mich immer gefragt, wie lang es wohl gedauert hat, bis die Leute auf diesen Namen gekommen sind. Es war für uns beide nicht gerade ein Traumjob, aber so, wie wir in diese Karrieren gestolpert sind, so stolperten wir kurz darauf auch in unsere Beziehung. Und jetzt, drei Jahre später, wo wir immerhin schon seit zwei Jahren zusammen sind und seit einem Jahr zusammenleben - hat sie da mit dieser Frage nicht gerechnet? Ist das nicht der logische nächste Schritt?
»Heiraten, Josh? Was soll das denn? Ich habe gesagt, dass ich gern mal mit dir ins Londen Eye möchte. Und nicht, dass du hier um meine Hand anhalten sollst!«
Das kann doch jetzt keine große Überraschung gewesen sein! Denkt sie etwa, man bekommt Champagner, Trüffel und eine private Gondel für ein simples Vierundzwanzig-Pfund-Ticket?
»Okay, sorry. Das war offenbar schlechtes Timing. Aber warum denkst du nicht wenigstens mal drüber nach? Weshalb bist du so fest davon überzeugt, dass wir noch nicht bereit dazu sind? Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe, oder? Wir wollen unser Leben miteinander teilen, ist das dann nicht der nächste Schritt?«
»Du kannst aufstehen«, sagt sie harsch und ignoriert meine Fragen einfach. Mit fällt auf, dass immer noch eines meiner Knie in der Luft schwebt und ich den Ring in der Hand halte. Obwohl sie normalerweise ziemlich touchy ist, geht sie jetzt so weit wie möglich auf Abstand.
Ich richte mich wieder auf und sehe ungläubig aus der Gondel. So wie dieser perfekte Augenblick sich eben in Luft aufgelöst hat, so ergeht es auch all den glücklichen Momenten, die ich hier in dieser Gegend erlebt habe. Sie sind für immer zerstört. Meine Kindheitserinnerungen an die Familienausflüge in die Hauptstadt - als mir alles noch größer, strahlender und generell beeindruckender vorkam - bis hin zu den schönsten Momenten meiner Studienzeit, den Nächten in dem Programmkino des BFI, dem Durchforsten der Buchstände unter der Waterloo Bridge oder den Stücken im National Theatre, für die ich verbilligte Last-Minute-Tickets erstanden hatte und bei denen ich stets so tat, als würde ich sie in vollen Zügen genießen, auch wenn ich sie nicht richtig verstand.
Die Southbank war schon immer mein Lieblingsort in London. Die gepflasterte Straße, die sich am Fluss entlangzieht und so viele Sehenswürdigkeiten der Stadt umfasst; sie ist stets voller Touristen und Mütter, die ihre Kinderwagen schieben, voll von Joggern, die Slalom um Herden von Schulkindern laufen, Skatern, die um Gruppen von Tauben herumkurven, Kameras, Kaffeebecher und Händchen haltenden Pärchen. Ich kenne diese Gegend gut. So gut, dass ich weiß, dass im Dach des National Theatres etwa 60000 Bienen leben oder dass das Shell-Max-Haus gegenüber das größte Ziffernblatt des Vereinigten Königreichs hat. Aber dass meine Freundin mich nicht ebenso liebt wie ich sie, davon hatte ich keinen blassen Schimmer. Ich habe nicht geahnt, dass sie Nein sagen würde. Und das ist gerade das Einzige, woran ich denken kann. Jetzt will ich diesen Ort hier nie wieder sehen. Vor allem will ich gerade nicht hier sein. Überall, nur nicht hier.
Aber das geht leider nicht. Ich kann nirgendwo anders hin, zumindest nicht für die nächsten achtundzwanzig Minuten. Ich tigere durch die Gondel. Auch wenn hier normalerweise über zwanzig Personen Platz finden, ist sie gerade zu klein für uns beide. Ich kriege Platzangst. Jades Dior-Parfüm breitet sich in der gesamten Gondel aus, ein Duft, der mich an glückliche Zeiten erinnert und mir nun die Luft abschnürt. Können sie uns nicht rauslassen? Oder einfach den Rückwärtsgang einlegen? Gibt es hier nicht irgendwo einen Notfallknopf? Es muss doch einen Fluchtweg geben! Das hier ist ja wohl ein Notfall, oder nicht?
Ihre Worte hallen in meinem Kopf nach, bilden ein Echo in der Gondel und werden lauter und lauter, als sie an den Fensterscheiben abprallen.
Nein. Nein. Nein.
Was soll Nein überhaupt heißen? Gilt das nur für jetzt? Oder für immer?
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Zwanzig Minuten noch. Was ist denn los mit diesem Rad? Ist es kaputt?
Jade schweigt und fährt sich mit den lackierten Fingernägeln durchs Haar. Sie ist blond, seit ich sie kenne, aber ihre dunklen Augen verraten ihre natürliche Haarfarbe. Als sie ihren Hinterkopf erreicht hat, hält sie inne und sieht mich erschöpft an. Bestimmt will sie etwas sagen. Diesen Gesichtsausdruck kenne ich von dem Moment, in dem sie mir gestanden hat, dass sie meine geliebte Bristol-City-Tasse zerdeppert hat.
»Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen. Nicht jetzt. Nicht zu Weihachten. Es tut mir leid, Josh. Aber ich denke, dass wir uns . trennen sollten.«
Was?
»Ich habe jemanden kennengelernt. Ich meine, ich treffe mich mit jemandem.«
So fühlt es sich also an, wenn jemand einem das Messer in die Brust rammt. Ich kann kaum atmen.
Das kann doch einfach nicht sein! Ist das ein Scherz? Ein richtig gut eingefädelter Streich? Das ist sicher eine dieser Fernsehshows mit versteckter Kamera, oder?
Ich suche die Gondel nach entsprechenden Hinweisen ab, aber da ist nichts zu sehen.
»Was soll das heißen, du triffst dich mit jemandem?«
Trotz des Champagners ist mein Mund plötzlich staubtrocken.
»Ich dachte, dir wäre auch aufgefallen, dass es in letzter Zeit zwischen uns nicht gut läuft. Das entschuldigt natürlich nicht, dass ich was mit einem anderen habe, aber .«
»Wer ist .« Ich bringe kaum ein Wort heraus.
»Er heißt George«, stottert sie widerstrebend.
Wer zur Hölle ist George? George Bush? George Clooney? Das sind die einzigen Georges, die ich kenne, und soweit ich weiß, hat sie die nie...
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